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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Dorotheeus Fittig ist, noch mehr entwickeln. Dorothea hat einen merkwürdigen
Charakter. Es ist so ein gewisses Etwas in ihr, wovon ich glaube, daß es
ihren Mann verhindern wird, jemals etwas niedriges zu thun. Sie ist ganz
eine Frau wie für Dietrich geschaffen.

Sie wollen damit jedoch nicht sagen, daß Dietrich etwas niedriges zu be¬
gehen imstande wäre, wenn er nicht eine vortreffliche Frau bekäme.

Gewiß uicht. Indessen will ich nicht leugnen, daß ich wünschte, er wäre
etwas männlicher. Nun, er ist noch jung, und das wird sich schon finden. Er
ist, wie das jetzt den meisten jungen Männern so geht, von der Zeitkrankheit
angesteckt. Das spricht jetzt, wie in meiner Zeit die Professoren auf dem Ka¬
theder, aber es fehlt die Thatkraft.

Und sind Sie sicher, daß er hinsichtlich seines Geistes und Gemüts ganz
für Dorothea passen wird?

O, warum nicht? sagte Baron Sextus. So viel ich sehe, passen die beiden
vortrefflich zusammen, und das ist mir sehr lieb, da sie doch ihr Leben lang
mit einander auskommen müssen.

Ich will Ihnen offen gestehen, daß ich hierin Ihrem Gedankengange nicht
recht zu folgen vermag, sagte der General. Sie meinen, weil die jungen
Leute zusammen leben niüßten, wäre es gut, wenn sie zu einander paßten. Ich
sollte aber denken, wenn sie nicht zu einander paßten, würde es ein gefährliches
Experiment sein, ja sogar ein Verbrechen, sie zu einem gemeinsamen Leben zu
zwingen.

Ja ja, sagte der Baron, das wird sich dann alles, so Gott will, schon
zurechtfinden.

Es wird sich schwerlich irgend etwas zurechtfinden, was nicht daraufhin
angelegt ist, sondern sich seiner Natur nach bekämpft.

Gewiß, gewiß. Aber warum sollte hier nicht das beste Einvernehmen herr¬
schen? Sie wissen, daß es sich um die alte Familienbestimmung handelt, wo¬
nach die Herrschaft Eichhausen meiner Tochter für den Fall verbleibt, daß sie
einen Grafen Altenschwerdt heiratet, und --

Der Baron unterbrach sich selbst, lächelte und fuhr dann fort: Sollte
ein Fall eintreten, wie ich ihn vorhin als eine Möglichkeit und eine besondre
Gnade Gottes bezeichnete, so würde freilich die Herrschaft in direkter männlicher
Descendenz weitererben. Aber das sind ungefangene Fische, und ich will die
einmal gebotene Sicherheit nicht aufgeben wegen einer Hoffnung, einer Chimäre.
Bei einer so wichtigen Frage kann man nicht kaltblütig und besonnen genug
vorgehen.

Der General beschloß, einen entscheidenden Schlag zu thun. Baron Sextus
war so erfüllt von seinen eignen Ideen, daß es unmöglich erschien, ihn auf
sanfte Art abzulenken.


Grenzboten II. 1333. 5S
Die Grafen von Altenschwerdt.

Dorotheeus Fittig ist, noch mehr entwickeln. Dorothea hat einen merkwürdigen
Charakter. Es ist so ein gewisses Etwas in ihr, wovon ich glaube, daß es
ihren Mann verhindern wird, jemals etwas niedriges zu thun. Sie ist ganz
eine Frau wie für Dietrich geschaffen.

Sie wollen damit jedoch nicht sagen, daß Dietrich etwas niedriges zu be¬
gehen imstande wäre, wenn er nicht eine vortreffliche Frau bekäme.

Gewiß uicht. Indessen will ich nicht leugnen, daß ich wünschte, er wäre
etwas männlicher. Nun, er ist noch jung, und das wird sich schon finden. Er
ist, wie das jetzt den meisten jungen Männern so geht, von der Zeitkrankheit
angesteckt. Das spricht jetzt, wie in meiner Zeit die Professoren auf dem Ka¬
theder, aber es fehlt die Thatkraft.

Und sind Sie sicher, daß er hinsichtlich seines Geistes und Gemüts ganz
für Dorothea passen wird?

O, warum nicht? sagte Baron Sextus. So viel ich sehe, passen die beiden
vortrefflich zusammen, und das ist mir sehr lieb, da sie doch ihr Leben lang
mit einander auskommen müssen.

Ich will Ihnen offen gestehen, daß ich hierin Ihrem Gedankengange nicht
recht zu folgen vermag, sagte der General. Sie meinen, weil die jungen
Leute zusammen leben niüßten, wäre es gut, wenn sie zu einander paßten. Ich
sollte aber denken, wenn sie nicht zu einander paßten, würde es ein gefährliches
Experiment sein, ja sogar ein Verbrechen, sie zu einem gemeinsamen Leben zu
zwingen.

Ja ja, sagte der Baron, das wird sich dann alles, so Gott will, schon
zurechtfinden.

Es wird sich schwerlich irgend etwas zurechtfinden, was nicht daraufhin
angelegt ist, sondern sich seiner Natur nach bekämpft.

Gewiß, gewiß. Aber warum sollte hier nicht das beste Einvernehmen herr¬
schen? Sie wissen, daß es sich um die alte Familienbestimmung handelt, wo¬
nach die Herrschaft Eichhausen meiner Tochter für den Fall verbleibt, daß sie
einen Grafen Altenschwerdt heiratet, und —

Der Baron unterbrach sich selbst, lächelte und fuhr dann fort: Sollte
ein Fall eintreten, wie ich ihn vorhin als eine Möglichkeit und eine besondre
Gnade Gottes bezeichnete, so würde freilich die Herrschaft in direkter männlicher
Descendenz weitererben. Aber das sind ungefangene Fische, und ich will die
einmal gebotene Sicherheit nicht aufgeben wegen einer Hoffnung, einer Chimäre.
Bei einer so wichtigen Frage kann man nicht kaltblütig und besonnen genug
vorgehen.

Der General beschloß, einen entscheidenden Schlag zu thun. Baron Sextus
war so erfüllt von seinen eignen Ideen, daß es unmöglich erschien, ihn auf
sanfte Art abzulenken.


Grenzboten II. 1333. 5S
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[0425] Die Grafen von Altenschwerdt. Dorotheeus Fittig ist, noch mehr entwickeln. Dorothea hat einen merkwürdigen Charakter. Es ist so ein gewisses Etwas in ihr, wovon ich glaube, daß es ihren Mann verhindern wird, jemals etwas niedriges zu thun. Sie ist ganz eine Frau wie für Dietrich geschaffen. Sie wollen damit jedoch nicht sagen, daß Dietrich etwas niedriges zu be¬ gehen imstande wäre, wenn er nicht eine vortreffliche Frau bekäme. Gewiß uicht. Indessen will ich nicht leugnen, daß ich wünschte, er wäre etwas männlicher. Nun, er ist noch jung, und das wird sich schon finden. Er ist, wie das jetzt den meisten jungen Männern so geht, von der Zeitkrankheit angesteckt. Das spricht jetzt, wie in meiner Zeit die Professoren auf dem Ka¬ theder, aber es fehlt die Thatkraft. Und sind Sie sicher, daß er hinsichtlich seines Geistes und Gemüts ganz für Dorothea passen wird? O, warum nicht? sagte Baron Sextus. So viel ich sehe, passen die beiden vortrefflich zusammen, und das ist mir sehr lieb, da sie doch ihr Leben lang mit einander auskommen müssen. Ich will Ihnen offen gestehen, daß ich hierin Ihrem Gedankengange nicht recht zu folgen vermag, sagte der General. Sie meinen, weil die jungen Leute zusammen leben niüßten, wäre es gut, wenn sie zu einander paßten. Ich sollte aber denken, wenn sie nicht zu einander paßten, würde es ein gefährliches Experiment sein, ja sogar ein Verbrechen, sie zu einem gemeinsamen Leben zu zwingen. Ja ja, sagte der Baron, das wird sich dann alles, so Gott will, schon zurechtfinden. Es wird sich schwerlich irgend etwas zurechtfinden, was nicht daraufhin angelegt ist, sondern sich seiner Natur nach bekämpft. Gewiß, gewiß. Aber warum sollte hier nicht das beste Einvernehmen herr¬ schen? Sie wissen, daß es sich um die alte Familienbestimmung handelt, wo¬ nach die Herrschaft Eichhausen meiner Tochter für den Fall verbleibt, daß sie einen Grafen Altenschwerdt heiratet, und — Der Baron unterbrach sich selbst, lächelte und fuhr dann fort: Sollte ein Fall eintreten, wie ich ihn vorhin als eine Möglichkeit und eine besondre Gnade Gottes bezeichnete, so würde freilich die Herrschaft in direkter männlicher Descendenz weitererben. Aber das sind ungefangene Fische, und ich will die einmal gebotene Sicherheit nicht aufgeben wegen einer Hoffnung, einer Chimäre. Bei einer so wichtigen Frage kann man nicht kaltblütig und besonnen genug vorgehen. Der General beschloß, einen entscheidenden Schlag zu thun. Baron Sextus war so erfüllt von seinen eignen Ideen, daß es unmöglich erschien, ihn auf sanfte Art abzulenken. Grenzboten II. 1333. 5S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/425>, abgerufen am 03.07.2024.