Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Der Diktator von Wilnci. gelischen Brüder -- jeder all seiner Stelle, aller häuslichen Zwistigkeiten ver¬ Der Diktator von it)ilna. M?meer diesem Titel sind soeben bei Duncker und Humblot in Leipzig Jetzt eben sind ja gerade die Gesinnungsgenossen Murawjews in Rußland ") Der Diktator von Wilun. Leipzig, Dunckor und Humblot, 188".
Der Diktator von Wilnci. gelischen Brüder — jeder all seiner Stelle, aller häuslichen Zwistigkeiten ver¬ Der Diktator von it)ilna. M?meer diesem Titel sind soeben bei Duncker und Humblot in Leipzig Jetzt eben sind ja gerade die Gesinnungsgenossen Murawjews in Rußland ») Der Diktator von Wilun. Leipzig, Dunckor und Humblot, 188».
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153153"/> <fw type="header" place="top"> Der Diktator von Wilnci.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1587" prev="#ID_1586"> gelischen Brüder — jeder all seiner Stelle, aller häuslichen Zwistigkeiten ver¬<lb/> gessend —, mögen Fürsten und Unterthanen, Leitende und Geleitete, mit ver¬<lb/> einten Kräften zusammen eintreten für die Erreichung des gemeinsamen Zieles:<lb/> der würdigen Feier des Lutherjubiläums!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Diktator von it)ilna.</head><lb/> <p xml:id="ID_1588"> M?meer diesem Titel sind soeben bei Duncker und Humblot in Leipzig<lb/> die Memoiren des Grafen M. N. Mnrciwjew erschienen, ins<lb/> Deutsche übersetzt nach dem in der Rü8slsg,jA 8t,g.rin.g, zuerst ver¬<lb/> öffentlichten Texte und mit einer biographischen Einleitung über<lb/> Mnrawjew versehen/") Der Mann, welcher im Jahre 1863 den<lb/> polnischen Aufstand in den sechs Provinzen des nördlichen Littallen, dem soge¬<lb/> nannten nordwestlichen Gebiete, niederwarf, hat darin versucht, seine damaligen<lb/> Thaten, welche in einem Teile der russischen Gesellschaft und in ganz Europa<lb/> Widerspruch hervorriefen, zu rechtfertigen. Freilich nicht vor Europa zu recht¬<lb/> fertigen, denn das wäre ein vergebliches Unternehmen, sondern vor seinen Lands-<lb/> leuten. Allein die Motive, welche die gebildete Gesellschaft Rußlands damals<lb/> bewöge», das Murawjewsche Regiment in Littauer zu verdammen, vermag er<lb/> in den Memoiren nicht zu entkräften und daher ebensowenig das Urteil dieses<lb/> Teiles seiner Landsleute zu ändern; und denjenigen Russen, welche ihrer Ge¬<lb/> sinnung nach schon damals ihm zustimmten, wäre es überflüssig, nachträglich<lb/> noch die Berechtigung eines Verfahrens nachzuweisen, dessen Härte niemals ver¬<lb/> kannt worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1589" next="#ID_1590"> Jetzt eben sind ja gerade die Gesinnungsgenossen Murawjews in Rußland<lb/> obenauf, die ihm damals zujauchzten und ihm Heiligenbilder als Anerkennung<lb/> dafür schickten, daß er in Littauer den polnischen Verrat an der russischen Nation<lb/> blutig niedertrat und das „alte russische Vätererbe" Littauer dem Polentum<lb/> für immer zu entreißen unternahm. Murawjew stützte sich damals gerade auf<lb/> Moskau, auf die national-rassische Partei, auf die Kirche, auf Katkow, der zu¬<lb/> gleich mit Murawjew in dem Kampfe gegen die Polen sich und seine „Moskaner<lb/> Zeitung" groß machte. Und gerade jetzt poltert man in jenen Kreisen wieder</p><lb/> <note xml:id="FID_82" place="foot"> ») Der Diktator von Wilun. Leipzig, Dunckor und Humblot, 188».</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Der Diktator von Wilnci.
gelischen Brüder — jeder all seiner Stelle, aller häuslichen Zwistigkeiten ver¬
gessend —, mögen Fürsten und Unterthanen, Leitende und Geleitete, mit ver¬
einten Kräften zusammen eintreten für die Erreichung des gemeinsamen Zieles:
der würdigen Feier des Lutherjubiläums!
Der Diktator von it)ilna.
M?meer diesem Titel sind soeben bei Duncker und Humblot in Leipzig
die Memoiren des Grafen M. N. Mnrciwjew erschienen, ins
Deutsche übersetzt nach dem in der Rü8slsg,jA 8t,g.rin.g, zuerst ver¬
öffentlichten Texte und mit einer biographischen Einleitung über
Mnrawjew versehen/") Der Mann, welcher im Jahre 1863 den
polnischen Aufstand in den sechs Provinzen des nördlichen Littallen, dem soge¬
nannten nordwestlichen Gebiete, niederwarf, hat darin versucht, seine damaligen
Thaten, welche in einem Teile der russischen Gesellschaft und in ganz Europa
Widerspruch hervorriefen, zu rechtfertigen. Freilich nicht vor Europa zu recht¬
fertigen, denn das wäre ein vergebliches Unternehmen, sondern vor seinen Lands-
leuten. Allein die Motive, welche die gebildete Gesellschaft Rußlands damals
bewöge», das Murawjewsche Regiment in Littauer zu verdammen, vermag er
in den Memoiren nicht zu entkräften und daher ebensowenig das Urteil dieses
Teiles seiner Landsleute zu ändern; und denjenigen Russen, welche ihrer Ge¬
sinnung nach schon damals ihm zustimmten, wäre es überflüssig, nachträglich
noch die Berechtigung eines Verfahrens nachzuweisen, dessen Härte niemals ver¬
kannt worden ist.
Jetzt eben sind ja gerade die Gesinnungsgenossen Murawjews in Rußland
obenauf, die ihm damals zujauchzten und ihm Heiligenbilder als Anerkennung
dafür schickten, daß er in Littauer den polnischen Verrat an der russischen Nation
blutig niedertrat und das „alte russische Vätererbe" Littauer dem Polentum
für immer zu entreißen unternahm. Murawjew stützte sich damals gerade auf
Moskau, auf die national-rassische Partei, auf die Kirche, auf Katkow, der zu¬
gleich mit Murawjew in dem Kampfe gegen die Polen sich und seine „Moskaner
Zeitung" groß machte. Und gerade jetzt poltert man in jenen Kreisen wieder
») Der Diktator von Wilun. Leipzig, Dunckor und Humblot, 188».
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