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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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pompejanische Spaziergänge.

auf diese reiche Beute und brachten sie -- als schönsten Schmuck ihrer Triumphe --
nach Rom.

Von den Fürsten und Königen vererbten sich diese Neigungen bald auch
auf Privatleute. Die Nachfolge Alexanders verursachte bekanntlich endlose
Wirren und Kriege. Nie stritt man heißer um die Gewalt, nie wurde sie
leichter erobert und rascher wieder verloren als damals. In so bewegten Zeiten
bilden sich schnell große Vermögen und gehen ebenso schnell wieder zu Grunde.
Die Emporkömmlinge, die des Gestern gedachten und das Morgen fürchteten,
beeilten sich denn auch, ihre vergänglichen Reichtümer zu genießen. Die Komödie
des Menander hat den Typus jener Glückssoldaten, die das am Hofe der orien¬
talischen Herrscher gewonnene Gold in wenigen Tagen mit den athenischen
Courtisanen verpraßten, auf der Bühne heimisch gemacht. Sie zeigt sie uns,
wie sie bei ihren Geliebten gute Aufnahme finden und ihre Parasiten ihnen
schmeicheln, solange die Dareiken und Philippdore dauern, und wie sie dann fort¬
gejagt und verspottet werden, sobald ihr Beutel leer ist. Unter diesen reichge-
wordnen Leuten fehlte es auch nicht an solchen, die einen besseren Gebrauch von
ihrem Vermögen machten: sie ahmten ihren Herren nach und kauften Statuen
oder Gemälde, um ihre Häuser damit auszuschmücken.

Dies war etwas neues. In der großen Zeit der Kunst hatten die Künstler
wohl kaum für Privatleute gearbeitet. Es wird freilich berichtet, Agatharchos
habe im Hause des Alkibiades gemalt, aber Alkibiades konnte für keinen ge¬
wöhnlichen Bürger gelten. In der Regel war es die Öffentlichkeit, für welche
die Maler ihr Talent sparten. Sie bedeckten die gewaltigen Wände der Säulen¬
hallen mit Szenen aus den alten Sage" und aus den Gesängen Homers, oder
sie erfanden Gemälde für das Innere der Tempel. Vielleicht waren sie des
Glaubens, es heiße die Kunst erniedrigen, wenn man sie dem Vergnügen eines
Einzelnen dienstbar machte. Plinius wenigstens deutet dies an und fügt in
Prächtigen Worten hinzu, daß die Gemälde jener Künstler, statt in einem Hause
eingeschlossen zu werden, in welches kaum ein paar Bevorzugte Zutritt fanden,
die ganze Stadt zur Wohnung hatten, daß jedermann sie betrachten konnte
und daß ein Maler damals ein Gemeingut der gesamten gebildeten Welt war:
vivtor rss oommuuis terrg-rum "rat.*) Es scheint aber, daß, als die griechischen
Städte unter Alexander ihre Freiheit verloren, ihre Bewohner sich ihnen einiger¬
maßen entfremdeten. Sie fühlten sich dem Gemeinwesen minder verpflichtet,
seitdem es den Bürgern nicht mehr die gleichen Rechte gewährte und seitdem
die Bürger an der Verwaltung ihrer Angelegenheiten minder unmittelbaren
Anteil nahmen. Man war nicht mehr so stolz auf das Gemeinwesen, man
trug nicht mehr so eifrig wie früher Sorge um seinen Schmuck und seine Ver¬
schönerung, man dachte weniger an den Staat und mehr an sich selbst. Das



*) Plinius XXXV, 118.
pompejanische Spaziergänge.

auf diese reiche Beute und brachten sie — als schönsten Schmuck ihrer Triumphe —
nach Rom.

Von den Fürsten und Königen vererbten sich diese Neigungen bald auch
auf Privatleute. Die Nachfolge Alexanders verursachte bekanntlich endlose
Wirren und Kriege. Nie stritt man heißer um die Gewalt, nie wurde sie
leichter erobert und rascher wieder verloren als damals. In so bewegten Zeiten
bilden sich schnell große Vermögen und gehen ebenso schnell wieder zu Grunde.
Die Emporkömmlinge, die des Gestern gedachten und das Morgen fürchteten,
beeilten sich denn auch, ihre vergänglichen Reichtümer zu genießen. Die Komödie
des Menander hat den Typus jener Glückssoldaten, die das am Hofe der orien¬
talischen Herrscher gewonnene Gold in wenigen Tagen mit den athenischen
Courtisanen verpraßten, auf der Bühne heimisch gemacht. Sie zeigt sie uns,
wie sie bei ihren Geliebten gute Aufnahme finden und ihre Parasiten ihnen
schmeicheln, solange die Dareiken und Philippdore dauern, und wie sie dann fort¬
gejagt und verspottet werden, sobald ihr Beutel leer ist. Unter diesen reichge-
wordnen Leuten fehlte es auch nicht an solchen, die einen besseren Gebrauch von
ihrem Vermögen machten: sie ahmten ihren Herren nach und kauften Statuen
oder Gemälde, um ihre Häuser damit auszuschmücken.

Dies war etwas neues. In der großen Zeit der Kunst hatten die Künstler
wohl kaum für Privatleute gearbeitet. Es wird freilich berichtet, Agatharchos
habe im Hause des Alkibiades gemalt, aber Alkibiades konnte für keinen ge¬
wöhnlichen Bürger gelten. In der Regel war es die Öffentlichkeit, für welche
die Maler ihr Talent sparten. Sie bedeckten die gewaltigen Wände der Säulen¬
hallen mit Szenen aus den alten Sage» und aus den Gesängen Homers, oder
sie erfanden Gemälde für das Innere der Tempel. Vielleicht waren sie des
Glaubens, es heiße die Kunst erniedrigen, wenn man sie dem Vergnügen eines
Einzelnen dienstbar machte. Plinius wenigstens deutet dies an und fügt in
Prächtigen Worten hinzu, daß die Gemälde jener Künstler, statt in einem Hause
eingeschlossen zu werden, in welches kaum ein paar Bevorzugte Zutritt fanden,
die ganze Stadt zur Wohnung hatten, daß jedermann sie betrachten konnte
und daß ein Maler damals ein Gemeingut der gesamten gebildeten Welt war:
vivtor rss oommuuis terrg-rum «rat.*) Es scheint aber, daß, als die griechischen
Städte unter Alexander ihre Freiheit verloren, ihre Bewohner sich ihnen einiger¬
maßen entfremdeten. Sie fühlten sich dem Gemeinwesen minder verpflichtet,
seitdem es den Bürgern nicht mehr die gleichen Rechte gewährte und seitdem
die Bürger an der Verwaltung ihrer Angelegenheiten minder unmittelbaren
Anteil nahmen. Man war nicht mehr so stolz auf das Gemeinwesen, man
trug nicht mehr so eifrig wie früher Sorge um seinen Schmuck und seine Ver¬
schönerung, man dachte weniger an den Staat und mehr an sich selbst. Das



*) Plinius XXXV, 118.
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[0343] pompejanische Spaziergänge. auf diese reiche Beute und brachten sie — als schönsten Schmuck ihrer Triumphe — nach Rom. Von den Fürsten und Königen vererbten sich diese Neigungen bald auch auf Privatleute. Die Nachfolge Alexanders verursachte bekanntlich endlose Wirren und Kriege. Nie stritt man heißer um die Gewalt, nie wurde sie leichter erobert und rascher wieder verloren als damals. In so bewegten Zeiten bilden sich schnell große Vermögen und gehen ebenso schnell wieder zu Grunde. Die Emporkömmlinge, die des Gestern gedachten und das Morgen fürchteten, beeilten sich denn auch, ihre vergänglichen Reichtümer zu genießen. Die Komödie des Menander hat den Typus jener Glückssoldaten, die das am Hofe der orien¬ talischen Herrscher gewonnene Gold in wenigen Tagen mit den athenischen Courtisanen verpraßten, auf der Bühne heimisch gemacht. Sie zeigt sie uns, wie sie bei ihren Geliebten gute Aufnahme finden und ihre Parasiten ihnen schmeicheln, solange die Dareiken und Philippdore dauern, und wie sie dann fort¬ gejagt und verspottet werden, sobald ihr Beutel leer ist. Unter diesen reichge- wordnen Leuten fehlte es auch nicht an solchen, die einen besseren Gebrauch von ihrem Vermögen machten: sie ahmten ihren Herren nach und kauften Statuen oder Gemälde, um ihre Häuser damit auszuschmücken. Dies war etwas neues. In der großen Zeit der Kunst hatten die Künstler wohl kaum für Privatleute gearbeitet. Es wird freilich berichtet, Agatharchos habe im Hause des Alkibiades gemalt, aber Alkibiades konnte für keinen ge¬ wöhnlichen Bürger gelten. In der Regel war es die Öffentlichkeit, für welche die Maler ihr Talent sparten. Sie bedeckten die gewaltigen Wände der Säulen¬ hallen mit Szenen aus den alten Sage» und aus den Gesängen Homers, oder sie erfanden Gemälde für das Innere der Tempel. Vielleicht waren sie des Glaubens, es heiße die Kunst erniedrigen, wenn man sie dem Vergnügen eines Einzelnen dienstbar machte. Plinius wenigstens deutet dies an und fügt in Prächtigen Worten hinzu, daß die Gemälde jener Künstler, statt in einem Hause eingeschlossen zu werden, in welches kaum ein paar Bevorzugte Zutritt fanden, die ganze Stadt zur Wohnung hatten, daß jedermann sie betrachten konnte und daß ein Maler damals ein Gemeingut der gesamten gebildeten Welt war: vivtor rss oommuuis terrg-rum «rat.*) Es scheint aber, daß, als die griechischen Städte unter Alexander ihre Freiheit verloren, ihre Bewohner sich ihnen einiger¬ maßen entfremdeten. Sie fühlten sich dem Gemeinwesen minder verpflichtet, seitdem es den Bürgern nicht mehr die gleichen Rechte gewährte und seitdem die Bürger an der Verwaltung ihrer Angelegenheiten minder unmittelbaren Anteil nahmen. Man war nicht mehr so stolz auf das Gemeinwesen, man trug nicht mehr so eifrig wie früher Sorge um seinen Schmuck und seine Ver¬ schönerung, man dachte weniger an den Staat und mehr an sich selbst. Das *) Plinius XXXV, 118.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/343>, abgerufen am 22.07.2024.