Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Tripelallianz.

Annahme neigen, die gemeinsame Absicht der drei Mächte, den Frieden zu
wahren, sei mit irgendeinem Hintergedanken an Frankreich verbunden, so kann
da nur die Besorgnis obwalten, daß infolge eines etwaigen Wechsels der Re¬
gierung in Frankreich von dort eine Störung des Friedens erfolgen könnte.
Wir finden eine derartige Befürchtung nur für den Fall gerechtfertigt, wo
durch Umwälzungen, die außerhalb des gegenwärtigen französischen Staatsrechtes
flach welchem Frankreich eine demokratische Republik ist^j sich vollzögen, eine
Persönlichkeit ^ein Orleans oder ein napoleonide, much an einen kriegerischen
Präsidenten kann dabei gedacht seinj oder ein Prinzip ^das monarchisches zur
Regierung gelangte, welche durch Aufruf der kriegerischen Neigungen der Nation
eine im Innern augenblicklich gewonnene unsichere Herrschaft zu befestigen ver¬
suchten. Träte ein solcher Fall ein, so würde man sich die Frage vorzulegen
haben, ob jede der drei Mächte, von deren Bündnis die Rede ist, nach einem
Siege Frankreichs über eine derselben noch des gleichen Maßes von Unab¬
hängigkeit und Sicherheit gewiß wäre, welches die gegenwärtigen Zustände ge¬
währen. Angenommen, daß Frankreich, infolge einer innern Umwälzung zum
Kriege getrieben, zunächst das deutsche Reich angriffe, so würde sich Österreich
und Italien die Frage aufdrängen, in welche Lage diese Staaten geraten würden,
wenn Frankreich mit oder ohne Bundesgenossen Deutschland überwunden und
das neubegründete Reich zum Zerfall oder zur Ohnmacht gebracht hätte. Dann
müßte die Lage Österreichs und Italiens zunächst eine diplomatisch beengte und
bald vielleicht eine militärisch bedrohte werden. Nehmen wir den zweiten Fall
an, daß von einer kriegsbedürftigen französischen Regierung zunächst Italien an¬
gegriffen würde, so hätte sich der deutsche oder österreichische Politiker zu fragen,
ob es für sein Vaterland annehmbar sei, wenn Frankreich seine Grenzen direkt
oder in der Form einer cisalpinischen Republik in Italien weiter nach Osten
rücken oder Italien durch einen unglücklichen Krieg in Abhängigkeit von Frank¬
reich geraten würde. Beide Fälle würden für Österreich und Deutschland eine
im Vergleiche mit ihrer jetzigen Lage sehr ungünstige Veränderung herbeiführen.
Ein direkter Angriff Österreichs von feiten Frankreichs ist nach den heutigen
Grenzverhältnissen nur im Vereine mit Italien möglich; aber Österreich hat kein
Interesse, einer solchen Eventualität, die in der Vergangenheit (1859) eingetreten
ist, nochmals Spielraum zu verschaffen. Auch für Deutschland könnte es nicht
gleichgiltig sein, die Sicherheit der österreichischen Westgrenze durch die An¬
näherung der französischen Nachbarschaft in Italien vermindert zu fehen. Die
Stärke und Sicherheit Österreichs ist für Deutschland ein Bedürfnis, ja kein
einsichtsvoller deutscher Politiker könnte sich mit der Lage befreunden, welche
entstünde, wenn Österreich gelähmt oder uns feindlich wäre, weil von Deutsch¬
land im Stiche gelassen. "Wir sind überzeugt, so schließt der Artikel, und in
diesen Worten liegt sein Hauptgewicht und die Moral der ganzen Betrachtung,
daß die Logik der Geschichte an sich stark genug ist, um jede dieser friedliebenden


Die Tripelallianz.

Annahme neigen, die gemeinsame Absicht der drei Mächte, den Frieden zu
wahren, sei mit irgendeinem Hintergedanken an Frankreich verbunden, so kann
da nur die Besorgnis obwalten, daß infolge eines etwaigen Wechsels der Re¬
gierung in Frankreich von dort eine Störung des Friedens erfolgen könnte.
Wir finden eine derartige Befürchtung nur für den Fall gerechtfertigt, wo
durch Umwälzungen, die außerhalb des gegenwärtigen französischen Staatsrechtes
flach welchem Frankreich eine demokratische Republik ist^j sich vollzögen, eine
Persönlichkeit ^ein Orleans oder ein napoleonide, much an einen kriegerischen
Präsidenten kann dabei gedacht seinj oder ein Prinzip ^das monarchisches zur
Regierung gelangte, welche durch Aufruf der kriegerischen Neigungen der Nation
eine im Innern augenblicklich gewonnene unsichere Herrschaft zu befestigen ver¬
suchten. Träte ein solcher Fall ein, so würde man sich die Frage vorzulegen
haben, ob jede der drei Mächte, von deren Bündnis die Rede ist, nach einem
Siege Frankreichs über eine derselben noch des gleichen Maßes von Unab¬
hängigkeit und Sicherheit gewiß wäre, welches die gegenwärtigen Zustände ge¬
währen. Angenommen, daß Frankreich, infolge einer innern Umwälzung zum
Kriege getrieben, zunächst das deutsche Reich angriffe, so würde sich Österreich
und Italien die Frage aufdrängen, in welche Lage diese Staaten geraten würden,
wenn Frankreich mit oder ohne Bundesgenossen Deutschland überwunden und
das neubegründete Reich zum Zerfall oder zur Ohnmacht gebracht hätte. Dann
müßte die Lage Österreichs und Italiens zunächst eine diplomatisch beengte und
bald vielleicht eine militärisch bedrohte werden. Nehmen wir den zweiten Fall
an, daß von einer kriegsbedürftigen französischen Regierung zunächst Italien an¬
gegriffen würde, so hätte sich der deutsche oder österreichische Politiker zu fragen,
ob es für sein Vaterland annehmbar sei, wenn Frankreich seine Grenzen direkt
oder in der Form einer cisalpinischen Republik in Italien weiter nach Osten
rücken oder Italien durch einen unglücklichen Krieg in Abhängigkeit von Frank¬
reich geraten würde. Beide Fälle würden für Österreich und Deutschland eine
im Vergleiche mit ihrer jetzigen Lage sehr ungünstige Veränderung herbeiführen.
Ein direkter Angriff Österreichs von feiten Frankreichs ist nach den heutigen
Grenzverhältnissen nur im Vereine mit Italien möglich; aber Österreich hat kein
Interesse, einer solchen Eventualität, die in der Vergangenheit (1859) eingetreten
ist, nochmals Spielraum zu verschaffen. Auch für Deutschland könnte es nicht
gleichgiltig sein, die Sicherheit der österreichischen Westgrenze durch die An¬
näherung der französischen Nachbarschaft in Italien vermindert zu fehen. Die
Stärke und Sicherheit Österreichs ist für Deutschland ein Bedürfnis, ja kein
einsichtsvoller deutscher Politiker könnte sich mit der Lage befreunden, welche
entstünde, wenn Österreich gelähmt oder uns feindlich wäre, weil von Deutsch¬
land im Stiche gelassen. „Wir sind überzeugt, so schließt der Artikel, und in
diesen Worten liegt sein Hauptgewicht und die Moral der ganzen Betrachtung,
daß die Logik der Geschichte an sich stark genug ist, um jede dieser friedliebenden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152920"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Tripelallianz.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_701" prev="#ID_700" next="#ID_702"> Annahme neigen, die gemeinsame Absicht der drei Mächte, den Frieden zu<lb/>
wahren, sei mit irgendeinem Hintergedanken an Frankreich verbunden, so kann<lb/>
da nur die Besorgnis obwalten, daß infolge eines etwaigen Wechsels der Re¬<lb/>
gierung in Frankreich von dort eine Störung des Friedens erfolgen könnte.<lb/>
Wir finden eine derartige Befürchtung nur für den Fall gerechtfertigt, wo<lb/>
durch Umwälzungen, die außerhalb des gegenwärtigen französischen Staatsrechtes<lb/>
flach welchem Frankreich eine demokratische Republik ist^j sich vollzögen, eine<lb/>
Persönlichkeit ^ein Orleans oder ein napoleonide, much an einen kriegerischen<lb/>
Präsidenten kann dabei gedacht seinj oder ein Prinzip ^das monarchisches zur<lb/>
Regierung gelangte, welche durch Aufruf der kriegerischen Neigungen der Nation<lb/>
eine im Innern augenblicklich gewonnene unsichere Herrschaft zu befestigen ver¬<lb/>
suchten. Träte ein solcher Fall ein, so würde man sich die Frage vorzulegen<lb/>
haben, ob jede der drei Mächte, von deren Bündnis die Rede ist, nach einem<lb/>
Siege Frankreichs über eine derselben noch des gleichen Maßes von Unab¬<lb/>
hängigkeit und Sicherheit gewiß wäre, welches die gegenwärtigen Zustände ge¬<lb/>
währen. Angenommen, daß Frankreich, infolge einer innern Umwälzung zum<lb/>
Kriege getrieben, zunächst das deutsche Reich angriffe, so würde sich Österreich<lb/>
und Italien die Frage aufdrängen, in welche Lage diese Staaten geraten würden,<lb/>
wenn Frankreich mit oder ohne Bundesgenossen Deutschland überwunden und<lb/>
das neubegründete Reich zum Zerfall oder zur Ohnmacht gebracht hätte. Dann<lb/>
müßte die Lage Österreichs und Italiens zunächst eine diplomatisch beengte und<lb/>
bald vielleicht eine militärisch bedrohte werden. Nehmen wir den zweiten Fall<lb/>
an, daß von einer kriegsbedürftigen französischen Regierung zunächst Italien an¬<lb/>
gegriffen würde, so hätte sich der deutsche oder österreichische Politiker zu fragen,<lb/>
ob es für sein Vaterland annehmbar sei, wenn Frankreich seine Grenzen direkt<lb/>
oder in der Form einer cisalpinischen Republik in Italien weiter nach Osten<lb/>
rücken oder Italien durch einen unglücklichen Krieg in Abhängigkeit von Frank¬<lb/>
reich geraten würde. Beide Fälle würden für Österreich und Deutschland eine<lb/>
im Vergleiche mit ihrer jetzigen Lage sehr ungünstige Veränderung herbeiführen.<lb/>
Ein direkter Angriff Österreichs von feiten Frankreichs ist nach den heutigen<lb/>
Grenzverhältnissen nur im Vereine mit Italien möglich; aber Österreich hat kein<lb/>
Interesse, einer solchen Eventualität, die in der Vergangenheit (1859) eingetreten<lb/>
ist, nochmals Spielraum zu verschaffen. Auch für Deutschland könnte es nicht<lb/>
gleichgiltig sein, die Sicherheit der österreichischen Westgrenze durch die An¬<lb/>
näherung der französischen Nachbarschaft in Italien vermindert zu fehen. Die<lb/>
Stärke und Sicherheit Österreichs ist für Deutschland ein Bedürfnis, ja kein<lb/>
einsichtsvoller deutscher Politiker könnte sich mit der Lage befreunden, welche<lb/>
entstünde, wenn Österreich gelähmt oder uns feindlich wäre, weil von Deutsch¬<lb/>
land im Stiche gelassen. &#x201E;Wir sind überzeugt, so schließt der Artikel, und in<lb/>
diesen Worten liegt sein Hauptgewicht und die Moral der ganzen Betrachtung,<lb/>
daß die Logik der Geschichte an sich stark genug ist, um jede dieser friedliebenden</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0171] Die Tripelallianz. Annahme neigen, die gemeinsame Absicht der drei Mächte, den Frieden zu wahren, sei mit irgendeinem Hintergedanken an Frankreich verbunden, so kann da nur die Besorgnis obwalten, daß infolge eines etwaigen Wechsels der Re¬ gierung in Frankreich von dort eine Störung des Friedens erfolgen könnte. Wir finden eine derartige Befürchtung nur für den Fall gerechtfertigt, wo durch Umwälzungen, die außerhalb des gegenwärtigen französischen Staatsrechtes flach welchem Frankreich eine demokratische Republik ist^j sich vollzögen, eine Persönlichkeit ^ein Orleans oder ein napoleonide, much an einen kriegerischen Präsidenten kann dabei gedacht seinj oder ein Prinzip ^das monarchisches zur Regierung gelangte, welche durch Aufruf der kriegerischen Neigungen der Nation eine im Innern augenblicklich gewonnene unsichere Herrschaft zu befestigen ver¬ suchten. Träte ein solcher Fall ein, so würde man sich die Frage vorzulegen haben, ob jede der drei Mächte, von deren Bündnis die Rede ist, nach einem Siege Frankreichs über eine derselben noch des gleichen Maßes von Unab¬ hängigkeit und Sicherheit gewiß wäre, welches die gegenwärtigen Zustände ge¬ währen. Angenommen, daß Frankreich, infolge einer innern Umwälzung zum Kriege getrieben, zunächst das deutsche Reich angriffe, so würde sich Österreich und Italien die Frage aufdrängen, in welche Lage diese Staaten geraten würden, wenn Frankreich mit oder ohne Bundesgenossen Deutschland überwunden und das neubegründete Reich zum Zerfall oder zur Ohnmacht gebracht hätte. Dann müßte die Lage Österreichs und Italiens zunächst eine diplomatisch beengte und bald vielleicht eine militärisch bedrohte werden. Nehmen wir den zweiten Fall an, daß von einer kriegsbedürftigen französischen Regierung zunächst Italien an¬ gegriffen würde, so hätte sich der deutsche oder österreichische Politiker zu fragen, ob es für sein Vaterland annehmbar sei, wenn Frankreich seine Grenzen direkt oder in der Form einer cisalpinischen Republik in Italien weiter nach Osten rücken oder Italien durch einen unglücklichen Krieg in Abhängigkeit von Frank¬ reich geraten würde. Beide Fälle würden für Österreich und Deutschland eine im Vergleiche mit ihrer jetzigen Lage sehr ungünstige Veränderung herbeiführen. Ein direkter Angriff Österreichs von feiten Frankreichs ist nach den heutigen Grenzverhältnissen nur im Vereine mit Italien möglich; aber Österreich hat kein Interesse, einer solchen Eventualität, die in der Vergangenheit (1859) eingetreten ist, nochmals Spielraum zu verschaffen. Auch für Deutschland könnte es nicht gleichgiltig sein, die Sicherheit der österreichischen Westgrenze durch die An¬ näherung der französischen Nachbarschaft in Italien vermindert zu fehen. Die Stärke und Sicherheit Österreichs ist für Deutschland ein Bedürfnis, ja kein einsichtsvoller deutscher Politiker könnte sich mit der Lage befreunden, welche entstünde, wenn Österreich gelähmt oder uns feindlich wäre, weil von Deutsch¬ land im Stiche gelassen. „Wir sind überzeugt, so schließt der Artikel, und in diesen Worten liegt sein Hauptgewicht und die Moral der ganzen Betrachtung, daß die Logik der Geschichte an sich stark genug ist, um jede dieser friedliebenden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/171
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/171>, abgerufen am 03.07.2024.