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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Pompejcmische Spaziorgänge.

Volk, welches sich schnell für die Künste Griechenlands gewinnen ließ. Sie er¬
bauten eine wirkliche Stadt mit sehr schönen Monumenten; einzelne von ihnen
sind noch vorhanden und zeigen die Inschriften, welche die Behörden darauf
anbringen ließen. Zu jener Zeit erstieg Pompeji eine hohe Stufe des Reich¬
tunis und der Kultur. Viel eifriger, als Rom es damals wagte, ahmte Pompeji
den Griechen nach. So besaß es eine Ringschule, in welcher sich die jungen
Männer wie in Sparta oder Athen zu gymnastischen Übungen versammelten;
zu einer Zeit, wo die Römer erst noch bloße Bretterbühnen bauten, welche die
darauf gegebenen Schauspiele nicht überlebte", hatte Pompeji bereits ein steinernes
Theater; der Isis, die in Rom offiziell erst unter den Flavieren Eingang fand,
errichtete es ganz offen einen Tempel. Damals also und lange, ehe sie römisch
geworden, hat dort griechische Gesittung so tiefe Wurzel geschlagen. Der Umstand,
daß die kleine Stadt so gern vom Auslande mancherlei entlehnte, hinderte sie
durchaus nicht, eifrig über ihre Unabhängigkeit zu wachen. Im Bundesgenossen^
kriege verteidigte sie dieselbe mutig gegen die Römer, und Sulla bezwang sie
nur mit großer Mühe. Nach ihrer Unterwerfung sandte er drei Veteraneukohorten
mit ihren Familien hin und machte aus der Stadt eine Kolonie, die seinen
Namen trug (Lolvnis. Lornslia). Ihr Gedeihen hatte unter der neuen Herr¬
schaft, in die sie sich gutwillig fügte, nicht zu leiden. Wenig später sagt Cicero
in seinem Lobe Campcmiens, die Städte seien dort so schön, so reich, so gut
gebaut, daß ihre Bewohner ein Recht Hütten, über die armen alten Gemeinden
von Latium zu spotten, und unter diesen schönen Städten, auf welche die Latiner
eifersüchtig sein müßten, nennt er Pompeji.*)

Seitdem Fiorellis einleitende Arbeiten beendigt sind und seit wir einen
genauern und vollständiger" Plan der bisher ausgegrabenen Quartiere besitzen,
können wir besser als früher erkennen, daß die Stadt regelmäßig angelegt ist,
daß die Straßen im allgemeinen geradlinig sind und sich rechtwinklig schneiden.
Es ist nicht anzunehmen, daß die Architekten, welche Pompeji nach seinem ersten
Mißgeschick wieder aushaltem, diese Regelmäßigkeit neu einführten. Fiorelli glaubt,
daß dieselbe schon in der ursprünglichen Ansiedelung vorhanden gewesen sei. Die
alten Jtaliker, die sich zuerst an den Ufern des Sarnus niederließen, hatten eine
besondere Art ihre Städte anzulegen und erbauten sie in der Regel nach dem¬
selben Grundplane. Nach Errichtung der Ringmauer zogen sie zwei lothrecht
einander schneidende Linien, die eine von Nord nach Süd, vÄräo genannt, die
andere von Ost nach West, der äseumMus. Dies waren die beiden Haupt¬
straßen, von welchen sich dann später alle übrigen abzweigten. Der Äselim-uius
und der varäo sind in Pompeji noch sichtbar. Da wir ihre Richtung sehen und
da es feststeht, daß diese in den freigelegten Stadtvierteln beobachtete Regel¬
mäßigkeit sich auch in den übrigen wiederfand, sind wir imstande, uns nach



5) Cicero, vo Is^o sxrsr. II, 35. Herculmieum wird hier nicht genannt.
Pompejcmische Spaziorgänge.

Volk, welches sich schnell für die Künste Griechenlands gewinnen ließ. Sie er¬
bauten eine wirkliche Stadt mit sehr schönen Monumenten; einzelne von ihnen
sind noch vorhanden und zeigen die Inschriften, welche die Behörden darauf
anbringen ließen. Zu jener Zeit erstieg Pompeji eine hohe Stufe des Reich¬
tunis und der Kultur. Viel eifriger, als Rom es damals wagte, ahmte Pompeji
den Griechen nach. So besaß es eine Ringschule, in welcher sich die jungen
Männer wie in Sparta oder Athen zu gymnastischen Übungen versammelten;
zu einer Zeit, wo die Römer erst noch bloße Bretterbühnen bauten, welche die
darauf gegebenen Schauspiele nicht überlebte», hatte Pompeji bereits ein steinernes
Theater; der Isis, die in Rom offiziell erst unter den Flavieren Eingang fand,
errichtete es ganz offen einen Tempel. Damals also und lange, ehe sie römisch
geworden, hat dort griechische Gesittung so tiefe Wurzel geschlagen. Der Umstand,
daß die kleine Stadt so gern vom Auslande mancherlei entlehnte, hinderte sie
durchaus nicht, eifrig über ihre Unabhängigkeit zu wachen. Im Bundesgenossen^
kriege verteidigte sie dieselbe mutig gegen die Römer, und Sulla bezwang sie
nur mit großer Mühe. Nach ihrer Unterwerfung sandte er drei Veteraneukohorten
mit ihren Familien hin und machte aus der Stadt eine Kolonie, die seinen
Namen trug (Lolvnis. Lornslia). Ihr Gedeihen hatte unter der neuen Herr¬
schaft, in die sie sich gutwillig fügte, nicht zu leiden. Wenig später sagt Cicero
in seinem Lobe Campcmiens, die Städte seien dort so schön, so reich, so gut
gebaut, daß ihre Bewohner ein Recht Hütten, über die armen alten Gemeinden
von Latium zu spotten, und unter diesen schönen Städten, auf welche die Latiner
eifersüchtig sein müßten, nennt er Pompeji.*)

Seitdem Fiorellis einleitende Arbeiten beendigt sind und seit wir einen
genauern und vollständiger« Plan der bisher ausgegrabenen Quartiere besitzen,
können wir besser als früher erkennen, daß die Stadt regelmäßig angelegt ist,
daß die Straßen im allgemeinen geradlinig sind und sich rechtwinklig schneiden.
Es ist nicht anzunehmen, daß die Architekten, welche Pompeji nach seinem ersten
Mißgeschick wieder aushaltem, diese Regelmäßigkeit neu einführten. Fiorelli glaubt,
daß dieselbe schon in der ursprünglichen Ansiedelung vorhanden gewesen sei. Die
alten Jtaliker, die sich zuerst an den Ufern des Sarnus niederließen, hatten eine
besondere Art ihre Städte anzulegen und erbauten sie in der Regel nach dem¬
selben Grundplane. Nach Errichtung der Ringmauer zogen sie zwei lothrecht
einander schneidende Linien, die eine von Nord nach Süd, vÄräo genannt, die
andere von Ost nach West, der äseumMus. Dies waren die beiden Haupt¬
straßen, von welchen sich dann später alle übrigen abzweigten. Der Äselim-uius
und der varäo sind in Pompeji noch sichtbar. Da wir ihre Richtung sehen und
da es feststeht, daß diese in den freigelegten Stadtvierteln beobachtete Regel¬
mäßigkeit sich auch in den übrigen wiederfand, sind wir imstande, uns nach



5) Cicero, vo Is^o sxrsr. II, 35. Herculmieum wird hier nicht genannt.
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[0190] Pompejcmische Spaziorgänge. Volk, welches sich schnell für die Künste Griechenlands gewinnen ließ. Sie er¬ bauten eine wirkliche Stadt mit sehr schönen Monumenten; einzelne von ihnen sind noch vorhanden und zeigen die Inschriften, welche die Behörden darauf anbringen ließen. Zu jener Zeit erstieg Pompeji eine hohe Stufe des Reich¬ tunis und der Kultur. Viel eifriger, als Rom es damals wagte, ahmte Pompeji den Griechen nach. So besaß es eine Ringschule, in welcher sich die jungen Männer wie in Sparta oder Athen zu gymnastischen Übungen versammelten; zu einer Zeit, wo die Römer erst noch bloße Bretterbühnen bauten, welche die darauf gegebenen Schauspiele nicht überlebte», hatte Pompeji bereits ein steinernes Theater; der Isis, die in Rom offiziell erst unter den Flavieren Eingang fand, errichtete es ganz offen einen Tempel. Damals also und lange, ehe sie römisch geworden, hat dort griechische Gesittung so tiefe Wurzel geschlagen. Der Umstand, daß die kleine Stadt so gern vom Auslande mancherlei entlehnte, hinderte sie durchaus nicht, eifrig über ihre Unabhängigkeit zu wachen. Im Bundesgenossen^ kriege verteidigte sie dieselbe mutig gegen die Römer, und Sulla bezwang sie nur mit großer Mühe. Nach ihrer Unterwerfung sandte er drei Veteraneukohorten mit ihren Familien hin und machte aus der Stadt eine Kolonie, die seinen Namen trug (Lolvnis. Lornslia). Ihr Gedeihen hatte unter der neuen Herr¬ schaft, in die sie sich gutwillig fügte, nicht zu leiden. Wenig später sagt Cicero in seinem Lobe Campcmiens, die Städte seien dort so schön, so reich, so gut gebaut, daß ihre Bewohner ein Recht Hütten, über die armen alten Gemeinden von Latium zu spotten, und unter diesen schönen Städten, auf welche die Latiner eifersüchtig sein müßten, nennt er Pompeji.*) Seitdem Fiorellis einleitende Arbeiten beendigt sind und seit wir einen genauern und vollständiger« Plan der bisher ausgegrabenen Quartiere besitzen, können wir besser als früher erkennen, daß die Stadt regelmäßig angelegt ist, daß die Straßen im allgemeinen geradlinig sind und sich rechtwinklig schneiden. Es ist nicht anzunehmen, daß die Architekten, welche Pompeji nach seinem ersten Mißgeschick wieder aushaltem, diese Regelmäßigkeit neu einführten. Fiorelli glaubt, daß dieselbe schon in der ursprünglichen Ansiedelung vorhanden gewesen sei. Die alten Jtaliker, die sich zuerst an den Ufern des Sarnus niederließen, hatten eine besondere Art ihre Städte anzulegen und erbauten sie in der Regel nach dem¬ selben Grundplane. Nach Errichtung der Ringmauer zogen sie zwei lothrecht einander schneidende Linien, die eine von Nord nach Süd, vÄräo genannt, die andere von Ost nach West, der äseumMus. Dies waren die beiden Haupt¬ straßen, von welchen sich dann später alle übrigen abzweigten. Der Äselim-uius und der varäo sind in Pompeji noch sichtbar. Da wir ihre Richtung sehen und da es feststeht, daß diese in den freigelegten Stadtvierteln beobachtete Regel¬ mäßigkeit sich auch in den übrigen wiederfand, sind wir imstande, uns nach 5) Cicero, vo Is^o sxrsr. II, 35. Herculmieum wird hier nicht genannt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/190>, abgerufen am 01.10.2024.