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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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pompejanische Spaziergänge.
von Ludwig Meyer. ' 3.
(Fortsetzung.)

bgleich für Griechenland der Verfall damals längst begonnen
hatte, war der Geschmack an der Kunst doch immer noch
ebenso lebhaft wie früher. Alexander war auf die Freund¬
schaft eines Lysippos und Apelles stolz gewesen; seine Nachfolger
setzten diese Überlieferung fort und umgaben sich nicht nur
gern mit Künstlern, sondern versuchten sich manchmal auch selbst als solche.
Attalus III., der letzte König von Pergamon, modellirte in Wachs und ziselirte
in Erz. Antiochus Epiphanes erholte sich von seinen Regentensorgen in der
Werkstatt eines Bildhauers. Für ausgezeichnete Statuen oder Gemälde, welche
sie zu besitzen wünschten, war ihnen kein Preis zu hoch. Sie zahlten den Künstlern
fast wahnsinnige Summen. Einer dieser Fürsten erbot sich, die sämtlichen
Schulden der Einwohner von Knidos, deren Gemeinde dem Bankrott nahe war,
zu übernehmen, wenn sie ihm die Aphrodite des Praxiteles abtreten wollten.
Ein andrer bot bei der von Mummius vorgenommenen Versteigerung der Beute
von Korinth 100 Talente (400 000 Mary für den Dionysos des Aristides.
Mummius traute seinen Ohren nicht, urteilte aber, daß ein Bild, welches man
so theuer bezahlen wollte, ein Wunder sein müsse, und behielt den Dionysos
für Rom. Die rasende Leidenschaft dieser gekrönten Liebhaber kannte keine Grenze
und kein Hindernis. Nichts war ihnen heilig, wenn es galt, ein schönes Kunst¬
werk zu erbeuten. Von ihnen haben es die römischen Prokonsuln gelernt, wie
man es anzufangen hatte, um sich auf Kosten der verehrtester Gottheiten eine
reiche Galerie zu bilden; sie sind die Lehrer des Verres gewesen. In den
unaufhörlichen Kriegen, die sie einander lieferten, waren die Schätze der Götter
nicht besser geborgen als die der Könige. Als Prusias I. das Gebiet von
Pergamon überfiel, machte er sich kein Gewissen daraus, aus einem hochberühmten
Heiligtum die Bildsäule des Hephaistos, ein ausgezeichnetes Werk des Phyro-
machos, zu rauben. Ptolemäos Euergetes drang auf seinem Zuge nach Asien
unter dem Vorwande, die von Kambyses aus Ägypten entführten heiligen Bild¬
werke zurückzunehmen, in die Tempel ein und nahm alle Kunstgegenstände, die
sich dort befanden, mit sich fort. So kam es, daß sich in den Palästen von
Pergamon, Antiochia und Alexandria zahllose Meisterwerke anhäuften. Aber
sie sollten hier nicht bleiben: denn die römischen Feldherren, für welche das
Beispiel der griechischen Könige nicht verloren war, legten nun ihrerseits Beschlag


pompejanische Spaziergänge.
von Ludwig Meyer. ' 3.
(Fortsetzung.)

bgleich für Griechenland der Verfall damals längst begonnen
hatte, war der Geschmack an der Kunst doch immer noch
ebenso lebhaft wie früher. Alexander war auf die Freund¬
schaft eines Lysippos und Apelles stolz gewesen; seine Nachfolger
setzten diese Überlieferung fort und umgaben sich nicht nur
gern mit Künstlern, sondern versuchten sich manchmal auch selbst als solche.
Attalus III., der letzte König von Pergamon, modellirte in Wachs und ziselirte
in Erz. Antiochus Epiphanes erholte sich von seinen Regentensorgen in der
Werkstatt eines Bildhauers. Für ausgezeichnete Statuen oder Gemälde, welche
sie zu besitzen wünschten, war ihnen kein Preis zu hoch. Sie zahlten den Künstlern
fast wahnsinnige Summen. Einer dieser Fürsten erbot sich, die sämtlichen
Schulden der Einwohner von Knidos, deren Gemeinde dem Bankrott nahe war,
zu übernehmen, wenn sie ihm die Aphrodite des Praxiteles abtreten wollten.
Ein andrer bot bei der von Mummius vorgenommenen Versteigerung der Beute
von Korinth 100 Talente (400 000 Mary für den Dionysos des Aristides.
Mummius traute seinen Ohren nicht, urteilte aber, daß ein Bild, welches man
so theuer bezahlen wollte, ein Wunder sein müsse, und behielt den Dionysos
für Rom. Die rasende Leidenschaft dieser gekrönten Liebhaber kannte keine Grenze
und kein Hindernis. Nichts war ihnen heilig, wenn es galt, ein schönes Kunst¬
werk zu erbeuten. Von ihnen haben es die römischen Prokonsuln gelernt, wie
man es anzufangen hatte, um sich auf Kosten der verehrtester Gottheiten eine
reiche Galerie zu bilden; sie sind die Lehrer des Verres gewesen. In den
unaufhörlichen Kriegen, die sie einander lieferten, waren die Schätze der Götter
nicht besser geborgen als die der Könige. Als Prusias I. das Gebiet von
Pergamon überfiel, machte er sich kein Gewissen daraus, aus einem hochberühmten
Heiligtum die Bildsäule des Hephaistos, ein ausgezeichnetes Werk des Phyro-
machos, zu rauben. Ptolemäos Euergetes drang auf seinem Zuge nach Asien
unter dem Vorwande, die von Kambyses aus Ägypten entführten heiligen Bild¬
werke zurückzunehmen, in die Tempel ein und nahm alle Kunstgegenstände, die
sich dort befanden, mit sich fort. So kam es, daß sich in den Palästen von
Pergamon, Antiochia und Alexandria zahllose Meisterwerke anhäuften. Aber
sie sollten hier nicht bleiben: denn die römischen Feldherren, für welche das
Beispiel der griechischen Könige nicht verloren war, legten nun ihrerseits Beschlag


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[0342] pompejanische Spaziergänge. von Ludwig Meyer. ' 3. (Fortsetzung.) bgleich für Griechenland der Verfall damals längst begonnen hatte, war der Geschmack an der Kunst doch immer noch ebenso lebhaft wie früher. Alexander war auf die Freund¬ schaft eines Lysippos und Apelles stolz gewesen; seine Nachfolger setzten diese Überlieferung fort und umgaben sich nicht nur gern mit Künstlern, sondern versuchten sich manchmal auch selbst als solche. Attalus III., der letzte König von Pergamon, modellirte in Wachs und ziselirte in Erz. Antiochus Epiphanes erholte sich von seinen Regentensorgen in der Werkstatt eines Bildhauers. Für ausgezeichnete Statuen oder Gemälde, welche sie zu besitzen wünschten, war ihnen kein Preis zu hoch. Sie zahlten den Künstlern fast wahnsinnige Summen. Einer dieser Fürsten erbot sich, die sämtlichen Schulden der Einwohner von Knidos, deren Gemeinde dem Bankrott nahe war, zu übernehmen, wenn sie ihm die Aphrodite des Praxiteles abtreten wollten. Ein andrer bot bei der von Mummius vorgenommenen Versteigerung der Beute von Korinth 100 Talente (400 000 Mary für den Dionysos des Aristides. Mummius traute seinen Ohren nicht, urteilte aber, daß ein Bild, welches man so theuer bezahlen wollte, ein Wunder sein müsse, und behielt den Dionysos für Rom. Die rasende Leidenschaft dieser gekrönten Liebhaber kannte keine Grenze und kein Hindernis. Nichts war ihnen heilig, wenn es galt, ein schönes Kunst¬ werk zu erbeuten. Von ihnen haben es die römischen Prokonsuln gelernt, wie man es anzufangen hatte, um sich auf Kosten der verehrtester Gottheiten eine reiche Galerie zu bilden; sie sind die Lehrer des Verres gewesen. In den unaufhörlichen Kriegen, die sie einander lieferten, waren die Schätze der Götter nicht besser geborgen als die der Könige. Als Prusias I. das Gebiet von Pergamon überfiel, machte er sich kein Gewissen daraus, aus einem hochberühmten Heiligtum die Bildsäule des Hephaistos, ein ausgezeichnetes Werk des Phyro- machos, zu rauben. Ptolemäos Euergetes drang auf seinem Zuge nach Asien unter dem Vorwande, die von Kambyses aus Ägypten entführten heiligen Bild¬ werke zurückzunehmen, in die Tempel ein und nahm alle Kunstgegenstände, die sich dort befanden, mit sich fort. So kam es, daß sich in den Palästen von Pergamon, Antiochia und Alexandria zahllose Meisterwerke anhäuften. Aber sie sollten hier nicht bleiben: denn die römischen Feldherren, für welche das Beispiel der griechischen Könige nicht verloren war, legten nun ihrerseits Beschlag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/342>, abgerufen am 24.08.2024.