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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

muß es nur so machen, daß er die Menge auf seiner Seite hat. Aber Ihre
Art und Weise ist eben so ungeschickt wie malitiös!

Dr. Glock sah sein Gegenüber mit dem Ausdruck größter Verwirrung an.
Es begann ihm ein Verständnis aufzugehen, und er durchging in der Erinne¬
rung mit großer Geschwindigkeit seine drei Feuilletonartikel, indem ihm nunmehr
manche der darin enthaltenen Stellen und sogar der Ton des Ganzen in einem
neuen Licht erschienen.

Aber es ist mir gar nicht eingefallen, irgend jemand angreifen, irgend
jemand lächerlich und verächtlich machen zu wollen! rief er, mit der Faust auf
den Tisch schlagend.

Herr Schmidt schüttelte wieder den Kopf.

Das reden Sie mir nicht ein, Herr Doktor, sagte er. Ich will Ihnen
alles glauben, nur das nicht. Ich denke nicht, daß Sie Ihre Sache damit
verbessern können, daß Sie jetzt die Absicht wegleugnen. Nein, das hilft Ihnen
nicht, Sie müssen sich auf etwas andres besinnen. Freilich -- es wird Ihnen
keine Entschuldigung irgend einer Art nützen. Unbegreiflich ist es mir, wie Sie
dazu gekommen sind. Guter Gott, was haben Ihnen die Leute gethan, daß
Sie sie so vornehmen und durchhecheln? Was wollen denn die Menschen, und
worauf ist ihr Streben gerichtet? Sind sie Ihnen im Wege? Sie gehen
friedlich ihren Weg, freuen sich, wenn sie das Leben haben und gesund sind,
sorgen für sich und ihre Kinder, essen ihr Brot und trinken ihr Bier. Und
Sie machen sich ein Vergnügen daraus, sie ironisch zu kritisiren. Und wenn
Sie noch über zweifelhafte Existenzen, über die ärmeren Klassen, wenn Sie
über solche soziale Mängel und Gebrechen hergezogen wären, in deren Tadel
man Ihnen zustimmen könnte! Aber nein, es sind die allerangesehensten, die
allerachtbarsten, die vornehmsten Leute. Gerade gegen diese schießen Sie die
Pfeile der Satire ab. Ich möchte eine Fliege sein, um an den Wänden hinauf
laufen zu können, wenn ich darüber nachdenke. Sie haben der Zeitung und
mir einen Schaden zugefügt, der gar nicht wieder gut zu machen ist. Da ist,
um nur einen Fall zu nennen, der Geheime Rath Thurow, ein so gelehrter,
allgemein beliebter und verehrter Herr und der zudem in den intimsten Beziehungen
zu der Gemahlin des Gerichtspräsidenten steht. Jedes Kind in Holzfurt sagt,
daß Sie auf ihn sticheln in Ihren vermaledeiten Spaziergängerartikeln. Dieser
Fall allein kann genügen, Ihnen den Hals zu brechen. Da ist --

Aber Herr! Aber Herr! rief Dr. Glock wütend und doch lachend. Ich
habe nicht daran gedacht, ihn zu beleidigen. Sehen Sie denn nur nicht ein,
wie dies zusammenhängt? Haben Sie denn nur keinen Begriff von dein Wesen
der Satire? Die Menschen sind edel, die Menschen sind gut! Sie sind nicht
die niedrige Herde, als welche Sie sie darstellen, nur auf die Pflege des
Bauches bedacht, sondern sie sind von dem göttlichen Lichte erfüllt, welches das
All der Schöpfung belebt, und nur die Unwissenheit verhindert sie, sich dieser


Die Grafen von Altenschwerdt.

muß es nur so machen, daß er die Menge auf seiner Seite hat. Aber Ihre
Art und Weise ist eben so ungeschickt wie malitiös!

Dr. Glock sah sein Gegenüber mit dem Ausdruck größter Verwirrung an.
Es begann ihm ein Verständnis aufzugehen, und er durchging in der Erinne¬
rung mit großer Geschwindigkeit seine drei Feuilletonartikel, indem ihm nunmehr
manche der darin enthaltenen Stellen und sogar der Ton des Ganzen in einem
neuen Licht erschienen.

Aber es ist mir gar nicht eingefallen, irgend jemand angreifen, irgend
jemand lächerlich und verächtlich machen zu wollen! rief er, mit der Faust auf
den Tisch schlagend.

Herr Schmidt schüttelte wieder den Kopf.

Das reden Sie mir nicht ein, Herr Doktor, sagte er. Ich will Ihnen
alles glauben, nur das nicht. Ich denke nicht, daß Sie Ihre Sache damit
verbessern können, daß Sie jetzt die Absicht wegleugnen. Nein, das hilft Ihnen
nicht, Sie müssen sich auf etwas andres besinnen. Freilich — es wird Ihnen
keine Entschuldigung irgend einer Art nützen. Unbegreiflich ist es mir, wie Sie
dazu gekommen sind. Guter Gott, was haben Ihnen die Leute gethan, daß
Sie sie so vornehmen und durchhecheln? Was wollen denn die Menschen, und
worauf ist ihr Streben gerichtet? Sind sie Ihnen im Wege? Sie gehen
friedlich ihren Weg, freuen sich, wenn sie das Leben haben und gesund sind,
sorgen für sich und ihre Kinder, essen ihr Brot und trinken ihr Bier. Und
Sie machen sich ein Vergnügen daraus, sie ironisch zu kritisiren. Und wenn
Sie noch über zweifelhafte Existenzen, über die ärmeren Klassen, wenn Sie
über solche soziale Mängel und Gebrechen hergezogen wären, in deren Tadel
man Ihnen zustimmen könnte! Aber nein, es sind die allerangesehensten, die
allerachtbarsten, die vornehmsten Leute. Gerade gegen diese schießen Sie die
Pfeile der Satire ab. Ich möchte eine Fliege sein, um an den Wänden hinauf
laufen zu können, wenn ich darüber nachdenke. Sie haben der Zeitung und
mir einen Schaden zugefügt, der gar nicht wieder gut zu machen ist. Da ist,
um nur einen Fall zu nennen, der Geheime Rath Thurow, ein so gelehrter,
allgemein beliebter und verehrter Herr und der zudem in den intimsten Beziehungen
zu der Gemahlin des Gerichtspräsidenten steht. Jedes Kind in Holzfurt sagt,
daß Sie auf ihn sticheln in Ihren vermaledeiten Spaziergängerartikeln. Dieser
Fall allein kann genügen, Ihnen den Hals zu brechen. Da ist —

Aber Herr! Aber Herr! rief Dr. Glock wütend und doch lachend. Ich
habe nicht daran gedacht, ihn zu beleidigen. Sehen Sie denn nur nicht ein,
wie dies zusammenhängt? Haben Sie denn nur keinen Begriff von dein Wesen
der Satire? Die Menschen sind edel, die Menschen sind gut! Sie sind nicht
die niedrige Herde, als welche Sie sie darstellen, nur auf die Pflege des
Bauches bedacht, sondern sie sind von dem göttlichen Lichte erfüllt, welches das
All der Schöpfung belebt, und nur die Unwissenheit verhindert sie, sich dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/215>, abgerufen am 03.07.2024.