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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Tripelallianz.

"Barmherziger Himmel, was für plumpe Gesellen diese Deutschen doch sind,
und wie wenig nationale Würde sie besitzen! Wahrscheinlich bildete sich die
"norddeutsche Allgemeine Zeitung" ein, es werde den Freunden unsrer Ein¬
richtungen gefallen, wenn sie ihnen ihre Unterstützung anbote. Die Reichskanzlei,
von der man glaubt, sie inspirire ihre Artikel, mag gedacht haben, daß diese
drohenden Winke der Republik gegen die monarchischen Prätendenten nützlich
sein könnten, aber es würde schwer fallen, wenn man den Mangel an Takt
weiter treiben wollte. Versteht sechs denn etwa von selbst, daß Frankreich
Deutschland um Rat fragt, ehe es sich darüber entscheidet, was es zu Hanse
thun soll, daß seine Parteien sich erkundigen, wie weit sie gehen dürfen, ohne
sich Bemerkungen von feiten der deutschen Reichskauzlei auf den Hals zu ziehen?
Die "norddeutsche Allgemeine Zeitung" der wir antworten, hat vollkommen
recht, wenn sie sagt, daß Frankreich niemals auf jemand den Eindruck gemacht
hat, es wolle den Frieden stören, sie befindet sich aber in einem bedauerlichen
Irrtume, wenn sie meint, daß in Frankreich nicht alle Parteien in dem Ent¬
schlüsse einig seien, Herren im eignen Lande zu sein und die Unabhängigkeit
der Nation aufrecht zu erhalten."

An demselben Tage klagte Paul de Cassagnac im ?s./s bitterlich: "Der
Fremde ists jetzt, der in Frankreich die Republik bewacht und stützt. Was
für eine Schande für die Republik, die ihre Fortexistenz einzig und allein den
Fremden dankt! Wenn es weiterer Beweise bedürfte, um zu zeigen, wie ver¬
hängnisvoll die Republik für uns ist, so würden wir sie in diesem deutschen
Artikel finden, der so treu die Beweggründe zu dieser gegen unser unglückliches
Vaterland gerichteten Tripelallianz ausdrückt."

Ganz außer sich geberdete sich das Blatt der Gambettisten, die R6Mi)1la.us
I'i-MeMSö; sie wurde vor Verdruß sarkastisch und bedauernswert persönlich
und spreizte schließlich ihr Gefieder wie ein radschlagender Puter. Es hieß da
u. an. "Herr von Bismarck hat sich den schmerzhaften Kniffen seiner Neuralgie
oder Gicht entrissen, um der Norddeutschen einen Artikel zu diktiren. Er ge¬
ruht, uns eine Thatsache mitzuteilen, die uns nie unbekannt gewesen ist, nämlich
daß Deutschland, Österreich und Italien keinen Offensivallianz-Vertrag gegen
uns abgeschlossen haben. Er hat die Güte anzuerkennen, daß keine dieser Mächte
ihren Frieden als von uns bedroht ansieht. Ist es wohl möglich, gnädiger zu
sein? Es ist also gewiß, daß unsre Geschichtsbücher keine achte Koalition zu
verzeichnen haben werden, und daß die Berliner und Wiener Fräulein und die
Signorine in Rom nicht fürchten, General Galliffet werde nächstens an der Maas
oder am Bar zum Satteln blasen lassen. Der Frühling von 1883 wird seine
Stirne nicht über Kriegsgerüchte zu runzeln haben. Ruhm dem Fürsten Bis¬
marck und dem Redakteur der Norddeutschen Zeitung, seinem Propheten, daß
sie dem ganzen Universum diese Botschaft verkündigt haben!" Dann ist ge¬
schmackvoll vom "Varziner Neuralgiker" die Rede, und der Artikel fährt fort:


Die Tripelallianz.

„Barmherziger Himmel, was für plumpe Gesellen diese Deutschen doch sind,
und wie wenig nationale Würde sie besitzen! Wahrscheinlich bildete sich die
»norddeutsche Allgemeine Zeitung« ein, es werde den Freunden unsrer Ein¬
richtungen gefallen, wenn sie ihnen ihre Unterstützung anbote. Die Reichskanzlei,
von der man glaubt, sie inspirire ihre Artikel, mag gedacht haben, daß diese
drohenden Winke der Republik gegen die monarchischen Prätendenten nützlich
sein könnten, aber es würde schwer fallen, wenn man den Mangel an Takt
weiter treiben wollte. Versteht sechs denn etwa von selbst, daß Frankreich
Deutschland um Rat fragt, ehe es sich darüber entscheidet, was es zu Hanse
thun soll, daß seine Parteien sich erkundigen, wie weit sie gehen dürfen, ohne
sich Bemerkungen von feiten der deutschen Reichskauzlei auf den Hals zu ziehen?
Die »norddeutsche Allgemeine Zeitung« der wir antworten, hat vollkommen
recht, wenn sie sagt, daß Frankreich niemals auf jemand den Eindruck gemacht
hat, es wolle den Frieden stören, sie befindet sich aber in einem bedauerlichen
Irrtume, wenn sie meint, daß in Frankreich nicht alle Parteien in dem Ent¬
schlüsse einig seien, Herren im eignen Lande zu sein und die Unabhängigkeit
der Nation aufrecht zu erhalten."

An demselben Tage klagte Paul de Cassagnac im ?s./s bitterlich: „Der
Fremde ists jetzt, der in Frankreich die Republik bewacht und stützt. Was
für eine Schande für die Republik, die ihre Fortexistenz einzig und allein den
Fremden dankt! Wenn es weiterer Beweise bedürfte, um zu zeigen, wie ver¬
hängnisvoll die Republik für uns ist, so würden wir sie in diesem deutschen
Artikel finden, der so treu die Beweggründe zu dieser gegen unser unglückliches
Vaterland gerichteten Tripelallianz ausdrückt."

Ganz außer sich geberdete sich das Blatt der Gambettisten, die R6Mi)1la.us
I'i-MeMSö; sie wurde vor Verdruß sarkastisch und bedauernswert persönlich
und spreizte schließlich ihr Gefieder wie ein radschlagender Puter. Es hieß da
u. an. „Herr von Bismarck hat sich den schmerzhaften Kniffen seiner Neuralgie
oder Gicht entrissen, um der Norddeutschen einen Artikel zu diktiren. Er ge¬
ruht, uns eine Thatsache mitzuteilen, die uns nie unbekannt gewesen ist, nämlich
daß Deutschland, Österreich und Italien keinen Offensivallianz-Vertrag gegen
uns abgeschlossen haben. Er hat die Güte anzuerkennen, daß keine dieser Mächte
ihren Frieden als von uns bedroht ansieht. Ist es wohl möglich, gnädiger zu
sein? Es ist also gewiß, daß unsre Geschichtsbücher keine achte Koalition zu
verzeichnen haben werden, und daß die Berliner und Wiener Fräulein und die
Signorine in Rom nicht fürchten, General Galliffet werde nächstens an der Maas
oder am Bar zum Satteln blasen lassen. Der Frühling von 1883 wird seine
Stirne nicht über Kriegsgerüchte zu runzeln haben. Ruhm dem Fürsten Bis¬
marck und dem Redakteur der Norddeutschen Zeitung, seinem Propheten, daß
sie dem ganzen Universum diese Botschaft verkündigt haben!" Dann ist ge¬
schmackvoll vom „Varziner Neuralgiker" die Rede, und der Artikel fährt fort:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/173>, abgerufen am 03.07.2024.