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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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lüfte bewohnen, und die sie unterjocht haben, werden sich umsonst nach der Ein¬
führung einer Industrie sehnen, welche ihrer elenden Lage nbhelsen könnte,"

"Da jener Vertrag die alten Rechte der Franzosen ans unbeschränkten Besitz
andrer Teile der Insel nicht in Abrede stellte und Frankreich gewisse Rechte
auf Grundbesitz einräumte, so waren die britischen Missionäre und Kaufmauns-
agcnten damit nicht zufrieden, sagt unsre Quelle, der amerikanische Fürsprecher
Frankreichs. Sie wünschten sich in Madagaskar für das schwindende Gedeihen
von Mauritius zu entschädigen und manövrirten fo, daß ihnen 1881 die Sen-
dung des Admirals Gvre-Jones gelang, welche die Beziehungen der Hovas-
regierung zu Frankreich störte, dessen Ansprüche bis dahin in friedlichem Geiste
erörtert worden waren. Die Engländer erwarteten eben, daß die Hovas, ge¬
stützt auf ihren geheimen, aber sehr wirksamen Beistand, die Franzosen ans dem
Lande verjagen würde, das ein insulares Indien für England werden soll. Die
Amerikaner aber wissen nur zu gut, was das für sie bedeuten würde, nämlich
das Monopol des nmlagassischeu Handels für die Briten und das Verbot der
Schifffahrt an den malagassischen Küsten nnter einer andern Flagge als der
englischen. Daher hörten sie mit tiefer Befriedigung, daß der Konsul der Ver¬
einigten Staaten in Tamatave darauf bedacht gewesen ist, die Interessen seines
Vaterlandes durch den Abschluß eines Handelsvertrags mit der Hovasregierung
wahrzunehmen. Dieses kluge Verhalten Herrn Robinsons ist die beste Antwort
auf das Ansinnen derer, die ihm die Pflicht auferlegen wollten, als Zünglein
in der Wage der Macht zwischen den Franzosen und den Engländern zu
sunktioniren, und die sich freuten, daß er in der Angelegenheit des Stillinan
B. Allen etwas derb zugegriffen hatte. Dieses amerikanische Schiff hatte eine
Ladung Waffen sür die Hovasregierung an Bord. Der britische Agent behaup¬
tete fälschlich, der Befehlshaber des französischen Kriegsschiffs zu Tamatave
werde sich der Landung dieser Waffen widersetzen, Robinson glaubte ihm und
ließ deu Franzosen wissen, die Ausschiffung der Gewehre werde jedenfalls statt¬
finden, was denn auch geschah. . . Seitdem aber hat ihn die Erfahrung über¬
zeugt, daß dem Gerede britischer Agenten und Hovasbeamtcn nicht zu viel Be¬
deutung beigelegt werden darf, und wahrscheinlich hat er dies denselben nicht
verschwiegen; denn die englischen Blätter machen hänfig spöttische Bemerkungen,
nach denen Robinson im Gefolge der sjetzt in den Vereinigten Staaten befind¬
lichen^ malagassischen Gesandten eine unwürdige Rolle, etwa wie ein Bären¬
führer, spiele."

"Der Knotenpunkt der Madagaskarfrage liegt in der Thatsache, daß die
Engländer den Wunsch hegen, die Königin Ncmovalo möge als taotv Beherrscherin
ganz Madagaskars werden, wie sie es et<z snriz bereits ist. So drückt sich ihre
Presse aus. Dies ist aber eine ihnen unbewacht entschlüpfte Anerkennung, daß
die Hovas gegenwärtig noch nicht die ganze Insel beherrschen, und wenn sie
die Vereinigten Staaten eine noch nicht existirende Souveränetät anerkennen zu


lüfte bewohnen, und die sie unterjocht haben, werden sich umsonst nach der Ein¬
führung einer Industrie sehnen, welche ihrer elenden Lage nbhelsen könnte,"

„Da jener Vertrag die alten Rechte der Franzosen ans unbeschränkten Besitz
andrer Teile der Insel nicht in Abrede stellte und Frankreich gewisse Rechte
auf Grundbesitz einräumte, so waren die britischen Missionäre und Kaufmauns-
agcnten damit nicht zufrieden, sagt unsre Quelle, der amerikanische Fürsprecher
Frankreichs. Sie wünschten sich in Madagaskar für das schwindende Gedeihen
von Mauritius zu entschädigen und manövrirten fo, daß ihnen 1881 die Sen-
dung des Admirals Gvre-Jones gelang, welche die Beziehungen der Hovas-
regierung zu Frankreich störte, dessen Ansprüche bis dahin in friedlichem Geiste
erörtert worden waren. Die Engländer erwarteten eben, daß die Hovas, ge¬
stützt auf ihren geheimen, aber sehr wirksamen Beistand, die Franzosen ans dem
Lande verjagen würde, das ein insulares Indien für England werden soll. Die
Amerikaner aber wissen nur zu gut, was das für sie bedeuten würde, nämlich
das Monopol des nmlagassischeu Handels für die Briten und das Verbot der
Schifffahrt an den malagassischen Küsten nnter einer andern Flagge als der
englischen. Daher hörten sie mit tiefer Befriedigung, daß der Konsul der Ver¬
einigten Staaten in Tamatave darauf bedacht gewesen ist, die Interessen seines
Vaterlandes durch den Abschluß eines Handelsvertrags mit der Hovasregierung
wahrzunehmen. Dieses kluge Verhalten Herrn Robinsons ist die beste Antwort
auf das Ansinnen derer, die ihm die Pflicht auferlegen wollten, als Zünglein
in der Wage der Macht zwischen den Franzosen und den Engländern zu
sunktioniren, und die sich freuten, daß er in der Angelegenheit des Stillinan
B. Allen etwas derb zugegriffen hatte. Dieses amerikanische Schiff hatte eine
Ladung Waffen sür die Hovasregierung an Bord. Der britische Agent behaup¬
tete fälschlich, der Befehlshaber des französischen Kriegsschiffs zu Tamatave
werde sich der Landung dieser Waffen widersetzen, Robinson glaubte ihm und
ließ deu Franzosen wissen, die Ausschiffung der Gewehre werde jedenfalls statt¬
finden, was denn auch geschah. . . Seitdem aber hat ihn die Erfahrung über¬
zeugt, daß dem Gerede britischer Agenten und Hovasbeamtcn nicht zu viel Be¬
deutung beigelegt werden darf, und wahrscheinlich hat er dies denselben nicht
verschwiegen; denn die englischen Blätter machen hänfig spöttische Bemerkungen,
nach denen Robinson im Gefolge der sjetzt in den Vereinigten Staaten befind¬
lichen^ malagassischen Gesandten eine unwürdige Rolle, etwa wie ein Bären¬
führer, spiele."

„Der Knotenpunkt der Madagaskarfrage liegt in der Thatsache, daß die
Engländer den Wunsch hegen, die Königin Ncmovalo möge als taotv Beherrscherin
ganz Madagaskars werden, wie sie es et<z snriz bereits ist. So drückt sich ihre
Presse aus. Dies ist aber eine ihnen unbewacht entschlüpfte Anerkennung, daß
die Hovas gegenwärtig noch nicht die ganze Insel beherrschen, und wenn sie
die Vereinigten Staaten eine noch nicht existirende Souveränetät anerkennen zu


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[0231] lüfte bewohnen, und die sie unterjocht haben, werden sich umsonst nach der Ein¬ führung einer Industrie sehnen, welche ihrer elenden Lage nbhelsen könnte," „Da jener Vertrag die alten Rechte der Franzosen ans unbeschränkten Besitz andrer Teile der Insel nicht in Abrede stellte und Frankreich gewisse Rechte auf Grundbesitz einräumte, so waren die britischen Missionäre und Kaufmauns- agcnten damit nicht zufrieden, sagt unsre Quelle, der amerikanische Fürsprecher Frankreichs. Sie wünschten sich in Madagaskar für das schwindende Gedeihen von Mauritius zu entschädigen und manövrirten fo, daß ihnen 1881 die Sen- dung des Admirals Gvre-Jones gelang, welche die Beziehungen der Hovas- regierung zu Frankreich störte, dessen Ansprüche bis dahin in friedlichem Geiste erörtert worden waren. Die Engländer erwarteten eben, daß die Hovas, ge¬ stützt auf ihren geheimen, aber sehr wirksamen Beistand, die Franzosen ans dem Lande verjagen würde, das ein insulares Indien für England werden soll. Die Amerikaner aber wissen nur zu gut, was das für sie bedeuten würde, nämlich das Monopol des nmlagassischeu Handels für die Briten und das Verbot der Schifffahrt an den malagassischen Küsten nnter einer andern Flagge als der englischen. Daher hörten sie mit tiefer Befriedigung, daß der Konsul der Ver¬ einigten Staaten in Tamatave darauf bedacht gewesen ist, die Interessen seines Vaterlandes durch den Abschluß eines Handelsvertrags mit der Hovasregierung wahrzunehmen. Dieses kluge Verhalten Herrn Robinsons ist die beste Antwort auf das Ansinnen derer, die ihm die Pflicht auferlegen wollten, als Zünglein in der Wage der Macht zwischen den Franzosen und den Engländern zu sunktioniren, und die sich freuten, daß er in der Angelegenheit des Stillinan B. Allen etwas derb zugegriffen hatte. Dieses amerikanische Schiff hatte eine Ladung Waffen sür die Hovasregierung an Bord. Der britische Agent behaup¬ tete fälschlich, der Befehlshaber des französischen Kriegsschiffs zu Tamatave werde sich der Landung dieser Waffen widersetzen, Robinson glaubte ihm und ließ deu Franzosen wissen, die Ausschiffung der Gewehre werde jedenfalls statt¬ finden, was denn auch geschah. . . Seitdem aber hat ihn die Erfahrung über¬ zeugt, daß dem Gerede britischer Agenten und Hovasbeamtcn nicht zu viel Be¬ deutung beigelegt werden darf, und wahrscheinlich hat er dies denselben nicht verschwiegen; denn die englischen Blätter machen hänfig spöttische Bemerkungen, nach denen Robinson im Gefolge der sjetzt in den Vereinigten Staaten befind¬ lichen^ malagassischen Gesandten eine unwürdige Rolle, etwa wie ein Bären¬ führer, spiele." „Der Knotenpunkt der Madagaskarfrage liegt in der Thatsache, daß die Engländer den Wunsch hegen, die Königin Ncmovalo möge als taotv Beherrscherin ganz Madagaskars werden, wie sie es et<z snriz bereits ist. So drückt sich ihre Presse aus. Dies ist aber eine ihnen unbewacht entschlüpfte Anerkennung, daß die Hovas gegenwärtig noch nicht die ganze Insel beherrschen, und wenn sie die Vereinigten Staaten eine noch nicht existirende Souveränetät anerkennen zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/231>, abgerufen am 03.07.2024.