Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Beleuchtung der GeMguisfmge.

die Strafrechtspflege hittetitzubriitgett. Darnach vorzüglich, nach der schvnnngs-
tosek tzärte der ZtvKitgKMeit, Mtett sich die Gode der Freiheitsstrafen ab-
stufen leüt nicht so ausschließlich nach dem arithmetischen Maßstabe von Zeit-
langen. Auch der Hunger muß wieder als Strafübel seinen Platz finden. In
der ehemals üblichen Verschärfung der Freiheitsstrafen durch zeitweise Beschränkung
der Kost auf Wasser und Brot lag mehr Humanität als in dem heutigen Schlen¬
drian der trotz aller ratiMelleU Spcisereglements durch die unvernünftige Länge
der Freiheitsstrafe Körper und Seele verwüstenden Gefängnispflege. Die große
Masse der gewerbsmäßigen Diebe und Ganner, deren Leben ausgefüllt ist durch
kurze Intervalle ungebundenen Kampfes gegen die rechtlichen Grundlagen der
Gesellschaft und durch lange Zeiträume von Gefängnis- und Zuchthanshaft und
bereu Unverbesserlichst klar zu Tage liegt, ist unschädlich zu macheu durch
Detinirung in Arbeitshäusern, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für eine
unbestimmte, am besten für ihre ganze Lebenszeit.

Das Letzte, was anzustreben bleibt, ist Rückkehr zu andern Strafarten, als
sie die Freiheitsentziehung ermöglicht. Die Todesstrafe muß wieder zur Wahr-
heit werden, der volle und ganze Ernst der Strafandrohung den Gemütern
des Volkes scharf eingeprägt werden. Sie ist die einfache unmittelbare und
endgiltige Vernichtung der äußersten verbrecherischen Auswüchse der Gesellschaft.

Alle großen Kulturvölker alter wie neuer Zeit, die Griechen wie die Römer,
die Engländer wie die Franzosen haben Jahrhunderte lang wesentlich durch
Exil und Deportation ihre Staats- lind Rechtsordnung aufrecht erhalten. Der
Erdkreis, so groß und breit, birgt noch so unendlichen Raum für die Befruchtung
durch Menschenarbeit und für den ungebundenen Kampf ums Dasein. Die
deutsche Nation wird wenigstens den Versuch mit der Deportation machen müssen.
Wiederherstellung der Prügelstrafe, mehr körperliche Züchtigung und weiüger
Freiheitsentziehuug, so lautet die Volksstimme. Natürlich ergreift darob banges
Entsetzen alle aufgeklärten Leute! Es ist aber wohl eine ernsthafte, durch leere
Phrasen von Menschenwürde nicht zu beseitigende Frage, ob für besonders freche
und bubenhafte Frevel, für boshafte Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und
ähnliche Niederträchtigkeiten halbwüchsiger Jugend ein entsprechendes Quantum
von Rutenhieben nicht ein wirkungsvolleres, natürlicher gegebenes und humaneres
Strafmittel wäre, als ein paar Tage, Wochen, ja Monate Einsperrung im Ge¬
fängnisse.

Endlich könnten für die Bedürfnisse der Strafrechtspflege noch herangezogen
werden: die bürgerliche Ehre und das Vermögen. Besonders verächtliche Arten
von Sünden, von Betrug, strafbarem Eigennutz und ähnliche mit dem sozialen
Besten der Erwerbsgier und Genußsucht zusammeichäugende Vergehungen könnten
an den Übelthätern gesühnt werden nicht sowohl durch lange Freiheitsentziehung,
als durch unsrer modernen Empfindsamkeit entsprechende Formen von Ehren¬
strafen. Will man den Übelthäter nicht mehr in eigner Person an den Pranger


Zur Beleuchtung der GeMguisfmge.

die Strafrechtspflege hittetitzubriitgett. Darnach vorzüglich, nach der schvnnngs-
tosek tzärte der ZtvKitgKMeit, Mtett sich die Gode der Freiheitsstrafen ab-
stufen leüt nicht so ausschließlich nach dem arithmetischen Maßstabe von Zeit-
langen. Auch der Hunger muß wieder als Strafübel seinen Platz finden. In
der ehemals üblichen Verschärfung der Freiheitsstrafen durch zeitweise Beschränkung
der Kost auf Wasser und Brot lag mehr Humanität als in dem heutigen Schlen¬
drian der trotz aller ratiMelleU Spcisereglements durch die unvernünftige Länge
der Freiheitsstrafe Körper und Seele verwüstenden Gefängnispflege. Die große
Masse der gewerbsmäßigen Diebe und Ganner, deren Leben ausgefüllt ist durch
kurze Intervalle ungebundenen Kampfes gegen die rechtlichen Grundlagen der
Gesellschaft und durch lange Zeiträume von Gefängnis- und Zuchthanshaft und
bereu Unverbesserlichst klar zu Tage liegt, ist unschädlich zu macheu durch
Detinirung in Arbeitshäusern, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für eine
unbestimmte, am besten für ihre ganze Lebenszeit.

Das Letzte, was anzustreben bleibt, ist Rückkehr zu andern Strafarten, als
sie die Freiheitsentziehung ermöglicht. Die Todesstrafe muß wieder zur Wahr-
heit werden, der volle und ganze Ernst der Strafandrohung den Gemütern
des Volkes scharf eingeprägt werden. Sie ist die einfache unmittelbare und
endgiltige Vernichtung der äußersten verbrecherischen Auswüchse der Gesellschaft.

Alle großen Kulturvölker alter wie neuer Zeit, die Griechen wie die Römer,
die Engländer wie die Franzosen haben Jahrhunderte lang wesentlich durch
Exil und Deportation ihre Staats- lind Rechtsordnung aufrecht erhalten. Der
Erdkreis, so groß und breit, birgt noch so unendlichen Raum für die Befruchtung
durch Menschenarbeit und für den ungebundenen Kampf ums Dasein. Die
deutsche Nation wird wenigstens den Versuch mit der Deportation machen müssen.
Wiederherstellung der Prügelstrafe, mehr körperliche Züchtigung und weiüger
Freiheitsentziehuug, so lautet die Volksstimme. Natürlich ergreift darob banges
Entsetzen alle aufgeklärten Leute! Es ist aber wohl eine ernsthafte, durch leere
Phrasen von Menschenwürde nicht zu beseitigende Frage, ob für besonders freche
und bubenhafte Frevel, für boshafte Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und
ähnliche Niederträchtigkeiten halbwüchsiger Jugend ein entsprechendes Quantum
von Rutenhieben nicht ein wirkungsvolleres, natürlicher gegebenes und humaneres
Strafmittel wäre, als ein paar Tage, Wochen, ja Monate Einsperrung im Ge¬
fängnisse.

Endlich könnten für die Bedürfnisse der Strafrechtspflege noch herangezogen
werden: die bürgerliche Ehre und das Vermögen. Besonders verächtliche Arten
von Sünden, von Betrug, strafbarem Eigennutz und ähnliche mit dem sozialen
Besten der Erwerbsgier und Genußsucht zusammeichäugende Vergehungen könnten
an den Übelthätern gesühnt werden nicht sowohl durch lange Freiheitsentziehung,
als durch unsrer modernen Empfindsamkeit entsprechende Formen von Ehren¬
strafen. Will man den Übelthäter nicht mehr in eigner Person an den Pranger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153011"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Beleuchtung der GeMguisfmge.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1025" prev="#ID_1024"> die Strafrechtspflege hittetitzubriitgett. Darnach vorzüglich, nach der schvnnngs-<lb/>
tosek tzärte der ZtvKitgKMeit, Mtett sich die Gode der Freiheitsstrafen ab-<lb/>
stufen leüt nicht so ausschließlich nach dem arithmetischen Maßstabe von Zeit-<lb/>
langen. Auch der Hunger muß wieder als Strafübel seinen Platz finden. In<lb/>
der ehemals üblichen Verschärfung der Freiheitsstrafen durch zeitweise Beschränkung<lb/>
der Kost auf Wasser und Brot lag mehr Humanität als in dem heutigen Schlen¬<lb/>
drian der trotz aller ratiMelleU Spcisereglements durch die unvernünftige Länge<lb/>
der Freiheitsstrafe Körper und Seele verwüstenden Gefängnispflege. Die große<lb/>
Masse der gewerbsmäßigen Diebe und Ganner, deren Leben ausgefüllt ist durch<lb/>
kurze Intervalle ungebundenen Kampfes gegen die rechtlichen Grundlagen der<lb/>
Gesellschaft und durch lange Zeiträume von Gefängnis- und Zuchthanshaft und<lb/>
bereu Unverbesserlichst klar zu Tage liegt, ist unschädlich zu macheu durch<lb/>
Detinirung in Arbeitshäusern, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für eine<lb/>
unbestimmte, am besten für ihre ganze Lebenszeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1026"> Das Letzte, was anzustreben bleibt, ist Rückkehr zu andern Strafarten, als<lb/>
sie die Freiheitsentziehung ermöglicht. Die Todesstrafe muß wieder zur Wahr-<lb/>
heit werden, der volle und ganze Ernst der Strafandrohung den Gemütern<lb/>
des Volkes scharf eingeprägt werden. Sie ist die einfache unmittelbare und<lb/>
endgiltige Vernichtung der äußersten verbrecherischen Auswüchse der Gesellschaft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1027"> Alle großen Kulturvölker alter wie neuer Zeit, die Griechen wie die Römer,<lb/>
die Engländer wie die Franzosen haben Jahrhunderte lang wesentlich durch<lb/>
Exil und Deportation ihre Staats- lind Rechtsordnung aufrecht erhalten. Der<lb/>
Erdkreis, so groß und breit, birgt noch so unendlichen Raum für die Befruchtung<lb/>
durch Menschenarbeit und für den ungebundenen Kampf ums Dasein. Die<lb/>
deutsche Nation wird wenigstens den Versuch mit der Deportation machen müssen.<lb/>
Wiederherstellung der Prügelstrafe, mehr körperliche Züchtigung und weiüger<lb/>
Freiheitsentziehuug, so lautet die Volksstimme. Natürlich ergreift darob banges<lb/>
Entsetzen alle aufgeklärten Leute! Es ist aber wohl eine ernsthafte, durch leere<lb/>
Phrasen von Menschenwürde nicht zu beseitigende Frage, ob für besonders freche<lb/>
und bubenhafte Frevel, für boshafte Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und<lb/>
ähnliche Niederträchtigkeiten halbwüchsiger Jugend ein entsprechendes Quantum<lb/>
von Rutenhieben nicht ein wirkungsvolleres, natürlicher gegebenes und humaneres<lb/>
Strafmittel wäre, als ein paar Tage, Wochen, ja Monate Einsperrung im Ge¬<lb/>
fängnisse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1028" next="#ID_1029"> Endlich könnten für die Bedürfnisse der Strafrechtspflege noch herangezogen<lb/>
werden: die bürgerliche Ehre und das Vermögen. Besonders verächtliche Arten<lb/>
von Sünden, von Betrug, strafbarem Eigennutz und ähnliche mit dem sozialen<lb/>
Besten der Erwerbsgier und Genußsucht zusammeichäugende Vergehungen könnten<lb/>
an den Übelthätern gesühnt werden nicht sowohl durch lange Freiheitsentziehung,<lb/>
als durch unsrer modernen Empfindsamkeit entsprechende Formen von Ehren¬<lb/>
strafen. Will man den Übelthäter nicht mehr in eigner Person an den Pranger</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] Zur Beleuchtung der GeMguisfmge. die Strafrechtspflege hittetitzubriitgett. Darnach vorzüglich, nach der schvnnngs- tosek tzärte der ZtvKitgKMeit, Mtett sich die Gode der Freiheitsstrafen ab- stufen leüt nicht so ausschließlich nach dem arithmetischen Maßstabe von Zeit- langen. Auch der Hunger muß wieder als Strafübel seinen Platz finden. In der ehemals üblichen Verschärfung der Freiheitsstrafen durch zeitweise Beschränkung der Kost auf Wasser und Brot lag mehr Humanität als in dem heutigen Schlen¬ drian der trotz aller ratiMelleU Spcisereglements durch die unvernünftige Länge der Freiheitsstrafe Körper und Seele verwüstenden Gefängnispflege. Die große Masse der gewerbsmäßigen Diebe und Ganner, deren Leben ausgefüllt ist durch kurze Intervalle ungebundenen Kampfes gegen die rechtlichen Grundlagen der Gesellschaft und durch lange Zeiträume von Gefängnis- und Zuchthanshaft und bereu Unverbesserlichst klar zu Tage liegt, ist unschädlich zu macheu durch Detinirung in Arbeitshäusern, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für eine unbestimmte, am besten für ihre ganze Lebenszeit. Das Letzte, was anzustreben bleibt, ist Rückkehr zu andern Strafarten, als sie die Freiheitsentziehung ermöglicht. Die Todesstrafe muß wieder zur Wahr- heit werden, der volle und ganze Ernst der Strafandrohung den Gemütern des Volkes scharf eingeprägt werden. Sie ist die einfache unmittelbare und endgiltige Vernichtung der äußersten verbrecherischen Auswüchse der Gesellschaft. Alle großen Kulturvölker alter wie neuer Zeit, die Griechen wie die Römer, die Engländer wie die Franzosen haben Jahrhunderte lang wesentlich durch Exil und Deportation ihre Staats- lind Rechtsordnung aufrecht erhalten. Der Erdkreis, so groß und breit, birgt noch so unendlichen Raum für die Befruchtung durch Menschenarbeit und für den ungebundenen Kampf ums Dasein. Die deutsche Nation wird wenigstens den Versuch mit der Deportation machen müssen. Wiederherstellung der Prügelstrafe, mehr körperliche Züchtigung und weiüger Freiheitsentziehuug, so lautet die Volksstimme. Natürlich ergreift darob banges Entsetzen alle aufgeklärten Leute! Es ist aber wohl eine ernsthafte, durch leere Phrasen von Menschenwürde nicht zu beseitigende Frage, ob für besonders freche und bubenhafte Frevel, für boshafte Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und ähnliche Niederträchtigkeiten halbwüchsiger Jugend ein entsprechendes Quantum von Rutenhieben nicht ein wirkungsvolleres, natürlicher gegebenes und humaneres Strafmittel wäre, als ein paar Tage, Wochen, ja Monate Einsperrung im Ge¬ fängnisse. Endlich könnten für die Bedürfnisse der Strafrechtspflege noch herangezogen werden: die bürgerliche Ehre und das Vermögen. Besonders verächtliche Arten von Sünden, von Betrug, strafbarem Eigennutz und ähnliche mit dem sozialen Besten der Erwerbsgier und Genußsucht zusammeichäugende Vergehungen könnten an den Übelthätern gesühnt werden nicht sowohl durch lange Freiheitsentziehung, als durch unsrer modernen Empfindsamkeit entsprechende Formen von Ehren¬ strafen. Will man den Übelthäter nicht mehr in eigner Person an den Pranger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/262>, abgerufen am 01.10.2024.