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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands.

nismäßig hohem Alter erinnern. Die Figuren sind derart disponirt, daß man
fast ohne Schwierigkeit aus dem Gemälde ein Relief machen könnte. Noch
charakteristischer ist es, daß Diomedes und Odysseus kleiner gebildet sind als
Agamemnon und Kalchas, nach jener alten, naiven Regel, welche will, daß man
die größere oder geringere Wichtigkeit der einzelnen Personen schon äußerlich
an ihrer Größe erkenne. Wiewohl nun Helbig auf diese interessanten Momente
aufmerksam macht, geht er doch nicht so weit, zu behaupten, daß dieses schöne
Gemälde in eine sehr alte Epoche zurückreiche. Zu alleu Zeiten giebt es Künstler,
die sich gern der Vergangenheit zuwenden und die eine alte Methode, ein schon
längst aufgegebenes Verfahren mit Vorliebe Pflegen. Plinius spricht einmal von
zwei berühmten Malern, die an dem von Vespasian wiederhergestellten Tempel
des Honvs und der Virtus arbeiteten, und bemerkt über den einen, er habe
mehr den alten Meistern geglichen (xriMus Mtiquis similior*). Ein Künstler
dieser Art hat gewiß auch das Opfer der Jphigeneia gemalt; dem Archaismus zu¬
geneigt, hat er sein Bild nach alter Weise erfunden und ausgeführt, die pom-
pejanischen Maler aber haben dasselbe nach ihrer Gewohnheit getreu kopirt.

Aber diese altertümlichen Phantasien sind in Pompeji selten; fast alle
andern Wandgemälde gleichen einander in hohem Maße, die Darstellungen sind
in der Regel auf dieselbe Art erfunden und ausgeführt und scheinen derselben
Schule anzugehören. Es ist die Schicke, welche am Hofe der Nachfolger
Alexanders blühte. Die Kunst, welche die pompejanischen Künstler nachahmten
und von der uns ihre Gemälde ein Abbild geben können, ist also die alexandrinische
oder hellenistische. (Fortsetzung folgt.)




Überseeische Annexionspläne Frankreichs
und Englands.

le englischen Zeitungen fahren fort, gegen die neue französische
Kolonialpolitik zu predigen und deren Annexionspläne als un¬
gerecht und für das britische Interesse, ja sür das der ganzen
Welt gefährlich darzustellen. Aber in Paris läßt man sich da¬
durch nicht beirren, und da in letzter Zeit auch England Miene
gemacht hat, seinen überseeischen Besitzungen ein wertvolles Stück Land einzu¬
verleiben, so begreift man in der That nicht recht, wie die Herren in London



Ptinus XXXV, 120.
Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands.

nismäßig hohem Alter erinnern. Die Figuren sind derart disponirt, daß man
fast ohne Schwierigkeit aus dem Gemälde ein Relief machen könnte. Noch
charakteristischer ist es, daß Diomedes und Odysseus kleiner gebildet sind als
Agamemnon und Kalchas, nach jener alten, naiven Regel, welche will, daß man
die größere oder geringere Wichtigkeit der einzelnen Personen schon äußerlich
an ihrer Größe erkenne. Wiewohl nun Helbig auf diese interessanten Momente
aufmerksam macht, geht er doch nicht so weit, zu behaupten, daß dieses schöne
Gemälde in eine sehr alte Epoche zurückreiche. Zu alleu Zeiten giebt es Künstler,
die sich gern der Vergangenheit zuwenden und die eine alte Methode, ein schon
längst aufgegebenes Verfahren mit Vorliebe Pflegen. Plinius spricht einmal von
zwei berühmten Malern, die an dem von Vespasian wiederhergestellten Tempel
des Honvs und der Virtus arbeiteten, und bemerkt über den einen, er habe
mehr den alten Meistern geglichen (xriMus Mtiquis similior*). Ein Künstler
dieser Art hat gewiß auch das Opfer der Jphigeneia gemalt; dem Archaismus zu¬
geneigt, hat er sein Bild nach alter Weise erfunden und ausgeführt, die pom-
pejanischen Maler aber haben dasselbe nach ihrer Gewohnheit getreu kopirt.

Aber diese altertümlichen Phantasien sind in Pompeji selten; fast alle
andern Wandgemälde gleichen einander in hohem Maße, die Darstellungen sind
in der Regel auf dieselbe Art erfunden und ausgeführt und scheinen derselben
Schule anzugehören. Es ist die Schicke, welche am Hofe der Nachfolger
Alexanders blühte. Die Kunst, welche die pompejanischen Künstler nachahmten
und von der uns ihre Gemälde ein Abbild geben können, ist also die alexandrinische
oder hellenistische. (Fortsetzung folgt.)




Überseeische Annexionspläne Frankreichs
und Englands.

le englischen Zeitungen fahren fort, gegen die neue französische
Kolonialpolitik zu predigen und deren Annexionspläne als un¬
gerecht und für das britische Interesse, ja sür das der ganzen
Welt gefährlich darzustellen. Aber in Paris läßt man sich da¬
durch nicht beirren, und da in letzter Zeit auch England Miene
gemacht hat, seinen überseeischen Besitzungen ein wertvolles Stück Land einzu¬
verleiben, so begreift man in der That nicht recht, wie die Herren in London



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[0306] Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands. nismäßig hohem Alter erinnern. Die Figuren sind derart disponirt, daß man fast ohne Schwierigkeit aus dem Gemälde ein Relief machen könnte. Noch charakteristischer ist es, daß Diomedes und Odysseus kleiner gebildet sind als Agamemnon und Kalchas, nach jener alten, naiven Regel, welche will, daß man die größere oder geringere Wichtigkeit der einzelnen Personen schon äußerlich an ihrer Größe erkenne. Wiewohl nun Helbig auf diese interessanten Momente aufmerksam macht, geht er doch nicht so weit, zu behaupten, daß dieses schöne Gemälde in eine sehr alte Epoche zurückreiche. Zu alleu Zeiten giebt es Künstler, die sich gern der Vergangenheit zuwenden und die eine alte Methode, ein schon längst aufgegebenes Verfahren mit Vorliebe Pflegen. Plinius spricht einmal von zwei berühmten Malern, die an dem von Vespasian wiederhergestellten Tempel des Honvs und der Virtus arbeiteten, und bemerkt über den einen, er habe mehr den alten Meistern geglichen (xriMus Mtiquis similior*). Ein Künstler dieser Art hat gewiß auch das Opfer der Jphigeneia gemalt; dem Archaismus zu¬ geneigt, hat er sein Bild nach alter Weise erfunden und ausgeführt, die pom- pejanischen Maler aber haben dasselbe nach ihrer Gewohnheit getreu kopirt. Aber diese altertümlichen Phantasien sind in Pompeji selten; fast alle andern Wandgemälde gleichen einander in hohem Maße, die Darstellungen sind in der Regel auf dieselbe Art erfunden und ausgeführt und scheinen derselben Schule anzugehören. Es ist die Schicke, welche am Hofe der Nachfolger Alexanders blühte. Die Kunst, welche die pompejanischen Künstler nachahmten und von der uns ihre Gemälde ein Abbild geben können, ist also die alexandrinische oder hellenistische. (Fortsetzung folgt.) Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands. le englischen Zeitungen fahren fort, gegen die neue französische Kolonialpolitik zu predigen und deren Annexionspläne als un¬ gerecht und für das britische Interesse, ja sür das der ganzen Welt gefährlich darzustellen. Aber in Paris läßt man sich da¬ durch nicht beirren, und da in letzter Zeit auch England Miene gemacht hat, seinen überseeischen Besitzungen ein wertvolles Stück Land einzu¬ verleiben, so begreift man in der That nicht recht, wie die Herren in London Ptinus XXXV, 120.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/306>, abgerufen am 03.07.2024.