Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Tripelallianz.

Armee innehalten, und die Ordnung und das Eigentum so gut gesichert waren
als unter irgendeiner monarchischen Regierung. Die demokratische, die radi¬
kale Republik, die darauf folgte, hat das anders werden lassen, sie hat nament¬
lich die Franzosen mehr getrennt als irgendein andres Regime, sie ist ganz
und gar unfähig, Verbündete zu gewinnen, da keine fremde Macht daran denken
kann, mit einem Ministerium sich zu verständigen, das morgen schon einem an¬
dern Platz zu machen gezwungen werden kann, welches ganz verschiedne Grundsätze
vertritt. Das muß den Gambettisten allerdings als unerfreuliche Folge ihres
Strebens, als verdrießliche Beigabe zu der Republik erscheinen, die sie geschaffen
haben; denn sie geberdeten sich Jahre hindurch als Partei der Zukunft und der
Rache an Deutschland. Uns und ganz Europa ist das durch ihre Thätigkeit
vorzüglich zahm gewordne Frankreich eine willkommene Bereicherung der euro¬
päischen Menagerie. Verspräche diese notwendig friedliche, wegen innerer Streitig¬
keiten schwache Republik Dauer, so wären Vorsichtsmaßregeln gegen sie kaum
von nöten. Wir hegen aber gegründete Zweifel an dieser Dauer, einmal wegen
des Charakters der Franzosen an sich, der den Wechsel liebt, dann wegen des
Wesens der demokratischen Republik, die wenigstens unter romanischen Völkern
immer über kurz oder lang zu Übertreibungen des Prinzips und durch diese zur
Reaktion, zur Säbelherrschaft und zur mehr oder minder despotischen Monarchie
führte. Jetzt ist dafür gesorgt, daß für das Eintreten dieses Falles, der mit
derselben Notwendigkeit mit Kriegen gegen die Nachbarn endigen muß, solchen
Ausschreitungen eine tüchtige Schranke gesetzt ist. Frankreich würde sich dann
im Süden und Osten einer gewaltigen Tripelallianz gegenüber sehen. Vielleicht
existirt kein schriftlicher Vertrag zu diesem Zwecke, ganz unzweifelhaft aber ist
es nach der offiziösen deutschen Presse und nach den neuesten Erklärungen Man-
einis im italienischen Senate zu einem klaren Einverstündnisse der drei Mächte
gekommen, dem zufolge Frankreich keine einzelne derselben angreifen darf, ohne
die beiden andern sich in Waffen gegenüberzuseheu. Das ist das Gegenteil von
dem Zustande Europas unter Napoleon III. Er griff Nußland in der Krim an,
während Österreich und Preußen unthätig blieben. Er führte Krieg mit Öster¬
reich, während Preußen und Nußland Gewehr beim Fuß dabei stauben. Er
war 187V auf dem Wege, Deutschland allein anzufallen. Die Republik wird
das alte Spiel nicht wiederholen, und ein aus ihr etwa hervorgehender König
oder Kaiser der Franzosen auch nicht. Frankreich muß es jetzt, wenn es durchaus
mit einem der Nachbarn anbinden will, mit dreien aufnehmen, und dieser Auf¬
gabe ist es nicht gewachsen und wird es niemals gewachsen sein. Es wird daher
nicht so unsinnig sein, mit dem Kopfe gegen die Mauer einer neuen Koalition
zu rennen, die, ungleich den früheren, eine rein defensive ist und vermutlich
bleiben wird.

Daß die Allianz der drei Mächte, oder wie man die Übereinkunft derselben
sonst nennen will, in der That nur friedliche Zwecke verfolgt, geht deutlich aus


Die Tripelallianz.

Armee innehalten, und die Ordnung und das Eigentum so gut gesichert waren
als unter irgendeiner monarchischen Regierung. Die demokratische, die radi¬
kale Republik, die darauf folgte, hat das anders werden lassen, sie hat nament¬
lich die Franzosen mehr getrennt als irgendein andres Regime, sie ist ganz
und gar unfähig, Verbündete zu gewinnen, da keine fremde Macht daran denken
kann, mit einem Ministerium sich zu verständigen, das morgen schon einem an¬
dern Platz zu machen gezwungen werden kann, welches ganz verschiedne Grundsätze
vertritt. Das muß den Gambettisten allerdings als unerfreuliche Folge ihres
Strebens, als verdrießliche Beigabe zu der Republik erscheinen, die sie geschaffen
haben; denn sie geberdeten sich Jahre hindurch als Partei der Zukunft und der
Rache an Deutschland. Uns und ganz Europa ist das durch ihre Thätigkeit
vorzüglich zahm gewordne Frankreich eine willkommene Bereicherung der euro¬
päischen Menagerie. Verspräche diese notwendig friedliche, wegen innerer Streitig¬
keiten schwache Republik Dauer, so wären Vorsichtsmaßregeln gegen sie kaum
von nöten. Wir hegen aber gegründete Zweifel an dieser Dauer, einmal wegen
des Charakters der Franzosen an sich, der den Wechsel liebt, dann wegen des
Wesens der demokratischen Republik, die wenigstens unter romanischen Völkern
immer über kurz oder lang zu Übertreibungen des Prinzips und durch diese zur
Reaktion, zur Säbelherrschaft und zur mehr oder minder despotischen Monarchie
führte. Jetzt ist dafür gesorgt, daß für das Eintreten dieses Falles, der mit
derselben Notwendigkeit mit Kriegen gegen die Nachbarn endigen muß, solchen
Ausschreitungen eine tüchtige Schranke gesetzt ist. Frankreich würde sich dann
im Süden und Osten einer gewaltigen Tripelallianz gegenüber sehen. Vielleicht
existirt kein schriftlicher Vertrag zu diesem Zwecke, ganz unzweifelhaft aber ist
es nach der offiziösen deutschen Presse und nach den neuesten Erklärungen Man-
einis im italienischen Senate zu einem klaren Einverstündnisse der drei Mächte
gekommen, dem zufolge Frankreich keine einzelne derselben angreifen darf, ohne
die beiden andern sich in Waffen gegenüberzuseheu. Das ist das Gegenteil von
dem Zustande Europas unter Napoleon III. Er griff Nußland in der Krim an,
während Österreich und Preußen unthätig blieben. Er führte Krieg mit Öster¬
reich, während Preußen und Nußland Gewehr beim Fuß dabei stauben. Er
war 187V auf dem Wege, Deutschland allein anzufallen. Die Republik wird
das alte Spiel nicht wiederholen, und ein aus ihr etwa hervorgehender König
oder Kaiser der Franzosen auch nicht. Frankreich muß es jetzt, wenn es durchaus
mit einem der Nachbarn anbinden will, mit dreien aufnehmen, und dieser Auf¬
gabe ist es nicht gewachsen und wird es niemals gewachsen sein. Es wird daher
nicht so unsinnig sein, mit dem Kopfe gegen die Mauer einer neuen Koalition
zu rennen, die, ungleich den früheren, eine rein defensive ist und vermutlich
bleiben wird.

Daß die Allianz der drei Mächte, oder wie man die Übereinkunft derselben
sonst nennen will, in der That nur friedliche Zwecke verfolgt, geht deutlich aus


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152924"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Tripelallianz.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_711" prev="#ID_710"> Armee innehalten, und die Ordnung und das Eigentum so gut gesichert waren<lb/>
als unter irgendeiner monarchischen Regierung. Die demokratische, die radi¬<lb/>
kale Republik, die darauf folgte, hat das anders werden lassen, sie hat nament¬<lb/>
lich die Franzosen mehr getrennt als irgendein andres Regime, sie ist ganz<lb/>
und gar unfähig, Verbündete zu gewinnen, da keine fremde Macht daran denken<lb/>
kann, mit einem Ministerium sich zu verständigen, das morgen schon einem an¬<lb/>
dern Platz zu machen gezwungen werden kann, welches ganz verschiedne Grundsätze<lb/>
vertritt. Das muß den Gambettisten allerdings als unerfreuliche Folge ihres<lb/>
Strebens, als verdrießliche Beigabe zu der Republik erscheinen, die sie geschaffen<lb/>
haben; denn sie geberdeten sich Jahre hindurch als Partei der Zukunft und der<lb/>
Rache an Deutschland. Uns und ganz Europa ist das durch ihre Thätigkeit<lb/>
vorzüglich zahm gewordne Frankreich eine willkommene Bereicherung der euro¬<lb/>
päischen Menagerie. Verspräche diese notwendig friedliche, wegen innerer Streitig¬<lb/>
keiten schwache Republik Dauer, so wären Vorsichtsmaßregeln gegen sie kaum<lb/>
von nöten. Wir hegen aber gegründete Zweifel an dieser Dauer, einmal wegen<lb/>
des Charakters der Franzosen an sich, der den Wechsel liebt, dann wegen des<lb/>
Wesens der demokratischen Republik, die wenigstens unter romanischen Völkern<lb/>
immer über kurz oder lang zu Übertreibungen des Prinzips und durch diese zur<lb/>
Reaktion, zur Säbelherrschaft und zur mehr oder minder despotischen Monarchie<lb/>
führte. Jetzt ist dafür gesorgt, daß für das Eintreten dieses Falles, der mit<lb/>
derselben Notwendigkeit mit Kriegen gegen die Nachbarn endigen muß, solchen<lb/>
Ausschreitungen eine tüchtige Schranke gesetzt ist. Frankreich würde sich dann<lb/>
im Süden und Osten einer gewaltigen Tripelallianz gegenüber sehen. Vielleicht<lb/>
existirt kein schriftlicher Vertrag zu diesem Zwecke, ganz unzweifelhaft aber ist<lb/>
es nach der offiziösen deutschen Presse und nach den neuesten Erklärungen Man-<lb/>
einis im italienischen Senate zu einem klaren Einverstündnisse der drei Mächte<lb/>
gekommen, dem zufolge Frankreich keine einzelne derselben angreifen darf, ohne<lb/>
die beiden andern sich in Waffen gegenüberzuseheu. Das ist das Gegenteil von<lb/>
dem Zustande Europas unter Napoleon III. Er griff Nußland in der Krim an,<lb/>
während Österreich und Preußen unthätig blieben. Er führte Krieg mit Öster¬<lb/>
reich, während Preußen und Nußland Gewehr beim Fuß dabei stauben. Er<lb/>
war 187V auf dem Wege, Deutschland allein anzufallen. Die Republik wird<lb/>
das alte Spiel nicht wiederholen, und ein aus ihr etwa hervorgehender König<lb/>
oder Kaiser der Franzosen auch nicht. Frankreich muß es jetzt, wenn es durchaus<lb/>
mit einem der Nachbarn anbinden will, mit dreien aufnehmen, und dieser Auf¬<lb/>
gabe ist es nicht gewachsen und wird es niemals gewachsen sein. Es wird daher<lb/>
nicht so unsinnig sein, mit dem Kopfe gegen die Mauer einer neuen Koalition<lb/>
zu rennen, die, ungleich den früheren, eine rein defensive ist und vermutlich<lb/>
bleiben wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_712" next="#ID_713"> Daß die Allianz der drei Mächte, oder wie man die Übereinkunft derselben<lb/>
sonst nennen will, in der That nur friedliche Zwecke verfolgt, geht deutlich aus</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0175] Die Tripelallianz. Armee innehalten, und die Ordnung und das Eigentum so gut gesichert waren als unter irgendeiner monarchischen Regierung. Die demokratische, die radi¬ kale Republik, die darauf folgte, hat das anders werden lassen, sie hat nament¬ lich die Franzosen mehr getrennt als irgendein andres Regime, sie ist ganz und gar unfähig, Verbündete zu gewinnen, da keine fremde Macht daran denken kann, mit einem Ministerium sich zu verständigen, das morgen schon einem an¬ dern Platz zu machen gezwungen werden kann, welches ganz verschiedne Grundsätze vertritt. Das muß den Gambettisten allerdings als unerfreuliche Folge ihres Strebens, als verdrießliche Beigabe zu der Republik erscheinen, die sie geschaffen haben; denn sie geberdeten sich Jahre hindurch als Partei der Zukunft und der Rache an Deutschland. Uns und ganz Europa ist das durch ihre Thätigkeit vorzüglich zahm gewordne Frankreich eine willkommene Bereicherung der euro¬ päischen Menagerie. Verspräche diese notwendig friedliche, wegen innerer Streitig¬ keiten schwache Republik Dauer, so wären Vorsichtsmaßregeln gegen sie kaum von nöten. Wir hegen aber gegründete Zweifel an dieser Dauer, einmal wegen des Charakters der Franzosen an sich, der den Wechsel liebt, dann wegen des Wesens der demokratischen Republik, die wenigstens unter romanischen Völkern immer über kurz oder lang zu Übertreibungen des Prinzips und durch diese zur Reaktion, zur Säbelherrschaft und zur mehr oder minder despotischen Monarchie führte. Jetzt ist dafür gesorgt, daß für das Eintreten dieses Falles, der mit derselben Notwendigkeit mit Kriegen gegen die Nachbarn endigen muß, solchen Ausschreitungen eine tüchtige Schranke gesetzt ist. Frankreich würde sich dann im Süden und Osten einer gewaltigen Tripelallianz gegenüber sehen. Vielleicht existirt kein schriftlicher Vertrag zu diesem Zwecke, ganz unzweifelhaft aber ist es nach der offiziösen deutschen Presse und nach den neuesten Erklärungen Man- einis im italienischen Senate zu einem klaren Einverstündnisse der drei Mächte gekommen, dem zufolge Frankreich keine einzelne derselben angreifen darf, ohne die beiden andern sich in Waffen gegenüberzuseheu. Das ist das Gegenteil von dem Zustande Europas unter Napoleon III. Er griff Nußland in der Krim an, während Österreich und Preußen unthätig blieben. Er führte Krieg mit Öster¬ reich, während Preußen und Nußland Gewehr beim Fuß dabei stauben. Er war 187V auf dem Wege, Deutschland allein anzufallen. Die Republik wird das alte Spiel nicht wiederholen, und ein aus ihr etwa hervorgehender König oder Kaiser der Franzosen auch nicht. Frankreich muß es jetzt, wenn es durchaus mit einem der Nachbarn anbinden will, mit dreien aufnehmen, und dieser Auf¬ gabe ist es nicht gewachsen und wird es niemals gewachsen sein. Es wird daher nicht so unsinnig sein, mit dem Kopfe gegen die Mauer einer neuen Koalition zu rennen, die, ungleich den früheren, eine rein defensive ist und vermutlich bleiben wird. Daß die Allianz der drei Mächte, oder wie man die Übereinkunft derselben sonst nennen will, in der That nur friedliche Zwecke verfolgt, geht deutlich aus

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/175
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/175>, abgerufen am 03.07.2024.