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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Alrenschwerdt.

Stelle erhoben und, nach der Uhr sehend, es für die höchste Zeit erklärt, nach
Hause zu fahren. Während Großvater Degenhard ging, um den Wagen vor¬
fahren zu lassen, ward sein Sohn abgeschickt, um Dietrich und Dorothea heran¬
zurufen. Sie selbst ging, vom Grafen begleitet, durch den Garten hinab auf
die Pforte zu.

Dorothea kam in der Mitte der beiden Brüder, Eberhardt zur Rechten,
Dietrich zur Linken, vom Strande heran, und es schien der Gräfin, als sie
ihre funkelnden Augen auf den Dreien ruhen ließ, als sei die Farbe des jungen
Mädchens blühender, ihr Blick strahlender als sonst. Sie konnte eine Regung
des Zornes über ihren Sohn, der so ruhig in Gesellschaft Eberhardts daher
kam, nur mit Mühe unterdrücken, mit verächtlich emporgehobenem Kopf erwie¬
derte sie Eberhardts Gruß kaum merklich und stieg, ohne ein Wort zu reden,
nur den Grafen zum Abschied höflich begrüßend, in den Wagen.

Eberhardt blieb neben dem alten Herrn an der Pforte stehen und blickte
dem davoneilenden Wagen und dem hellen Strohhut, der ein teures Haupt
bedeckte, sehnsüchtig nach. Dann wandte er sich an den Grafen, indem er
eine Entschuldigung wegen seines Kommens vorbrachte und dasselbe mit
seiner Absicht erklärte, der erhaltenen Erlaubnis gemäß vom Thurme aus zu
skizziren.

Der Gras hörte diese Erklärung ruhig an, aber es erschien auf seinem Ge¬
sicht wiederum der eigentümliche Ausdruck, den Eberhardt schon bei seinem vo¬
rigen Besuch bemerkt und der ihm Mißvergnügen erregt hatte.

Ein flüchtige Röte schoß in seine Wangen.

Ich setze voraus, sagte er mit stolzem Tone, daß ich Eurer Excellenz nicht
zudringlich erscheine, indem ich an jene gütige Aufforderung erinnere, sonst
würde ich mich bemühen, einen andern Punkt auf einer der umliegenden Höhen
zu finden.

Sie sind mir willkommen, Herr Eschenburg, entgegnete der Graf ruhig
und ernst. Es ist mir lieb, daß Sie mir die Ehre erzeigen, mich zu besuchen,
da ich so die passendste Gelegenheit finde, mit Ihnen etwas zu besprechen, was
sich in Gesellschaft nicht wohl erörtern läßt.

Ich stehe zu Diensten, sagte Eberhardt.

Sie kamen das vorige mal gerade in dem Augenblick, wo mein Freund
Baron Sextus und seine Tochter hier waren, fuhr der Graf fort, während
beide Männer durch die Gartenanlagen hinschritten. Auch heute hat es
sich so getroffen, daß Sie mit dieser Dame hier zusammenkamen. Da ich nun
außerdem verschiedentlich das Vergnügen hatte, Sie in Schloß Eichhausen zu
sehen und, wie mir schien, in nicht ganz gleichgiltigen Beziehungen zu der mir
befreundeten Familie, fo möchte ich mir wohl die Frage erlauben, Herr Eschen¬
burg, ob Sie auch, gleich mir, es nur dem Zufall zuschreiben, daß Sie die
Baronesse hier trafen?


Die Grafen von Alrenschwerdt.

Stelle erhoben und, nach der Uhr sehend, es für die höchste Zeit erklärt, nach
Hause zu fahren. Während Großvater Degenhard ging, um den Wagen vor¬
fahren zu lassen, ward sein Sohn abgeschickt, um Dietrich und Dorothea heran¬
zurufen. Sie selbst ging, vom Grafen begleitet, durch den Garten hinab auf
die Pforte zu.

Dorothea kam in der Mitte der beiden Brüder, Eberhardt zur Rechten,
Dietrich zur Linken, vom Strande heran, und es schien der Gräfin, als sie
ihre funkelnden Augen auf den Dreien ruhen ließ, als sei die Farbe des jungen
Mädchens blühender, ihr Blick strahlender als sonst. Sie konnte eine Regung
des Zornes über ihren Sohn, der so ruhig in Gesellschaft Eberhardts daher
kam, nur mit Mühe unterdrücken, mit verächtlich emporgehobenem Kopf erwie¬
derte sie Eberhardts Gruß kaum merklich und stieg, ohne ein Wort zu reden,
nur den Grafen zum Abschied höflich begrüßend, in den Wagen.

Eberhardt blieb neben dem alten Herrn an der Pforte stehen und blickte
dem davoneilenden Wagen und dem hellen Strohhut, der ein teures Haupt
bedeckte, sehnsüchtig nach. Dann wandte er sich an den Grafen, indem er
eine Entschuldigung wegen seines Kommens vorbrachte und dasselbe mit
seiner Absicht erklärte, der erhaltenen Erlaubnis gemäß vom Thurme aus zu
skizziren.

Der Gras hörte diese Erklärung ruhig an, aber es erschien auf seinem Ge¬
sicht wiederum der eigentümliche Ausdruck, den Eberhardt schon bei seinem vo¬
rigen Besuch bemerkt und der ihm Mißvergnügen erregt hatte.

Ein flüchtige Röte schoß in seine Wangen.

Ich setze voraus, sagte er mit stolzem Tone, daß ich Eurer Excellenz nicht
zudringlich erscheine, indem ich an jene gütige Aufforderung erinnere, sonst
würde ich mich bemühen, einen andern Punkt auf einer der umliegenden Höhen
zu finden.

Sie sind mir willkommen, Herr Eschenburg, entgegnete der Graf ruhig
und ernst. Es ist mir lieb, daß Sie mir die Ehre erzeigen, mich zu besuchen,
da ich so die passendste Gelegenheit finde, mit Ihnen etwas zu besprechen, was
sich in Gesellschaft nicht wohl erörtern läßt.

Ich stehe zu Diensten, sagte Eberhardt.

Sie kamen das vorige mal gerade in dem Augenblick, wo mein Freund
Baron Sextus und seine Tochter hier waren, fuhr der Graf fort, während
beide Männer durch die Gartenanlagen hinschritten. Auch heute hat es
sich so getroffen, daß Sie mit dieser Dame hier zusammenkamen. Da ich nun
außerdem verschiedentlich das Vergnügen hatte, Sie in Schloß Eichhausen zu
sehen und, wie mir schien, in nicht ganz gleichgiltigen Beziehungen zu der mir
befreundeten Familie, fo möchte ich mir wohl die Frage erlauben, Herr Eschen¬
burg, ob Sie auch, gleich mir, es nur dem Zufall zuschreiben, daß Sie die
Baronesse hier trafen?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/320>, abgerufen am 22.07.2024.