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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Überseeische Aimoxionspläne Frankreichs und Englands.

Midiere im Besitze von Um Bin ist, wird er imstande sein, die vielgenannten
Piraten von der Schwarzen Flagge zu verfolgen, die dann, von aller Unter¬
stützung durch den Hof von Huc abgeschnitten, im Norden Zuflucht suchen werden,
wo er sie mit Gemächlichkeit beseitigen kann.

Die Wichtigkeit, welche in Paris der Expedition nach Tonkin beigemessen
wird, beschäftigte in den letzten Tagen die Blätter aller Farben, und wenn es
nicht an Gegnern des Unternehmens fehlte, so überwog doch die Zahl und das
Ansehen derer, die ihm günstig gestimmt waren, ganz erheblich. Das ?s.r-
liimövt, eines der gemäßigtsten rend vorsichtigsten republikanischen Organe,
erwiederte, nachdem es seine Befriedigung über den Bruch des "sonder¬
baren Vertrags" ausgesprochen, der 1874 abgeschlossen worden, auf die
Gründe der wenigen Politiker, welche die vollständige Räumung von Tonkin
befürworten: "Sie reden viel von den Opfern, welche dieses neue Unter¬
nehmen uns auferlegen würde, aber sie übersehen die Vorteile, welche der
Besitz dieses reichen Landes uns bringen muß. Wir haben zuviel dafür aus¬
gegeben und sind dem Ziele zu nahe, um leichten Herzens eine Eroberung auf¬
geben zu können, die nächst Algerien die schönste unsrer Kolonien zu werden
verspricht."

Ein in Tonkin selbst befindlicher Korrespondent desselben Blattes schreibt
ihm, das Land sei reif für Errichtung eines französischen Protektorats, dem
sich die Regierung des himmlischen Reiches (dessen Beistand der König Tu Duk
vor kurzem angerufen hat) nicht ernstlich widersetzen werde, da es dein chine¬
sischen Handel Vorteile verheiße. Die Eingebornen würden sich über das Ein¬
treffen einer stärkern französischen Armee freuen, da dieselbe ein Schutzmittel
gegen die Strompiraten vor der Schwarzen Flagge sein würde, welche den
Gelben Fluß blockiren und den Handelsverkehr mit der chinesischen Provinz
Junnan verhindern. Die Korrespondenz schließt mit den Wörtern "Es wird
nicht genügen, die Verträge von 1874 abzuändern. Ein vollständiger Umschwung
der Dinge ist notwendig. Das Land muß gänzlich geöffnet werden, und es
muß unser Jurisdiktionssystem eingeführt werden, soweit es sich um Europäer
handelt. Ein Zollhausdienst unter unsrer Aufsicht ist einzurichten; denn die
Mauthbcamten Annäus verstehen nicht einmal das Abc ihrer Profession. . , .
Der Augenblick, wo wir alles, was wir brauchen, verlangen können, scheint ge¬
kommen. Errichten wir daher das Protektorat oder ziehen wir uns in iNÄM-lin
LritMiüg.6 FloriÄili ganz zurück. Tu Duk, der gern bis zu seinem Ableben
auf seinem wurmstichigen Throne verbliebe, wird sich unsern Plänen fügen; denn
wenn er sich in den letzten acht Jahren vor uns nicht gefürchtet hat, so war
es, weil er glaubte, wir würden es nicht bis zu einem Ultimatum treiben."

Auf feiten der monarchischen Opposition wird die Sache in anderm Lichte
erblickt. Der orleanistische Lolsil bemerkt: "China spielt im fernen Osten eine
ähnliche Rolle wie die Türkei am Mittelmeere, und ganz so wie der Sultan


Überseeische Aimoxionspläne Frankreichs und Englands.

Midiere im Besitze von Um Bin ist, wird er imstande sein, die vielgenannten
Piraten von der Schwarzen Flagge zu verfolgen, die dann, von aller Unter¬
stützung durch den Hof von Huc abgeschnitten, im Norden Zuflucht suchen werden,
wo er sie mit Gemächlichkeit beseitigen kann.

Die Wichtigkeit, welche in Paris der Expedition nach Tonkin beigemessen
wird, beschäftigte in den letzten Tagen die Blätter aller Farben, und wenn es
nicht an Gegnern des Unternehmens fehlte, so überwog doch die Zahl und das
Ansehen derer, die ihm günstig gestimmt waren, ganz erheblich. Das ?s.r-
liimövt, eines der gemäßigtsten rend vorsichtigsten republikanischen Organe,
erwiederte, nachdem es seine Befriedigung über den Bruch des „sonder¬
baren Vertrags" ausgesprochen, der 1874 abgeschlossen worden, auf die
Gründe der wenigen Politiker, welche die vollständige Räumung von Tonkin
befürworten: „Sie reden viel von den Opfern, welche dieses neue Unter¬
nehmen uns auferlegen würde, aber sie übersehen die Vorteile, welche der
Besitz dieses reichen Landes uns bringen muß. Wir haben zuviel dafür aus¬
gegeben und sind dem Ziele zu nahe, um leichten Herzens eine Eroberung auf¬
geben zu können, die nächst Algerien die schönste unsrer Kolonien zu werden
verspricht."

Ein in Tonkin selbst befindlicher Korrespondent desselben Blattes schreibt
ihm, das Land sei reif für Errichtung eines französischen Protektorats, dem
sich die Regierung des himmlischen Reiches (dessen Beistand der König Tu Duk
vor kurzem angerufen hat) nicht ernstlich widersetzen werde, da es dein chine¬
sischen Handel Vorteile verheiße. Die Eingebornen würden sich über das Ein¬
treffen einer stärkern französischen Armee freuen, da dieselbe ein Schutzmittel
gegen die Strompiraten vor der Schwarzen Flagge sein würde, welche den
Gelben Fluß blockiren und den Handelsverkehr mit der chinesischen Provinz
Junnan verhindern. Die Korrespondenz schließt mit den Wörtern „Es wird
nicht genügen, die Verträge von 1874 abzuändern. Ein vollständiger Umschwung
der Dinge ist notwendig. Das Land muß gänzlich geöffnet werden, und es
muß unser Jurisdiktionssystem eingeführt werden, soweit es sich um Europäer
handelt. Ein Zollhausdienst unter unsrer Aufsicht ist einzurichten; denn die
Mauthbcamten Annäus verstehen nicht einmal das Abc ihrer Profession. . , .
Der Augenblick, wo wir alles, was wir brauchen, verlangen können, scheint ge¬
kommen. Errichten wir daher das Protektorat oder ziehen wir uns in iNÄM-lin
LritMiüg.6 FloriÄili ganz zurück. Tu Duk, der gern bis zu seinem Ableben
auf seinem wurmstichigen Throne verbliebe, wird sich unsern Plänen fügen; denn
wenn er sich in den letzten acht Jahren vor uns nicht gefürchtet hat, so war
es, weil er glaubte, wir würden es nicht bis zu einem Ultimatum treiben."

Auf feiten der monarchischen Opposition wird die Sache in anderm Lichte
erblickt. Der orleanistische Lolsil bemerkt: „China spielt im fernen Osten eine
ähnliche Rolle wie die Türkei am Mittelmeere, und ganz so wie der Sultan


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/308>, abgerufen am 02.10.2024.