Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Zur Luthorfeier. iverk dieser Gattung eine eindringende, fortreißende, volkstümliche Wirkung zu Aber besitzen wir ein Luther-Oratorium? Die Kreuzzeitung, die Weserzeitung, Wir stehen am Schlüsse. Möchten unsre Worte nicht ungehört verhallen. Zur Luthorfeier. iverk dieser Gattung eine eindringende, fortreißende, volkstümliche Wirkung zu Aber besitzen wir ein Luther-Oratorium? Die Kreuzzeitung, die Weserzeitung, Wir stehen am Schlüsse. Möchten unsre Worte nicht ungehört verhallen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153152"/> <fw type="header" place="top"> Zur Luthorfeier.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1584" prev="#ID_1583"> iverk dieser Gattung eine eindringende, fortreißende, volkstümliche Wirkung zu<lb/> erzielen fähig ist, das wird nur derjenige fraglich finden, der nie Zeuge gewesen<lb/> ist von den Erfolgen der Bachschen, Händelschen, Mendelssohuschen Oratorien.<lb/> Kein Wunder; Pflege» doch in dergleichen Werken mehr als in den Opern die<lb/> Stoffe zugleich großartig und populär zu sein; auch wird hier der Musik durch<lb/> die breitere Verwertung des Chorclements und durch die Heranziehung der<lb/> Orgel zur Entfaltung ihrer vollen Kraft reichere Gelegenheit geboten als sonst<lb/> irgendwo. Allenthalben in deutschen Landen wird denn auch der Oratorien¬<lb/> gesang mit Begeisterung gepflegt; allenthalben giebt es Einrichtungen, durch<lb/> welche die Bekanntschaft mit diese» Tonschöpfungen tausenden von Mitwirkenden<lb/> und nbertansenden von Hörern zugänglich und so die besungnen Helden den<lb/> weitesten Kreisen vertraut gemacht werden. Würde doch auch Luther dem deut¬<lb/> schen Volte so ins Herz gesungen! Ist er doch wie kein andrer dazu angethan,<lb/> Held eines Oratoriums zu sei».</p><lb/> <p xml:id="ID_1585"> Aber besitzen wir ein Luther-Oratorium? Die Kreuzzeitung, die Weserzeitung,<lb/> die Post und andre Blätter haben kürzlich auf ein solches hingewiesen, welches<lb/> bereits seit mehreren Jahren vorhanden ist und sich wiederholt vor der Öffent¬<lb/> lichkeit bewährt hat. Es ist das Oratorium: „Luther in Worms. Dichtung<lb/> von W. Noßma»». Musik von L. Meiuardus." Wer irgend der Lutherfeier<lb/> Teilnahme schenkt, sollte sich mit diesen: Werke, dessen Partitur, Klavierauszug<lb/> und Textbuch im Verlage von Siegel in Leipzig erschienen ist, bekannt machen.<lb/> W. Roßmanns Dichtung wird als Muster eines modernen Oratvrientextes<lb/> von verschiedenen Seiten gerühmt. Ohne sich an chronologische oder lokale<lb/> Bedingungen zu binden, gruppirt er eine Reihe von charakteristischen Vorgängen<lb/> um den Reichstag zu Worms zu einer künstlerischen Einheit und zeichnet<lb/> dadurch ein anschauliches Bild von Luthers Persönlichkeit und von der Entstehung,<lb/> dem Wesen und dem Verlauf der Reformation. L. Meinardus hat es verstanden,<lb/> wie mehrfach berichtet wird, dieser Zeichnung ein lebhaftes Tonkolorit zu verleihen<lb/> und damit die Intentionen des Dichters nicht nur zur entsprechenden Erscheinung<lb/> zu bringen, sondern sie wesentlich zu verdeutlichen und vertiefen. Die „musikalische<lb/> Akademie" in Königsberg hat den „Luther in Worms" 1880 zum Geburtstage<lb/> Kants öffentlich zu Gehör gebracht. Ein Kritiker schrieb damals darüber:<lb/> „Schöner dürfte wohl kaum jemals der Geburtstag unsers großen Philosophen<lb/> gefeiert worden sein als durch die Aufführung dieses »nichtigen Werkes, welches<lb/> mit wahrhaft packender Gewalt den Gedanken der Reformation zum tönenden<lb/> Ausdruck bringt." Wie sehr müßte die Wirkung durch eine Aufführung am<lb/> Geburtstage Luthers erhöht werden!</p><lb/> <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Wir stehen am Schlüsse. Möchten unsre Worte nicht ungehört verhallen.<lb/> Wir haben zu zeigen versucht, wie mannichfaltig die Mittel sind, welche sich<lb/> darbieten, um die Ehrenschuld gegen unsern großen Reformator einzulösen,<lb/> wie unabweislich ihre völlige Tilgung erfordert wird. Mögen denn die evan-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0403]
Zur Luthorfeier.
iverk dieser Gattung eine eindringende, fortreißende, volkstümliche Wirkung zu
erzielen fähig ist, das wird nur derjenige fraglich finden, der nie Zeuge gewesen
ist von den Erfolgen der Bachschen, Händelschen, Mendelssohuschen Oratorien.
Kein Wunder; Pflege» doch in dergleichen Werken mehr als in den Opern die
Stoffe zugleich großartig und populär zu sein; auch wird hier der Musik durch
die breitere Verwertung des Chorclements und durch die Heranziehung der
Orgel zur Entfaltung ihrer vollen Kraft reichere Gelegenheit geboten als sonst
irgendwo. Allenthalben in deutschen Landen wird denn auch der Oratorien¬
gesang mit Begeisterung gepflegt; allenthalben giebt es Einrichtungen, durch
welche die Bekanntschaft mit diese» Tonschöpfungen tausenden von Mitwirkenden
und nbertansenden von Hörern zugänglich und so die besungnen Helden den
weitesten Kreisen vertraut gemacht werden. Würde doch auch Luther dem deut¬
schen Volte so ins Herz gesungen! Ist er doch wie kein andrer dazu angethan,
Held eines Oratoriums zu sei».
Aber besitzen wir ein Luther-Oratorium? Die Kreuzzeitung, die Weserzeitung,
die Post und andre Blätter haben kürzlich auf ein solches hingewiesen, welches
bereits seit mehreren Jahren vorhanden ist und sich wiederholt vor der Öffent¬
lichkeit bewährt hat. Es ist das Oratorium: „Luther in Worms. Dichtung
von W. Noßma»». Musik von L. Meiuardus." Wer irgend der Lutherfeier
Teilnahme schenkt, sollte sich mit diesen: Werke, dessen Partitur, Klavierauszug
und Textbuch im Verlage von Siegel in Leipzig erschienen ist, bekannt machen.
W. Roßmanns Dichtung wird als Muster eines modernen Oratvrientextes
von verschiedenen Seiten gerühmt. Ohne sich an chronologische oder lokale
Bedingungen zu binden, gruppirt er eine Reihe von charakteristischen Vorgängen
um den Reichstag zu Worms zu einer künstlerischen Einheit und zeichnet
dadurch ein anschauliches Bild von Luthers Persönlichkeit und von der Entstehung,
dem Wesen und dem Verlauf der Reformation. L. Meinardus hat es verstanden,
wie mehrfach berichtet wird, dieser Zeichnung ein lebhaftes Tonkolorit zu verleihen
und damit die Intentionen des Dichters nicht nur zur entsprechenden Erscheinung
zu bringen, sondern sie wesentlich zu verdeutlichen und vertiefen. Die „musikalische
Akademie" in Königsberg hat den „Luther in Worms" 1880 zum Geburtstage
Kants öffentlich zu Gehör gebracht. Ein Kritiker schrieb damals darüber:
„Schöner dürfte wohl kaum jemals der Geburtstag unsers großen Philosophen
gefeiert worden sein als durch die Aufführung dieses »nichtigen Werkes, welches
mit wahrhaft packender Gewalt den Gedanken der Reformation zum tönenden
Ausdruck bringt." Wie sehr müßte die Wirkung durch eine Aufführung am
Geburtstage Luthers erhöht werden!
Wir stehen am Schlüsse. Möchten unsre Worte nicht ungehört verhallen.
Wir haben zu zeigen versucht, wie mannichfaltig die Mittel sind, welche sich
darbieten, um die Ehrenschuld gegen unsern großen Reformator einzulösen,
wie unabweislich ihre völlige Tilgung erfordert wird. Mögen denn die evan-
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