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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands.

snzeränc Rechte über Ägypten und Arabien beansprucht, tritt der Beherrscher
der Himmlischen als oberster Schutzherr von Annain und Tonkin auf. Die
Artikel gewisser Blätter drüben überm Kanal sehen aus, als ob England nicht
übel Lust und Neigung hätte, die Chinesen gegen uns ins Feld zu rufen. neuer¬
liche Ereignisse haben dargethan, daß Frankreich in der Welt viele Feinde und
wenige Freunde hat. Man würde es ohne Bedauern in Tonkin ein neues Mexiko
finden sehen, und wir müssen in unsrer auswärtigen Politik jedermann und jeder
Sachlage mit Mißtrauen begegnen."

Die bedeutendsten republikanischen Zeitungen sind dagegen für ein entschiedenes
Vorgehen in der Angelegenheit. Das -louiiuzl ass Dolent" sagt, nachdem es be¬
hauptet, Tu Duk habe dadurch, daß er die Chinesen nach Tonkin gerufen, sich
einer Verletzung des Vertrags von 1874 schuldig gemacht: "Wir erörtern des¬
halb nicht mehr die Notwendigkeit, sondern nur uoch die Mittel, unsern Rechten
Achtung zu verschaffen. Müssen wir die Politik verfolgen, welche die Engländer
so erfolgreich in Indien durchgeführt haben, unser Protektorat über Tonkin in
bleibender Weise aufrichten oder das Land mmektiren? Die Frage ist der Über¬
legung wert, und sicherlich würde die Einverleibung Tonkins in unsre Besitzungen
Frankreich eine der schönsten Handelskolonien der Welt verschaffen. Frankreich
ist nicht imstande, Kolonien von Ackerbauern zu gründen, und wir würden Kauf¬
leute haben müssen, um ein Land zu regieren, zu entwickeln lind zu bereichern,
welches eine Handvoll von Franzosen in einem Monat erobert hätten. Wie auch
unser Entschluß schließlich ausfallen wird, es liegt ein Trost in der Betrachtung,
daß wir uns bald entschließen müssen."

Die ü,6Mb1iciu<z PiÄneMso erklärt in Betreff der Absendung Kergaradees
an den Hof von Huc: "Wenn seine Instruktionen so lauten, wie wir zuversichtlich
hoffen, so werden sich der Beherrscher von Arran und dessen Minister bald
überzeugen, daß Frankreich endlich eine Regierung hat, die sich von niemand
ein der Nase führen läßt... . Unsre Streitkrüfte genügen vollständig, um unsrer
Flagge und unserm Interesse Respekt zu sichern. Man hat behauptet, Tu Duk
habe sich an den Kaiser von China um Schutz gewandt, und gewisse Blätter
des Auslandes, die eine eigentümliche Sorge für Frankreich zur Schau tragen,
erteilen uns den Rat, den mächtigen Potentaten lieber nicht herauszufordern.
Aber obwohl wir dessen Macht nicht unterschätzen möchten, können wir ihnen
antworten, daß uns dieselbe nicht sehr furchtbar erscheint, wenn wir annehmen,
er sei geneigt, sie außerhalb der Grenzen seines Reiches wirken zu lassen" --
eine Ansicht, die wir für richtig halten.

Von besonderm Interesse sind die Äußerungen des offiziösen Ismvs in
der Sache. Das Regierungsblatt bemerkt mit Bezug auf den Artikel einer Lon¬
doner Zeitung, daß es die ängstliche Sorge der englischen Journalisten wegen
der Rechte Chinas in Tonkin und Arran, der platonischen Rechte der Hovas-
königin über die Sakalavastämme und der Rechte Portugals in den vom Kongo


Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands.

snzeränc Rechte über Ägypten und Arabien beansprucht, tritt der Beherrscher
der Himmlischen als oberster Schutzherr von Annain und Tonkin auf. Die
Artikel gewisser Blätter drüben überm Kanal sehen aus, als ob England nicht
übel Lust und Neigung hätte, die Chinesen gegen uns ins Feld zu rufen. neuer¬
liche Ereignisse haben dargethan, daß Frankreich in der Welt viele Feinde und
wenige Freunde hat. Man würde es ohne Bedauern in Tonkin ein neues Mexiko
finden sehen, und wir müssen in unsrer auswärtigen Politik jedermann und jeder
Sachlage mit Mißtrauen begegnen."

Die bedeutendsten republikanischen Zeitungen sind dagegen für ein entschiedenes
Vorgehen in der Angelegenheit. Das -louiiuzl ass Dolent« sagt, nachdem es be¬
hauptet, Tu Duk habe dadurch, daß er die Chinesen nach Tonkin gerufen, sich
einer Verletzung des Vertrags von 1874 schuldig gemacht: „Wir erörtern des¬
halb nicht mehr die Notwendigkeit, sondern nur uoch die Mittel, unsern Rechten
Achtung zu verschaffen. Müssen wir die Politik verfolgen, welche die Engländer
so erfolgreich in Indien durchgeführt haben, unser Protektorat über Tonkin in
bleibender Weise aufrichten oder das Land mmektiren? Die Frage ist der Über¬
legung wert, und sicherlich würde die Einverleibung Tonkins in unsre Besitzungen
Frankreich eine der schönsten Handelskolonien der Welt verschaffen. Frankreich
ist nicht imstande, Kolonien von Ackerbauern zu gründen, und wir würden Kauf¬
leute haben müssen, um ein Land zu regieren, zu entwickeln lind zu bereichern,
welches eine Handvoll von Franzosen in einem Monat erobert hätten. Wie auch
unser Entschluß schließlich ausfallen wird, es liegt ein Trost in der Betrachtung,
daß wir uns bald entschließen müssen."

Die ü,6Mb1iciu<z PiÄneMso erklärt in Betreff der Absendung Kergaradees
an den Hof von Huc: „Wenn seine Instruktionen so lauten, wie wir zuversichtlich
hoffen, so werden sich der Beherrscher von Arran und dessen Minister bald
überzeugen, daß Frankreich endlich eine Regierung hat, die sich von niemand
ein der Nase führen läßt... . Unsre Streitkrüfte genügen vollständig, um unsrer
Flagge und unserm Interesse Respekt zu sichern. Man hat behauptet, Tu Duk
habe sich an den Kaiser von China um Schutz gewandt, und gewisse Blätter
des Auslandes, die eine eigentümliche Sorge für Frankreich zur Schau tragen,
erteilen uns den Rat, den mächtigen Potentaten lieber nicht herauszufordern.
Aber obwohl wir dessen Macht nicht unterschätzen möchten, können wir ihnen
antworten, daß uns dieselbe nicht sehr furchtbar erscheint, wenn wir annehmen,
er sei geneigt, sie außerhalb der Grenzen seines Reiches wirken zu lassen" —
eine Ansicht, die wir für richtig halten.

Von besonderm Interesse sind die Äußerungen des offiziösen Ismvs in
der Sache. Das Regierungsblatt bemerkt mit Bezug auf den Artikel einer Lon¬
doner Zeitung, daß es die ängstliche Sorge der englischen Journalisten wegen
der Rechte Chinas in Tonkin und Arran, der platonischen Rechte der Hovas-
königin über die Sakalavastämme und der Rechte Portugals in den vom Kongo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/309>, abgerufen am 24.08.2024.