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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Tripelallianz.

"Unsre Verfassungsgesetze werden als oberste Bürgschaft für den Frieden Europas
hingestellt, und es wird die Meinung ausgesprochen, nur eine Umwälzung könne
unsre kriegerischen Neigungen wieder aufleben lassen, indem sie einen Mann
oder ein Prinzip ans Ruder brächte, die ihre Stellung dadurch stärkten, daß
sie die Aufmerksamkeit der Nation nach auswärts lenkten. Wir sind so glücklich,
Herrn von Bismarck und seinen Sekretär benachrichtige" zu können, daß kein
Mensch in der Welt imstande sein wird, unsre Nation zu einem Eroberungs¬
kriege fortzureißen. sFuchs vor zu hoch hängenden Trauben!^ Die Epoche dyna¬
stischer Kriegszüge ist für immer vorüber. sÄber Wiedereroberuugs-, Rachekriege,
wie stehts damit?j Wenn andrerseits Herr von Bismarck sich einbildet, daß
unsre jetzigen Institutionen uns bewegen würde", im mindesten zu zögern, wenn
es gälte, unser Recht und unsre Ehre zu verteidigen, so ist er ganz ungeheuer
schlecht unterrichtet. ^Kampf mit Windmühlen! Wer hatte vermutet, was hier
emphatisch widerlegt wird?j. . . Die Republik wird niemand angreife", aber
sich bei allen geachtet zu machen wissen. Unsre Regierungsform dem Wohl¬
wollen Europas zu empfehlen als das einzige Schutzmittel gegen die angeblichen
kriegerische" Instinkte der Nation, heißt sowohl die Nation als die Republik
beleidigen. Es giebt keinen Franzosen, sei er Republikaner oder Monarchist,
der die Beleidigung nicht fühlte. Wir sind nicht gewohnt, die Einrichttmgen
unsrer Nachbarn zu tadeln oder zu loben. Wir nehmen weder für Herrn von
Bismarck noch für Herrn Richter Partei, und wir lassen die Deutschen, die
Österreicher und die Italiener sich so regieren, wie es ihnen passend scheint.
Beobachtet uns, wenn es beliebt, schließt Defensivbündnisfc gegen uns ab, wenn
ihr euer Sicherheitsgefühl dadurch verstärkt. Uns ists gleichgiltig, denn wir
werden keines Verbündeten bedürfen, wenn wir aufgerufen werden, uns zu
verteidigen. Aber um des Himmels willen, verschont uns mit euren Rat¬
schlägen in Betreff der Verfassung, die für uns am besten paßt. Unter einer
Republik wie unter einer Monarchie ist Frankreich für Fremde nur Frankreich,
ohne Beiwort."

Wir lassen uns die Freude an der überaus friedfertigen Gesinnung des
gambettistischen Blattes nicht durch das Großthun desselben vor der nicht vor¬
handenen Gefahr eines Angriffs der Nachbarn auf Frankreich verbittern, auch
nicht durch die Erinnerung, daß es früher anders dachte und mit der Revanche
liebäugelte, oder durch die Betrachtung, daß man Frieden zu halten gezwungen
ist. Aber ein paar Worte über diese Notwendigkeit und ihre Gründe werden
am Orte sein. Es gab eine Zeit, wo Thiers in Wahrheit sagen konnte, die
Republik sei das Programm, welches die Franzosen am wenigsten trenne. Es
war die Epoche der konservativen Republik, wo der Regierung jeder recht war,
der Frankreich seine Dienste weihen wollte, wo ehemalige Orleanisten wichtige
Stellen in der Verwaltung bekleideten, Herzöge mit legitimistischen Anfluge Frank¬
reich im Auslande vertraten, die Söhne Ludwig Philipps hohe Posten in der


Die Tripelallianz.

„Unsre Verfassungsgesetze werden als oberste Bürgschaft für den Frieden Europas
hingestellt, und es wird die Meinung ausgesprochen, nur eine Umwälzung könne
unsre kriegerischen Neigungen wieder aufleben lassen, indem sie einen Mann
oder ein Prinzip ans Ruder brächte, die ihre Stellung dadurch stärkten, daß
sie die Aufmerksamkeit der Nation nach auswärts lenkten. Wir sind so glücklich,
Herrn von Bismarck und seinen Sekretär benachrichtige» zu können, daß kein
Mensch in der Welt imstande sein wird, unsre Nation zu einem Eroberungs¬
kriege fortzureißen. sFuchs vor zu hoch hängenden Trauben!^ Die Epoche dyna¬
stischer Kriegszüge ist für immer vorüber. sÄber Wiedereroberuugs-, Rachekriege,
wie stehts damit?j Wenn andrerseits Herr von Bismarck sich einbildet, daß
unsre jetzigen Institutionen uns bewegen würde», im mindesten zu zögern, wenn
es gälte, unser Recht und unsre Ehre zu verteidigen, so ist er ganz ungeheuer
schlecht unterrichtet. ^Kampf mit Windmühlen! Wer hatte vermutet, was hier
emphatisch widerlegt wird?j. . . Die Republik wird niemand angreife», aber
sich bei allen geachtet zu machen wissen. Unsre Regierungsform dem Wohl¬
wollen Europas zu empfehlen als das einzige Schutzmittel gegen die angeblichen
kriegerische» Instinkte der Nation, heißt sowohl die Nation als die Republik
beleidigen. Es giebt keinen Franzosen, sei er Republikaner oder Monarchist,
der die Beleidigung nicht fühlte. Wir sind nicht gewohnt, die Einrichttmgen
unsrer Nachbarn zu tadeln oder zu loben. Wir nehmen weder für Herrn von
Bismarck noch für Herrn Richter Partei, und wir lassen die Deutschen, die
Österreicher und die Italiener sich so regieren, wie es ihnen passend scheint.
Beobachtet uns, wenn es beliebt, schließt Defensivbündnisfc gegen uns ab, wenn
ihr euer Sicherheitsgefühl dadurch verstärkt. Uns ists gleichgiltig, denn wir
werden keines Verbündeten bedürfen, wenn wir aufgerufen werden, uns zu
verteidigen. Aber um des Himmels willen, verschont uns mit euren Rat¬
schlägen in Betreff der Verfassung, die für uns am besten paßt. Unter einer
Republik wie unter einer Monarchie ist Frankreich für Fremde nur Frankreich,
ohne Beiwort."

Wir lassen uns die Freude an der überaus friedfertigen Gesinnung des
gambettistischen Blattes nicht durch das Großthun desselben vor der nicht vor¬
handenen Gefahr eines Angriffs der Nachbarn auf Frankreich verbittern, auch
nicht durch die Erinnerung, daß es früher anders dachte und mit der Revanche
liebäugelte, oder durch die Betrachtung, daß man Frieden zu halten gezwungen
ist. Aber ein paar Worte über diese Notwendigkeit und ihre Gründe werden
am Orte sein. Es gab eine Zeit, wo Thiers in Wahrheit sagen konnte, die
Republik sei das Programm, welches die Franzosen am wenigsten trenne. Es
war die Epoche der konservativen Republik, wo der Regierung jeder recht war,
der Frankreich seine Dienste weihen wollte, wo ehemalige Orleanisten wichtige
Stellen in der Verwaltung bekleideten, Herzöge mit legitimistischen Anfluge Frank¬
reich im Auslande vertraten, die Söhne Ludwig Philipps hohe Posten in der


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[0174] Die Tripelallianz. „Unsre Verfassungsgesetze werden als oberste Bürgschaft für den Frieden Europas hingestellt, und es wird die Meinung ausgesprochen, nur eine Umwälzung könne unsre kriegerischen Neigungen wieder aufleben lassen, indem sie einen Mann oder ein Prinzip ans Ruder brächte, die ihre Stellung dadurch stärkten, daß sie die Aufmerksamkeit der Nation nach auswärts lenkten. Wir sind so glücklich, Herrn von Bismarck und seinen Sekretär benachrichtige» zu können, daß kein Mensch in der Welt imstande sein wird, unsre Nation zu einem Eroberungs¬ kriege fortzureißen. sFuchs vor zu hoch hängenden Trauben!^ Die Epoche dyna¬ stischer Kriegszüge ist für immer vorüber. sÄber Wiedereroberuugs-, Rachekriege, wie stehts damit?j Wenn andrerseits Herr von Bismarck sich einbildet, daß unsre jetzigen Institutionen uns bewegen würde», im mindesten zu zögern, wenn es gälte, unser Recht und unsre Ehre zu verteidigen, so ist er ganz ungeheuer schlecht unterrichtet. ^Kampf mit Windmühlen! Wer hatte vermutet, was hier emphatisch widerlegt wird?j. . . Die Republik wird niemand angreife», aber sich bei allen geachtet zu machen wissen. Unsre Regierungsform dem Wohl¬ wollen Europas zu empfehlen als das einzige Schutzmittel gegen die angeblichen kriegerische» Instinkte der Nation, heißt sowohl die Nation als die Republik beleidigen. Es giebt keinen Franzosen, sei er Republikaner oder Monarchist, der die Beleidigung nicht fühlte. Wir sind nicht gewohnt, die Einrichttmgen unsrer Nachbarn zu tadeln oder zu loben. Wir nehmen weder für Herrn von Bismarck noch für Herrn Richter Partei, und wir lassen die Deutschen, die Österreicher und die Italiener sich so regieren, wie es ihnen passend scheint. Beobachtet uns, wenn es beliebt, schließt Defensivbündnisfc gegen uns ab, wenn ihr euer Sicherheitsgefühl dadurch verstärkt. Uns ists gleichgiltig, denn wir werden keines Verbündeten bedürfen, wenn wir aufgerufen werden, uns zu verteidigen. Aber um des Himmels willen, verschont uns mit euren Rat¬ schlägen in Betreff der Verfassung, die für uns am besten paßt. Unter einer Republik wie unter einer Monarchie ist Frankreich für Fremde nur Frankreich, ohne Beiwort." Wir lassen uns die Freude an der überaus friedfertigen Gesinnung des gambettistischen Blattes nicht durch das Großthun desselben vor der nicht vor¬ handenen Gefahr eines Angriffs der Nachbarn auf Frankreich verbittern, auch nicht durch die Erinnerung, daß es früher anders dachte und mit der Revanche liebäugelte, oder durch die Betrachtung, daß man Frieden zu halten gezwungen ist. Aber ein paar Worte über diese Notwendigkeit und ihre Gründe werden am Orte sein. Es gab eine Zeit, wo Thiers in Wahrheit sagen konnte, die Republik sei das Programm, welches die Franzosen am wenigsten trenne. Es war die Epoche der konservativen Republik, wo der Regierung jeder recht war, der Frankreich seine Dienste weihen wollte, wo ehemalige Orleanisten wichtige Stellen in der Verwaltung bekleideten, Herzöge mit legitimistischen Anfluge Frank¬ reich im Auslande vertraten, die Söhne Ludwig Philipps hohe Posten in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/174>, abgerufen am 03.07.2024.