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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

ihr Atem flog heftig, und ihr Busen hob sich ungestüm. So sehr bewegten
Entrüstung und das in allen edeln Naturen lebhafte Gerechtigkeitsgefühl ihre
Pulse, daß sie beim ersten Ansturm der Gefühle im Begriffe stand, ihrem Vater
zu entdecken, daß sie Eberhardt liebe. Aber die Klugheit hielt sie doch davon
zurück. Sie wußte zu gut, von welchen Ansichten dieser stolze und hartnäckige
alte Edelmann beherrscht wurde, als daß sie hätte erwarten sollen, seine Ge¬
nehmigung einer Mesalliance sei ohne die feinste und überlegteste Politik zu er¬
langen. Der gegenwärtige Zeitpunkt war zu eiuer solchen Eröffnung durchaus
ungeeignet. Indem Dorothea wahrnahm, daß die Gräfin einen bestimmten
Plan verfolgte, sah sie sich selbst in die Lage versetzt, Schritt für Schritt sorgfältig
zu berechnen.

Mochte aber auch die Notwendigkeit der Vorsicht ihr noch so gebieterisch
vorschweben, eines mußte auf der Stelle geschehen und ohne alle Rücksicht als
allein auf die Ehre ausgeführt werden: Sie mußte Eberhardt gegen eine so
schändliche Verleumdung verteidigen.

Wie? fragte sie mit zuckendem Munde. So oft hast du Herrn Eschenburg
dir gegenüber gesehen, hast seine Hand gedrückt, ihn an deinem Tische willkommen
geheißen, und jetzt hat eine Lüge alles verweht, und dn hast ihn der Gräfin
gegenüber nicht in Schutz genommen?

Der Baron war peinlich überrascht durch diesen Angriff seiner Tochter.
Erstaunt nicht nur über den Sinn ihrer Worte, sondern hauptsächlich über den
Klang ihrer Stimme, blickte er sie ganz betroffen an. Er fühlte, daß etwas
Wahres in dem sei, was sie sagte, und empfand einige Beschämung, daß er eine
Lektion erhalte, wo er sie vielleicht verdient habe.

Mein bestes Kind, erwiederte er, wer sagt dir, daß ich Herrn Eschenburg
nicht in Schutz genommen habe? Allerdings habe ich es gethan.

Wenn du es in der gehörigen Weise gethan hättest, so würdest du eben
nicht so zu mir gesprochen haben.

Ich finde, mein Kind, sagte der alte Herr ärgerlich, daß es nicht deine
Sache ist, mich darüber zur Rechenschaft zu ziehen. Ich habe gethan, was
meine Pflicht war, aber es ist doch die Thatsache nicht ans der Welt zu schaffen,
daß er uns von niemand empfohlen und ein Mann von durchaus unbekannter
Herkunft ist. Wenn da eine Dame wie die Gräfin von Altenschwerdt mich
warnt, kann ich es nicht in den Wind schlagen.

Und wer ist die Gräfin Altenschwerdt, daß du ihr unbedingt Glauben
schenkst?

Eine Dame von uralter Familie! sagte der Baron streng.

Ich bitte um Verzeihung, Papa, wenn ich die Abstammung von uralter
Familie nicht für einen unbedingten Beweis dafür halten kann, daß die Gräfin
die Wahrheit gesprochen hat.


Die Grafen von Altenschwerdt.

ihr Atem flog heftig, und ihr Busen hob sich ungestüm. So sehr bewegten
Entrüstung und das in allen edeln Naturen lebhafte Gerechtigkeitsgefühl ihre
Pulse, daß sie beim ersten Ansturm der Gefühle im Begriffe stand, ihrem Vater
zu entdecken, daß sie Eberhardt liebe. Aber die Klugheit hielt sie doch davon
zurück. Sie wußte zu gut, von welchen Ansichten dieser stolze und hartnäckige
alte Edelmann beherrscht wurde, als daß sie hätte erwarten sollen, seine Ge¬
nehmigung einer Mesalliance sei ohne die feinste und überlegteste Politik zu er¬
langen. Der gegenwärtige Zeitpunkt war zu eiuer solchen Eröffnung durchaus
ungeeignet. Indem Dorothea wahrnahm, daß die Gräfin einen bestimmten
Plan verfolgte, sah sie sich selbst in die Lage versetzt, Schritt für Schritt sorgfältig
zu berechnen.

Mochte aber auch die Notwendigkeit der Vorsicht ihr noch so gebieterisch
vorschweben, eines mußte auf der Stelle geschehen und ohne alle Rücksicht als
allein auf die Ehre ausgeführt werden: Sie mußte Eberhardt gegen eine so
schändliche Verleumdung verteidigen.

Wie? fragte sie mit zuckendem Munde. So oft hast du Herrn Eschenburg
dir gegenüber gesehen, hast seine Hand gedrückt, ihn an deinem Tische willkommen
geheißen, und jetzt hat eine Lüge alles verweht, und dn hast ihn der Gräfin
gegenüber nicht in Schutz genommen?

Der Baron war peinlich überrascht durch diesen Angriff seiner Tochter.
Erstaunt nicht nur über den Sinn ihrer Worte, sondern hauptsächlich über den
Klang ihrer Stimme, blickte er sie ganz betroffen an. Er fühlte, daß etwas
Wahres in dem sei, was sie sagte, und empfand einige Beschämung, daß er eine
Lektion erhalte, wo er sie vielleicht verdient habe.

Mein bestes Kind, erwiederte er, wer sagt dir, daß ich Herrn Eschenburg
nicht in Schutz genommen habe? Allerdings habe ich es gethan.

Wenn du es in der gehörigen Weise gethan hättest, so würdest du eben
nicht so zu mir gesprochen haben.

Ich finde, mein Kind, sagte der alte Herr ärgerlich, daß es nicht deine
Sache ist, mich darüber zur Rechenschaft zu ziehen. Ich habe gethan, was
meine Pflicht war, aber es ist doch die Thatsache nicht ans der Welt zu schaffen,
daß er uns von niemand empfohlen und ein Mann von durchaus unbekannter
Herkunft ist. Wenn da eine Dame wie die Gräfin von Altenschwerdt mich
warnt, kann ich es nicht in den Wind schlagen.

Und wer ist die Gräfin Altenschwerdt, daß du ihr unbedingt Glauben
schenkst?

Eine Dame von uralter Familie! sagte der Baron streng.

Ich bitte um Verzeihung, Papa, wenn ich die Abstammung von uralter
Familie nicht für einen unbedingten Beweis dafür halten kann, daß die Gräfin
die Wahrheit gesprochen hat.


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[0154] Die Grafen von Altenschwerdt. ihr Atem flog heftig, und ihr Busen hob sich ungestüm. So sehr bewegten Entrüstung und das in allen edeln Naturen lebhafte Gerechtigkeitsgefühl ihre Pulse, daß sie beim ersten Ansturm der Gefühle im Begriffe stand, ihrem Vater zu entdecken, daß sie Eberhardt liebe. Aber die Klugheit hielt sie doch davon zurück. Sie wußte zu gut, von welchen Ansichten dieser stolze und hartnäckige alte Edelmann beherrscht wurde, als daß sie hätte erwarten sollen, seine Ge¬ nehmigung einer Mesalliance sei ohne die feinste und überlegteste Politik zu er¬ langen. Der gegenwärtige Zeitpunkt war zu eiuer solchen Eröffnung durchaus ungeeignet. Indem Dorothea wahrnahm, daß die Gräfin einen bestimmten Plan verfolgte, sah sie sich selbst in die Lage versetzt, Schritt für Schritt sorgfältig zu berechnen. Mochte aber auch die Notwendigkeit der Vorsicht ihr noch so gebieterisch vorschweben, eines mußte auf der Stelle geschehen und ohne alle Rücksicht als allein auf die Ehre ausgeführt werden: Sie mußte Eberhardt gegen eine so schändliche Verleumdung verteidigen. Wie? fragte sie mit zuckendem Munde. So oft hast du Herrn Eschenburg dir gegenüber gesehen, hast seine Hand gedrückt, ihn an deinem Tische willkommen geheißen, und jetzt hat eine Lüge alles verweht, und dn hast ihn der Gräfin gegenüber nicht in Schutz genommen? Der Baron war peinlich überrascht durch diesen Angriff seiner Tochter. Erstaunt nicht nur über den Sinn ihrer Worte, sondern hauptsächlich über den Klang ihrer Stimme, blickte er sie ganz betroffen an. Er fühlte, daß etwas Wahres in dem sei, was sie sagte, und empfand einige Beschämung, daß er eine Lektion erhalte, wo er sie vielleicht verdient habe. Mein bestes Kind, erwiederte er, wer sagt dir, daß ich Herrn Eschenburg nicht in Schutz genommen habe? Allerdings habe ich es gethan. Wenn du es in der gehörigen Weise gethan hättest, so würdest du eben nicht so zu mir gesprochen haben. Ich finde, mein Kind, sagte der alte Herr ärgerlich, daß es nicht deine Sache ist, mich darüber zur Rechenschaft zu ziehen. Ich habe gethan, was meine Pflicht war, aber es ist doch die Thatsache nicht ans der Welt zu schaffen, daß er uns von niemand empfohlen und ein Mann von durchaus unbekannter Herkunft ist. Wenn da eine Dame wie die Gräfin von Altenschwerdt mich warnt, kann ich es nicht in den Wind schlagen. Und wer ist die Gräfin Altenschwerdt, daß du ihr unbedingt Glauben schenkst? Eine Dame von uralter Familie! sagte der Baron streng. Ich bitte um Verzeihung, Papa, wenn ich die Abstammung von uralter Familie nicht für einen unbedingten Beweis dafür halten kann, daß die Gräfin die Wahrheit gesprochen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/154>, abgerufen am 01.10.2024.