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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die große Kunstausstellung in Berlin.

Wenn die großen periodischen Knnstausstellnngen unter der Ägide des
Staates stattfanden, wäre den Berliner Künstlern eine doppelte Beschämung
eine doppelte Niederlage erspart gebliebe". Es ist bekannt, daß die Berliner
Künstler, soweit sie durch eine Korporation, sei es die des Berliner Künstler-
Vereins, sei es die des Lokalvcrbandes der allgemeinen Kunstgenossenschaft, ver¬
bunden sind, sich geweigert haben, die Münchner internationale Kunstausstellung
von 1883 zu beschicken, weil sie der Ansicht waren, daß die rasche Aufeinander¬
folge der internationalen Kunstausstellungen im allgemeinen schädlich sei und
die lokalen Ausstellungen im besondern beeinträchtige. Auf diese Erklärung
hin haben sich Abgesandte der Münchner Künstlerschaft nach Berlin und Düssel¬
dorf begeben und haben es durch Verhandlungen, über welche nichts oder doch
nichts sicheres bekannt geworden ist, zu Wege gebracht, daß die Berliner und
Düsseldorfer ihre Erklärung zurückgenommen haben. Ob dieser Schritt in Wirk¬
lichkeit Folgen haben wird, ob die Berliner nach München neue Bilder geschickt
haben oder nur alte Atelierhüter, die kein Mensch sehen und haben will, oder
ob sie sich trotz des offiziellen Widerrufs in der Mehrzahl zurückgehalten
haben, ist nebensächlich. Hauptsache ist, daß die berufene" Vertreter der Ber¬
liner Künstlerschaft eine Niederlage dadurch erlitten haben, daß sie die Supe-
riorität Münchens anerkannten und die Münchner Macher von neuem in ihrer
Position befestigt haben. Eine zweite Niederlage ist die, daß sich die Münchner
Künstler zum Dank für das Entgegenkommen der zu Kreuz gekrochenen Berliner
von der Berliner Ausstellung so gut wie ganz fern gehalten haben. Während
die letztere in den verflossenen Jahren durchschnittlich etwa 40--50 Künstler¬
namen aus München aufzuweise" hatte, ist diese Zahl jetzt auf 34 herabge¬
sunken, und von diesen hat kaum die Hälfte auf eigne Hand ausgestellt. Die
andre Hälfte der Gemälde -- denn die vier plastischen Arbeiten sind nicht der
Rede wert -- ist von Kunsthändlern ausgestellt worden, welche die Bilder auf
Spekulation getauft haben und mit ihnen auf den Ausstellungen Hausirer gehen.
Es bleiben also etwa achtzehn Münchner Künstler übrig, welche es der Mühe
für wert gehalten haben, in Berlin auszustellen. Und wie viele von diese"
achtzehn haben die eingesendeten Arbeiten für die Berliner Ausstellung geschaffen
oder auf derselben zum ersten male öffentlich gezeigt? Ich glaube, nicht el"
einziger. Einige der Münchner Bilder habe ich schon vor vier Jahren anf
der internationalen Ausstellung in München gesehen!

Die kleinliche Eifersucht der Münchner auf Berlin trägt also in erster
Linie die Schuld an der Zersplitterung der Künstler dnrch eine Ausstellungs¬
hetze, die niemand frommt als den Mitgliedern der Komitees, welche die
Ausstellungen zu einer Art Sport degradirt haben. Die Ausstellungen würden
mit einem Schlage eine andre Physiognomie gewinnen, wenn sie der Staat
in die Hand nähme. Dann würden es sich die Künstler zur Ehre anrechnen,
sich an solchen Ausstellungen zu beteiligen, und würden gebieterisch verlangen,


Die große Kunstausstellung in Berlin.

Wenn die großen periodischen Knnstausstellnngen unter der Ägide des
Staates stattfanden, wäre den Berliner Künstlern eine doppelte Beschämung
eine doppelte Niederlage erspart gebliebe». Es ist bekannt, daß die Berliner
Künstler, soweit sie durch eine Korporation, sei es die des Berliner Künstler-
Vereins, sei es die des Lokalvcrbandes der allgemeinen Kunstgenossenschaft, ver¬
bunden sind, sich geweigert haben, die Münchner internationale Kunstausstellung
von 1883 zu beschicken, weil sie der Ansicht waren, daß die rasche Aufeinander¬
folge der internationalen Kunstausstellungen im allgemeinen schädlich sei und
die lokalen Ausstellungen im besondern beeinträchtige. Auf diese Erklärung
hin haben sich Abgesandte der Münchner Künstlerschaft nach Berlin und Düssel¬
dorf begeben und haben es durch Verhandlungen, über welche nichts oder doch
nichts sicheres bekannt geworden ist, zu Wege gebracht, daß die Berliner und
Düsseldorfer ihre Erklärung zurückgenommen haben. Ob dieser Schritt in Wirk¬
lichkeit Folgen haben wird, ob die Berliner nach München neue Bilder geschickt
haben oder nur alte Atelierhüter, die kein Mensch sehen und haben will, oder
ob sie sich trotz des offiziellen Widerrufs in der Mehrzahl zurückgehalten
haben, ist nebensächlich. Hauptsache ist, daß die berufene» Vertreter der Ber¬
liner Künstlerschaft eine Niederlage dadurch erlitten haben, daß sie die Supe-
riorität Münchens anerkannten und die Münchner Macher von neuem in ihrer
Position befestigt haben. Eine zweite Niederlage ist die, daß sich die Münchner
Künstler zum Dank für das Entgegenkommen der zu Kreuz gekrochenen Berliner
von der Berliner Ausstellung so gut wie ganz fern gehalten haben. Während
die letztere in den verflossenen Jahren durchschnittlich etwa 40—50 Künstler¬
namen aus München aufzuweise» hatte, ist diese Zahl jetzt auf 34 herabge¬
sunken, und von diesen hat kaum die Hälfte auf eigne Hand ausgestellt. Die
andre Hälfte der Gemälde — denn die vier plastischen Arbeiten sind nicht der
Rede wert — ist von Kunsthändlern ausgestellt worden, welche die Bilder auf
Spekulation getauft haben und mit ihnen auf den Ausstellungen Hausirer gehen.
Es bleiben also etwa achtzehn Münchner Künstler übrig, welche es der Mühe
für wert gehalten haben, in Berlin auszustellen. Und wie viele von diese»
achtzehn haben die eingesendeten Arbeiten für die Berliner Ausstellung geschaffen
oder auf derselben zum ersten male öffentlich gezeigt? Ich glaube, nicht el»
einziger. Einige der Münchner Bilder habe ich schon vor vier Jahren anf
der internationalen Ausstellung in München gesehen!

Die kleinliche Eifersucht der Münchner auf Berlin trägt also in erster
Linie die Schuld an der Zersplitterung der Künstler dnrch eine Ausstellungs¬
hetze, die niemand frommt als den Mitgliedern der Komitees, welche die
Ausstellungen zu einer Art Sport degradirt haben. Die Ausstellungen würden
mit einem Schlage eine andre Physiognomie gewinnen, wenn sie der Staat
in die Hand nähme. Dann würden es sich die Künstler zur Ehre anrechnen,
sich an solchen Ausstellungen zu beteiligen, und würden gebieterisch verlangen,


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[0410] Die große Kunstausstellung in Berlin. Wenn die großen periodischen Knnstausstellnngen unter der Ägide des Staates stattfanden, wäre den Berliner Künstlern eine doppelte Beschämung eine doppelte Niederlage erspart gebliebe». Es ist bekannt, daß die Berliner Künstler, soweit sie durch eine Korporation, sei es die des Berliner Künstler- Vereins, sei es die des Lokalvcrbandes der allgemeinen Kunstgenossenschaft, ver¬ bunden sind, sich geweigert haben, die Münchner internationale Kunstausstellung von 1883 zu beschicken, weil sie der Ansicht waren, daß die rasche Aufeinander¬ folge der internationalen Kunstausstellungen im allgemeinen schädlich sei und die lokalen Ausstellungen im besondern beeinträchtige. Auf diese Erklärung hin haben sich Abgesandte der Münchner Künstlerschaft nach Berlin und Düssel¬ dorf begeben und haben es durch Verhandlungen, über welche nichts oder doch nichts sicheres bekannt geworden ist, zu Wege gebracht, daß die Berliner und Düsseldorfer ihre Erklärung zurückgenommen haben. Ob dieser Schritt in Wirk¬ lichkeit Folgen haben wird, ob die Berliner nach München neue Bilder geschickt haben oder nur alte Atelierhüter, die kein Mensch sehen und haben will, oder ob sie sich trotz des offiziellen Widerrufs in der Mehrzahl zurückgehalten haben, ist nebensächlich. Hauptsache ist, daß die berufene» Vertreter der Ber¬ liner Künstlerschaft eine Niederlage dadurch erlitten haben, daß sie die Supe- riorität Münchens anerkannten und die Münchner Macher von neuem in ihrer Position befestigt haben. Eine zweite Niederlage ist die, daß sich die Münchner Künstler zum Dank für das Entgegenkommen der zu Kreuz gekrochenen Berliner von der Berliner Ausstellung so gut wie ganz fern gehalten haben. Während die letztere in den verflossenen Jahren durchschnittlich etwa 40—50 Künstler¬ namen aus München aufzuweise» hatte, ist diese Zahl jetzt auf 34 herabge¬ sunken, und von diesen hat kaum die Hälfte auf eigne Hand ausgestellt. Die andre Hälfte der Gemälde — denn die vier plastischen Arbeiten sind nicht der Rede wert — ist von Kunsthändlern ausgestellt worden, welche die Bilder auf Spekulation getauft haben und mit ihnen auf den Ausstellungen Hausirer gehen. Es bleiben also etwa achtzehn Münchner Künstler übrig, welche es der Mühe für wert gehalten haben, in Berlin auszustellen. Und wie viele von diese» achtzehn haben die eingesendeten Arbeiten für die Berliner Ausstellung geschaffen oder auf derselben zum ersten male öffentlich gezeigt? Ich glaube, nicht el» einziger. Einige der Münchner Bilder habe ich schon vor vier Jahren anf der internationalen Ausstellung in München gesehen! Die kleinliche Eifersucht der Münchner auf Berlin trägt also in erster Linie die Schuld an der Zersplitterung der Künstler dnrch eine Ausstellungs¬ hetze, die niemand frommt als den Mitgliedern der Komitees, welche die Ausstellungen zu einer Art Sport degradirt haben. Die Ausstellungen würden mit einem Schlage eine andre Physiognomie gewinnen, wenn sie der Staat in die Hand nähme. Dann würden es sich die Künstler zur Ehre anrechnen, sich an solchen Ausstellungen zu beteiligen, und würden gebieterisch verlangen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/410>, abgerufen am 24.08.2024.