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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die große Kunstausstellung in Berlin.

spiel anführt, war zur Zeit der Kunstblüte, d. h, unter ihrem Präsidenten
Perikles eine Art konstitutioneller Monarchie. Perikles war in Sachen der
Kunst ebensogut ein Autokrat wie der Erbauer der Cheopspyramide, wie die
sizilischen Tyrannen und die atlautischen Herrscher auf der Burg von Pergamon.
Wenn Klevn, dieses Muster eines radikalen Freiheits- und Gleichheitsinenschen,
fünfzehn Jahre früher ans Ruder gekommen wäre, hätte die griechische Kunst
niemals im Parthenon ihre Blüte erreicht. Und die holländische Republik?
Solange die Oranier kräftig und groß waren, binde und gedieh die Kunst. Als
aber die Myuheers Generalstaaten das große Wort führten, mußte die eine
Hälfte der Künstler, wie der große Rembrandt, elend zu Grunde gehen und
halb verhungern und die andre Hälfte auswandern.

Ebenso schlecht aber, wie mit der Kunst in der Republik, steht es mit
der Künftlerrepublik. Wir haben die beste Illustration in Frankreich erlebt.
Seit 1881, wo die Künstler die Leitung des "Salons," der großen Jahrcs-
ausstellung in Paris, übernommen haben, find drei Salons hinter einander
überaus kläglich ausgefallen. Die Regierung hatte das, als sie den "Salon"
den Künstlern freigab, wohl vorausgesehen, und sie veranstaltet deshalb alle
drei Jahre einen "Salon," in welchem sie die auserlesensten, während dieses
Zeitraumes entstandenen Kunstwerke vereinigen will.

Wir in Deutschland haben noch die umgekehrte Erfahrung zu macheu.
Die von Künstlern geleiteten Ausstellungen haben während des letzten Jahrzehnts
ein trauriges und niederschlagendes Resultat ergeben, und selbst die akademische
Körperschaft, welche in Berlin an der Spitze der großen Ausstellung steht, hat
sich nicht stark genug erwiesen, um einerseits wirklich hervorragende Kunstwerke
aus dem In- und Auslande heranzuziehen und die Ausstellung so zum Sammel¬
punkte der modernen Kunstbestrebungen zu machen, andrerseits die Flut der
Mittelmäßigkeit fern zuhalten, damit eine Kunstausstellung nicht zum Jahr¬
märkte werde. Nur das unmittelbare Eingreifen der Staatsbehörden und das
Gewicht ihrer Autorität kann unsers Trachtens eine Reorganisation unsers
vollständig veralteten und verrotteten Ausstellungswesens, herbeiführen. Nur
die Organe, über welche der Staat allerorten verfügt, sind imstande, aus¬
wärtige Künstler zu einer Beteiligung an deu Kunstausstelluugen zu veranlassen
und den einheimischen zugleich diejenigen Garantien zu bieten, welche sie in
der Willkür von Künstlergenossenschaften und Körperschaften nicht zu sehen
glauben. Dann müßte der Staat freilich auch andre Entschädigungen und
Aufmunterungen aussetzen als ein paar goldne Medaillen. Wenn der Pariser
Salon in seinen sonstigen Einrichtungen auch nicht nachahmenswert ist. so ist
er es doch wenigstens in Bezug auf die Preise und die Belohnungen. Auch
Künstler, welche der Akademie bereits entwachsen und daher nicht mehr zur Er¬
langung akademischer Stipendien berechtigt sind, können bisweilen Reiseunter¬
stützungen recht gut gebrauchen.


Grenzbmcu II. 1383. 51
Die große Kunstausstellung in Berlin.

spiel anführt, war zur Zeit der Kunstblüte, d. h, unter ihrem Präsidenten
Perikles eine Art konstitutioneller Monarchie. Perikles war in Sachen der
Kunst ebensogut ein Autokrat wie der Erbauer der Cheopspyramide, wie die
sizilischen Tyrannen und die atlautischen Herrscher auf der Burg von Pergamon.
Wenn Klevn, dieses Muster eines radikalen Freiheits- und Gleichheitsinenschen,
fünfzehn Jahre früher ans Ruder gekommen wäre, hätte die griechische Kunst
niemals im Parthenon ihre Blüte erreicht. Und die holländische Republik?
Solange die Oranier kräftig und groß waren, binde und gedieh die Kunst. Als
aber die Myuheers Generalstaaten das große Wort führten, mußte die eine
Hälfte der Künstler, wie der große Rembrandt, elend zu Grunde gehen und
halb verhungern und die andre Hälfte auswandern.

Ebenso schlecht aber, wie mit der Kunst in der Republik, steht es mit
der Künftlerrepublik. Wir haben die beste Illustration in Frankreich erlebt.
Seit 1881, wo die Künstler die Leitung des „Salons," der großen Jahrcs-
ausstellung in Paris, übernommen haben, find drei Salons hinter einander
überaus kläglich ausgefallen. Die Regierung hatte das, als sie den „Salon"
den Künstlern freigab, wohl vorausgesehen, und sie veranstaltet deshalb alle
drei Jahre einen „Salon," in welchem sie die auserlesensten, während dieses
Zeitraumes entstandenen Kunstwerke vereinigen will.

Wir in Deutschland haben noch die umgekehrte Erfahrung zu macheu.
Die von Künstlern geleiteten Ausstellungen haben während des letzten Jahrzehnts
ein trauriges und niederschlagendes Resultat ergeben, und selbst die akademische
Körperschaft, welche in Berlin an der Spitze der großen Ausstellung steht, hat
sich nicht stark genug erwiesen, um einerseits wirklich hervorragende Kunstwerke
aus dem In- und Auslande heranzuziehen und die Ausstellung so zum Sammel¬
punkte der modernen Kunstbestrebungen zu machen, andrerseits die Flut der
Mittelmäßigkeit fern zuhalten, damit eine Kunstausstellung nicht zum Jahr¬
märkte werde. Nur das unmittelbare Eingreifen der Staatsbehörden und das
Gewicht ihrer Autorität kann unsers Trachtens eine Reorganisation unsers
vollständig veralteten und verrotteten Ausstellungswesens, herbeiführen. Nur
die Organe, über welche der Staat allerorten verfügt, sind imstande, aus¬
wärtige Künstler zu einer Beteiligung an deu Kunstausstelluugen zu veranlassen
und den einheimischen zugleich diejenigen Garantien zu bieten, welche sie in
der Willkür von Künstlergenossenschaften und Körperschaften nicht zu sehen
glauben. Dann müßte der Staat freilich auch andre Entschädigungen und
Aufmunterungen aussetzen als ein paar goldne Medaillen. Wenn der Pariser
Salon in seinen sonstigen Einrichtungen auch nicht nachahmenswert ist. so ist
er es doch wenigstens in Bezug auf die Preise und die Belohnungen. Auch
Künstler, welche der Akademie bereits entwachsen und daher nicht mehr zur Er¬
langung akademischer Stipendien berechtigt sind, können bisweilen Reiseunter¬
stützungen recht gut gebrauchen.


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[0409] Die große Kunstausstellung in Berlin. spiel anführt, war zur Zeit der Kunstblüte, d. h, unter ihrem Präsidenten Perikles eine Art konstitutioneller Monarchie. Perikles war in Sachen der Kunst ebensogut ein Autokrat wie der Erbauer der Cheopspyramide, wie die sizilischen Tyrannen und die atlautischen Herrscher auf der Burg von Pergamon. Wenn Klevn, dieses Muster eines radikalen Freiheits- und Gleichheitsinenschen, fünfzehn Jahre früher ans Ruder gekommen wäre, hätte die griechische Kunst niemals im Parthenon ihre Blüte erreicht. Und die holländische Republik? Solange die Oranier kräftig und groß waren, binde und gedieh die Kunst. Als aber die Myuheers Generalstaaten das große Wort führten, mußte die eine Hälfte der Künstler, wie der große Rembrandt, elend zu Grunde gehen und halb verhungern und die andre Hälfte auswandern. Ebenso schlecht aber, wie mit der Kunst in der Republik, steht es mit der Künftlerrepublik. Wir haben die beste Illustration in Frankreich erlebt. Seit 1881, wo die Künstler die Leitung des „Salons," der großen Jahrcs- ausstellung in Paris, übernommen haben, find drei Salons hinter einander überaus kläglich ausgefallen. Die Regierung hatte das, als sie den „Salon" den Künstlern freigab, wohl vorausgesehen, und sie veranstaltet deshalb alle drei Jahre einen „Salon," in welchem sie die auserlesensten, während dieses Zeitraumes entstandenen Kunstwerke vereinigen will. Wir in Deutschland haben noch die umgekehrte Erfahrung zu macheu. Die von Künstlern geleiteten Ausstellungen haben während des letzten Jahrzehnts ein trauriges und niederschlagendes Resultat ergeben, und selbst die akademische Körperschaft, welche in Berlin an der Spitze der großen Ausstellung steht, hat sich nicht stark genug erwiesen, um einerseits wirklich hervorragende Kunstwerke aus dem In- und Auslande heranzuziehen und die Ausstellung so zum Sammel¬ punkte der modernen Kunstbestrebungen zu machen, andrerseits die Flut der Mittelmäßigkeit fern zuhalten, damit eine Kunstausstellung nicht zum Jahr¬ märkte werde. Nur das unmittelbare Eingreifen der Staatsbehörden und das Gewicht ihrer Autorität kann unsers Trachtens eine Reorganisation unsers vollständig veralteten und verrotteten Ausstellungswesens, herbeiführen. Nur die Organe, über welche der Staat allerorten verfügt, sind imstande, aus¬ wärtige Künstler zu einer Beteiligung an deu Kunstausstelluugen zu veranlassen und den einheimischen zugleich diejenigen Garantien zu bieten, welche sie in der Willkür von Künstlergenossenschaften und Körperschaften nicht zu sehen glauben. Dann müßte der Staat freilich auch andre Entschädigungen und Aufmunterungen aussetzen als ein paar goldne Medaillen. Wenn der Pariser Salon in seinen sonstigen Einrichtungen auch nicht nachahmenswert ist. so ist er es doch wenigstens in Bezug auf die Preise und die Belohnungen. Auch Künstler, welche der Akademie bereits entwachsen und daher nicht mehr zur Er¬ langung akademischer Stipendien berechtigt sind, können bisweilen Reiseunter¬ stützungen recht gut gebrauchen. Grenzbmcu II. 1383. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/409>, abgerufen am 03.07.2024.