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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altonschwerdt.

Fackel immer zu bedienen. Wir aber, wir Schriftsteller, die Ritter vom Geiste,
haben die Aufgabe, Lehrer des Volkes zu sein und die Unwissenheit zu bekämpfen.
Unser schärfstes Schwert aber ist die Satire, sie durchdringt mit schneidender
Kraft den Panzer der Vorurteile, in den die Unwissenheit sich hüllt, und ist
von Wirkung, wo alle Waffen der Didaktik versagen. Das ist es, was ich
gethan habe: ich habe das Schwert der Satire geschwungen im Hinblick auf
die größten und edelsten Ziele, aber die Personen und ihre Kleinlichkeit waren
mir völlig gleichgiltig und nicht mehr als diese Puppen, welche jetzt Husar und
Bäuerin, im nächsten Augenblick König und Papst sein können, je nach der
Rolle, die der Geist ihnen meent.

Er warf bei diesen Worten die Puppen den Kindern wieder zu, welche
mit offenem Munde dem Streite der beiden Herren zugeschaut und sich nicht
in die Nähe getraut hatten, nunmehr aber, wieder im Besitz ihres Eigentums,
die Flucht nahmen.

Herr Schmidt griff sich an den Kopf, wie in großer Bedrängnis. Ich
weiß nicht, sagte er, bin ich verrückt oder sind Sie es?

Sie müssen doch einsehen, fuhr Dr. Glock eifrig fort, daß es mir darum
zu thun gewesen ist, gesellschaftliche Mißstände zu geißeln und für die Sache
des wahren Fortschritts im Sinne echter Menschlichkeit einzutreten. Um das
zu können, mußte ich Typen bestimmter Menschenklassen aufstellen, die ich mit
dem Witze durchbohrte und hinsichtlich ihrer Schwächen bloßstellte. Abstrakte
Phantasiegebilde konnten mir dazu nichts nützen, es mußten Menschen sein mit
Fleisch und Bein. Und das wird Holzfurt auch einsehen. Die Menschen sind
nicht fo beschränkt, wie Sie denken, und der Witz ist ihnen verständlich. Die
Vernünftigen werden lachen, werden die Wahrheit meiner Schilderung einsehen
und werden zur Besserung unserer Zustände beitragen.

Ich will Ihnen etwas sagen, entgegnete Herr Schmidt, ich verstehe kein
Hebräisch und auch kein Aramäisch. Aber wenn Sie in diesen Sprachen redeten,
würde es mir ebenso verständlich sein wie dies. Sind denn alle meine Aus¬
führungen Ihnen gegenüber in den Wind gesprochen? Die Menschen bleiben
immer bei ihrer Meinung. Wenn man das Gegenteil davon sagt, nennen sie
es dumm. Sagt man es auf witzige Weise, so nennen sie das boshaft, sagt
man es überzeugend, so nennen sie es fanatisch. Außerdem: es muß doch alles
seinen Grund haben. Um nichts und wieder nichts thut ein vernünftiger Mensch
doch nichts. Wenn ich ein Mädchen liebe, so thue ich es doch, weil es schön
ist oder weil es klug ist, oder weil es Geld hat, oder weil der Vater mir zu
einer guten Stelle helfen kann. Wenn ich eine Satire schreibe, so thue ich es
doch, weil ich Honorar dafür bekomme, oder weil ich meine Feinde lächerlich
machen will. Ich verstehe gar nicht, was Sie wollen!

Ich gebe es auf, sagte Dr. Glock. Sprechen Sie, was Sie wollen, ich
gebe es ans.


Die Grafen von Altonschwerdt.

Fackel immer zu bedienen. Wir aber, wir Schriftsteller, die Ritter vom Geiste,
haben die Aufgabe, Lehrer des Volkes zu sein und die Unwissenheit zu bekämpfen.
Unser schärfstes Schwert aber ist die Satire, sie durchdringt mit schneidender
Kraft den Panzer der Vorurteile, in den die Unwissenheit sich hüllt, und ist
von Wirkung, wo alle Waffen der Didaktik versagen. Das ist es, was ich
gethan habe: ich habe das Schwert der Satire geschwungen im Hinblick auf
die größten und edelsten Ziele, aber die Personen und ihre Kleinlichkeit waren
mir völlig gleichgiltig und nicht mehr als diese Puppen, welche jetzt Husar und
Bäuerin, im nächsten Augenblick König und Papst sein können, je nach der
Rolle, die der Geist ihnen meent.

Er warf bei diesen Worten die Puppen den Kindern wieder zu, welche
mit offenem Munde dem Streite der beiden Herren zugeschaut und sich nicht
in die Nähe getraut hatten, nunmehr aber, wieder im Besitz ihres Eigentums,
die Flucht nahmen.

Herr Schmidt griff sich an den Kopf, wie in großer Bedrängnis. Ich
weiß nicht, sagte er, bin ich verrückt oder sind Sie es?

Sie müssen doch einsehen, fuhr Dr. Glock eifrig fort, daß es mir darum
zu thun gewesen ist, gesellschaftliche Mißstände zu geißeln und für die Sache
des wahren Fortschritts im Sinne echter Menschlichkeit einzutreten. Um das
zu können, mußte ich Typen bestimmter Menschenklassen aufstellen, die ich mit
dem Witze durchbohrte und hinsichtlich ihrer Schwächen bloßstellte. Abstrakte
Phantasiegebilde konnten mir dazu nichts nützen, es mußten Menschen sein mit
Fleisch und Bein. Und das wird Holzfurt auch einsehen. Die Menschen sind
nicht fo beschränkt, wie Sie denken, und der Witz ist ihnen verständlich. Die
Vernünftigen werden lachen, werden die Wahrheit meiner Schilderung einsehen
und werden zur Besserung unserer Zustände beitragen.

Ich will Ihnen etwas sagen, entgegnete Herr Schmidt, ich verstehe kein
Hebräisch und auch kein Aramäisch. Aber wenn Sie in diesen Sprachen redeten,
würde es mir ebenso verständlich sein wie dies. Sind denn alle meine Aus¬
führungen Ihnen gegenüber in den Wind gesprochen? Die Menschen bleiben
immer bei ihrer Meinung. Wenn man das Gegenteil davon sagt, nennen sie
es dumm. Sagt man es auf witzige Weise, so nennen sie das boshaft, sagt
man es überzeugend, so nennen sie es fanatisch. Außerdem: es muß doch alles
seinen Grund haben. Um nichts und wieder nichts thut ein vernünftiger Mensch
doch nichts. Wenn ich ein Mädchen liebe, so thue ich es doch, weil es schön
ist oder weil es klug ist, oder weil es Geld hat, oder weil der Vater mir zu
einer guten Stelle helfen kann. Wenn ich eine Satire schreibe, so thue ich es
doch, weil ich Honorar dafür bekomme, oder weil ich meine Feinde lächerlich
machen will. Ich verstehe gar nicht, was Sie wollen!

Ich gebe es auf, sagte Dr. Glock. Sprechen Sie, was Sie wollen, ich
gebe es ans.


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[0216] Die Grafen von Altonschwerdt. Fackel immer zu bedienen. Wir aber, wir Schriftsteller, die Ritter vom Geiste, haben die Aufgabe, Lehrer des Volkes zu sein und die Unwissenheit zu bekämpfen. Unser schärfstes Schwert aber ist die Satire, sie durchdringt mit schneidender Kraft den Panzer der Vorurteile, in den die Unwissenheit sich hüllt, und ist von Wirkung, wo alle Waffen der Didaktik versagen. Das ist es, was ich gethan habe: ich habe das Schwert der Satire geschwungen im Hinblick auf die größten und edelsten Ziele, aber die Personen und ihre Kleinlichkeit waren mir völlig gleichgiltig und nicht mehr als diese Puppen, welche jetzt Husar und Bäuerin, im nächsten Augenblick König und Papst sein können, je nach der Rolle, die der Geist ihnen meent. Er warf bei diesen Worten die Puppen den Kindern wieder zu, welche mit offenem Munde dem Streite der beiden Herren zugeschaut und sich nicht in die Nähe getraut hatten, nunmehr aber, wieder im Besitz ihres Eigentums, die Flucht nahmen. Herr Schmidt griff sich an den Kopf, wie in großer Bedrängnis. Ich weiß nicht, sagte er, bin ich verrückt oder sind Sie es? Sie müssen doch einsehen, fuhr Dr. Glock eifrig fort, daß es mir darum zu thun gewesen ist, gesellschaftliche Mißstände zu geißeln und für die Sache des wahren Fortschritts im Sinne echter Menschlichkeit einzutreten. Um das zu können, mußte ich Typen bestimmter Menschenklassen aufstellen, die ich mit dem Witze durchbohrte und hinsichtlich ihrer Schwächen bloßstellte. Abstrakte Phantasiegebilde konnten mir dazu nichts nützen, es mußten Menschen sein mit Fleisch und Bein. Und das wird Holzfurt auch einsehen. Die Menschen sind nicht fo beschränkt, wie Sie denken, und der Witz ist ihnen verständlich. Die Vernünftigen werden lachen, werden die Wahrheit meiner Schilderung einsehen und werden zur Besserung unserer Zustände beitragen. Ich will Ihnen etwas sagen, entgegnete Herr Schmidt, ich verstehe kein Hebräisch und auch kein Aramäisch. Aber wenn Sie in diesen Sprachen redeten, würde es mir ebenso verständlich sein wie dies. Sind denn alle meine Aus¬ führungen Ihnen gegenüber in den Wind gesprochen? Die Menschen bleiben immer bei ihrer Meinung. Wenn man das Gegenteil davon sagt, nennen sie es dumm. Sagt man es auf witzige Weise, so nennen sie das boshaft, sagt man es überzeugend, so nennen sie es fanatisch. Außerdem: es muß doch alles seinen Grund haben. Um nichts und wieder nichts thut ein vernünftiger Mensch doch nichts. Wenn ich ein Mädchen liebe, so thue ich es doch, weil es schön ist oder weil es klug ist, oder weil es Geld hat, oder weil der Vater mir zu einer guten Stelle helfen kann. Wenn ich eine Satire schreibe, so thue ich es doch, weil ich Honorar dafür bekomme, oder weil ich meine Feinde lächerlich machen will. Ich verstehe gar nicht, was Sie wollen! Ich gebe es auf, sagte Dr. Glock. Sprechen Sie, was Sie wollen, ich gebe es ans.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/216>, abgerufen am 03.07.2024.