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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Mir hat es den Eindruck gemacht, sagte er in entschiednen Tone, als ob
Dorothea und Dietrich garnicht zusammen paßten. Er ist ein gescheidter, liebens¬
würdiger und hübscher Mann, aber er ist nicht der Mann, der Dorothea glück¬
lich machen wird. Ein derartiges Zusammenpassen, wie es für die Ehe nötig
ist, läßt sich überhaupt nicht nach bestimmten Eigenschaften abmessen, noch we¬
niger nach äußern Gründen. Die glückliche Ehe ist nicht das Fazit eines Rechen¬
exempels.

Ah, bah! sagte der Baron etwas bestürzt. Und was zum Henker sollte
daraus folgen, wenn die Beiden wirklich nicht harmonirten?

Ganz einfach das, daß sie sich nicht heiraten dürfe",.

Das wäre! rief Baron Sextus ganz verwirrt. Nein nein, das wollen
Sie nicht im Ernste sagen, Verehrtester Freund. Es würde mir ja in der Seele
leid thun, wenn Dorothea nicht glücklich werden sollte. Nein nein! Aber seien
Sie ganz ruhig. Ich werde meinen Musjöh Schwiegersohn gehörig ins Gebet
nehmen, und das -- hätte ich beinahe gesagt, sollte ihm in die Glieder schlagen,
wenn er sich nicht so benehmen wollte, wie sichs gehört! Da lassen Sie mich
sorgen!

Sie verstehen mich noch nicht, lieber Freund. Ich glaube, daß ganz reale
Gründe vorliegen, welche verhindern, daß jemals Dorothea mit dem Grafen
Dietrich glücklich werden kann. Und es tritt deshalb ganz einfach die Frage
an Sie heran: Wollen Sie Ihren Absichten hinsichtlich der Herrschaft Eich¬
hausen zu Gefallen Ihre Tochter für Zeit ihres Lebens elend machen, oder
wollen Sie auf jenen Plan verzichten, um Ihre liebenswürdige und des Glückes
in so hohem Maße würdige Tochter wahrhaft glücklich zu machen.

Der Baron saß ganz wie versteinert da und vermochte sich noch nicht recht
in diese ihm ganz neuen Ideen hineinzufinden. Sein Plan hatte ihm als etwas
so selbstverständliches und unerschütterliches vor Augen gestanden, daß er gar
nicht deu Gedanken zu fassen vermochte, es könne daran irgend ein Haken oder
gar ein fundamentaler Fehler sein.

Aber in aller Welt Gottes, sagte er endlich, was bringt Sie denn nur
auf solche Vermutungen? Das ist das erste Wort, was ich darüber höre, daß
da nicht alles in Ordnung sein sollte.

Das will ich Ihnen sagen, antwortete der General in festem Tone. Doro¬
thea hat eine tiefe Herzensneigung zu dem Herrn Eschenburg gefaßt, der soviel
bei Ihnen verkehrte und den ich jetzt, seitdem Altenschwerdts da sind, nicht mehr
hier getroffen habe. Ich wundere mich, daß Sie es nicht bemerkt haben, daß
die beiden jungen Leute für einander schwärmen, denn ich glaubte schon, er sei
weggeblieben, weil Sie dieser Passion ein Hindernis in den Weg gelegt hätten.

Der Baron hörte diese Worte nur deshalb ruhig an und ließ den Grafen
nur deshalb nach dem ersten Satze ungestört noch weiter sprechen, weil er so
überrascht und entsetzt war, daß er keinen Ausdruck für seine Gefühle finden


Die Grafen von Altenschwerdt.

Mir hat es den Eindruck gemacht, sagte er in entschiednen Tone, als ob
Dorothea und Dietrich garnicht zusammen paßten. Er ist ein gescheidter, liebens¬
würdiger und hübscher Mann, aber er ist nicht der Mann, der Dorothea glück¬
lich machen wird. Ein derartiges Zusammenpassen, wie es für die Ehe nötig
ist, läßt sich überhaupt nicht nach bestimmten Eigenschaften abmessen, noch we¬
niger nach äußern Gründen. Die glückliche Ehe ist nicht das Fazit eines Rechen¬
exempels.

Ah, bah! sagte der Baron etwas bestürzt. Und was zum Henker sollte
daraus folgen, wenn die Beiden wirklich nicht harmonirten?

Ganz einfach das, daß sie sich nicht heiraten dürfe»,.

Das wäre! rief Baron Sextus ganz verwirrt. Nein nein, das wollen
Sie nicht im Ernste sagen, Verehrtester Freund. Es würde mir ja in der Seele
leid thun, wenn Dorothea nicht glücklich werden sollte. Nein nein! Aber seien
Sie ganz ruhig. Ich werde meinen Musjöh Schwiegersohn gehörig ins Gebet
nehmen, und das — hätte ich beinahe gesagt, sollte ihm in die Glieder schlagen,
wenn er sich nicht so benehmen wollte, wie sichs gehört! Da lassen Sie mich
sorgen!

Sie verstehen mich noch nicht, lieber Freund. Ich glaube, daß ganz reale
Gründe vorliegen, welche verhindern, daß jemals Dorothea mit dem Grafen
Dietrich glücklich werden kann. Und es tritt deshalb ganz einfach die Frage
an Sie heran: Wollen Sie Ihren Absichten hinsichtlich der Herrschaft Eich¬
hausen zu Gefallen Ihre Tochter für Zeit ihres Lebens elend machen, oder
wollen Sie auf jenen Plan verzichten, um Ihre liebenswürdige und des Glückes
in so hohem Maße würdige Tochter wahrhaft glücklich zu machen.

Der Baron saß ganz wie versteinert da und vermochte sich noch nicht recht
in diese ihm ganz neuen Ideen hineinzufinden. Sein Plan hatte ihm als etwas
so selbstverständliches und unerschütterliches vor Augen gestanden, daß er gar
nicht deu Gedanken zu fassen vermochte, es könne daran irgend ein Haken oder
gar ein fundamentaler Fehler sein.

Aber in aller Welt Gottes, sagte er endlich, was bringt Sie denn nur
auf solche Vermutungen? Das ist das erste Wort, was ich darüber höre, daß
da nicht alles in Ordnung sein sollte.

Das will ich Ihnen sagen, antwortete der General in festem Tone. Doro¬
thea hat eine tiefe Herzensneigung zu dem Herrn Eschenburg gefaßt, der soviel
bei Ihnen verkehrte und den ich jetzt, seitdem Altenschwerdts da sind, nicht mehr
hier getroffen habe. Ich wundere mich, daß Sie es nicht bemerkt haben, daß
die beiden jungen Leute für einander schwärmen, denn ich glaubte schon, er sei
weggeblieben, weil Sie dieser Passion ein Hindernis in den Weg gelegt hätten.

Der Baron hörte diese Worte nur deshalb ruhig an und ließ den Grafen
nur deshalb nach dem ersten Satze ungestört noch weiter sprechen, weil er so
überrascht und entsetzt war, daß er keinen Ausdruck für seine Gefühle finden


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[0426] Die Grafen von Altenschwerdt. Mir hat es den Eindruck gemacht, sagte er in entschiednen Tone, als ob Dorothea und Dietrich garnicht zusammen paßten. Er ist ein gescheidter, liebens¬ würdiger und hübscher Mann, aber er ist nicht der Mann, der Dorothea glück¬ lich machen wird. Ein derartiges Zusammenpassen, wie es für die Ehe nötig ist, läßt sich überhaupt nicht nach bestimmten Eigenschaften abmessen, noch we¬ niger nach äußern Gründen. Die glückliche Ehe ist nicht das Fazit eines Rechen¬ exempels. Ah, bah! sagte der Baron etwas bestürzt. Und was zum Henker sollte daraus folgen, wenn die Beiden wirklich nicht harmonirten? Ganz einfach das, daß sie sich nicht heiraten dürfe»,. Das wäre! rief Baron Sextus ganz verwirrt. Nein nein, das wollen Sie nicht im Ernste sagen, Verehrtester Freund. Es würde mir ja in der Seele leid thun, wenn Dorothea nicht glücklich werden sollte. Nein nein! Aber seien Sie ganz ruhig. Ich werde meinen Musjöh Schwiegersohn gehörig ins Gebet nehmen, und das — hätte ich beinahe gesagt, sollte ihm in die Glieder schlagen, wenn er sich nicht so benehmen wollte, wie sichs gehört! Da lassen Sie mich sorgen! Sie verstehen mich noch nicht, lieber Freund. Ich glaube, daß ganz reale Gründe vorliegen, welche verhindern, daß jemals Dorothea mit dem Grafen Dietrich glücklich werden kann. Und es tritt deshalb ganz einfach die Frage an Sie heran: Wollen Sie Ihren Absichten hinsichtlich der Herrschaft Eich¬ hausen zu Gefallen Ihre Tochter für Zeit ihres Lebens elend machen, oder wollen Sie auf jenen Plan verzichten, um Ihre liebenswürdige und des Glückes in so hohem Maße würdige Tochter wahrhaft glücklich zu machen. Der Baron saß ganz wie versteinert da und vermochte sich noch nicht recht in diese ihm ganz neuen Ideen hineinzufinden. Sein Plan hatte ihm als etwas so selbstverständliches und unerschütterliches vor Augen gestanden, daß er gar nicht deu Gedanken zu fassen vermochte, es könne daran irgend ein Haken oder gar ein fundamentaler Fehler sein. Aber in aller Welt Gottes, sagte er endlich, was bringt Sie denn nur auf solche Vermutungen? Das ist das erste Wort, was ich darüber höre, daß da nicht alles in Ordnung sein sollte. Das will ich Ihnen sagen, antwortete der General in festem Tone. Doro¬ thea hat eine tiefe Herzensneigung zu dem Herrn Eschenburg gefaßt, der soviel bei Ihnen verkehrte und den ich jetzt, seitdem Altenschwerdts da sind, nicht mehr hier getroffen habe. Ich wundere mich, daß Sie es nicht bemerkt haben, daß die beiden jungen Leute für einander schwärmen, denn ich glaubte schon, er sei weggeblieben, weil Sie dieser Passion ein Hindernis in den Weg gelegt hätten. Der Baron hörte diese Worte nur deshalb ruhig an und ließ den Grafen nur deshalb nach dem ersten Satze ungestört noch weiter sprechen, weil er so überrascht und entsetzt war, daß er keinen Ausdruck für seine Gefühle finden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/426>, abgerufen am 24.08.2024.