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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

einen stolzen Name" im Eisenpanzer mit dem Schwerte, so auch seine Nach¬
kommen. Es waren auch vermutlich seine Vorfahren gewaltig im Sattel und
vor dem Feinde. Aber ich wüßte mich keiner Erzählung aus der Familien¬
chronik zu erinnern, wo sie durch Diplomatie geglänzt hätten. Wenn es dir
Vergnügen macht, die Gräfin Altenschwerdt hier zu sehen, so versteht es sich
von selbst, daß ich nicht die geringsten Einwendungen dagegen machen kann.

Dorothea hatte große Lust, noch mehr zu sagen und dem Vater den Übeln
Eindruck mitzuteilen, den sie von der Gräfin empfangen hatte. Aber sie kannte
den Widerspruchsgeist des alten Herrn, und sie hatte genug gesehen, um zu
wissen, daß ihre Macht zu gering sei, um gegen die der schmeichlerischen Frau
in der Wagschale zu gelten. Sie sah, daß die Einladung eine verabredete Sache
war, der nur noch mehr Gewicht und Bedeutung durch ihren Widerstand ver¬
liehen werden würde.

Der Baron sah indessen seine Tochter halb erfreut und halb ärgerlich an,
erfreut über die leichte Erledigung der Sache, ärgerlich darüber, daß er durch¬
schaut war.

Es ist doch eine bodenlose Schlauheit in euch Weibern, sagte er. Was
übrigens das Vergnügen betrifft, da bist du doch im Irrtum. Wie kann es
mir Vergnügen machen, wochenlang aus meiner Gewohnheit gerissen zu sein
und mich nach den Neigungen einer Dame zu richten, die an ein geselliges
Leben gewöhnt ist, während wir hier doch beinahe wie die Eremiten leben. Nein,
da hast du doch fehlgeschossen. Es ist nichts als die Tradition des alten
Freundschaftsverhältnisses zwischen den Vorfahren. Übrigens ist da noch eine
dumme Geschichte, die du mir helfen mußt zu arrangiren. Es scheint, wir sind
doch ein bischen unvorsichtig in unsrer Gastfreundschaft gegen Herrn Eschen¬
burg gewesen. Erinnere dich, daß er uns von niemand empfohlen, sondern
so gleichsam hereingeschneit ist. Die Gräfin behauptet, unvorteilhaftes über ihn
gehört zu haben. Ich will das dahingestellt sein lassen. Mir ist er immer als
ein Gentleman erschienen, und ich irre mich so leicht nicht. Die Gräfin irrt
sich möglicherweise im Namen. Jedenfalls müssen wir aber die Rücksicht auf
sie nehmen, daß wir sie nicht mit dem Herrn zusammenbringen. Was denkst
du? Wie fangen wir das an? Es widerstrebt mir, den Herrn zu verletzen,
und doch kann ich, da ich mich auf keine Bürgschaft für ihn berufen kann, der
Gräfin auch nicht die Beleidigung zufügen, ihre Warnung zu mißachten und
Herrn Eschenburg hier auftreten zu lassen, während sie mein Gast ist.

Dorotheens Herz ward beim Anhören dieser Worte von einem Sturm
von Gefühlen geschwellt, die es kaum ertragen konnte. Wäre der Baron ein
aufmerksamerer Beobachter gewesen und ein Vater, der im Gesichte seiner Tochter
zu lesen verstand, wäre er nicht von der eignen Verlegenheit ganz beschäftigt
gewesen, so müßte er in diesem Augenblicke das Geheimnis entdeckt haben, welches
in Dorothea verborgen lag. Sie ward zuerst sehr blaß und dann sehr rot,


Grmzbowi II. 1883.
Die Grafen von Altenschwerdt.

einen stolzen Name» im Eisenpanzer mit dem Schwerte, so auch seine Nach¬
kommen. Es waren auch vermutlich seine Vorfahren gewaltig im Sattel und
vor dem Feinde. Aber ich wüßte mich keiner Erzählung aus der Familien¬
chronik zu erinnern, wo sie durch Diplomatie geglänzt hätten. Wenn es dir
Vergnügen macht, die Gräfin Altenschwerdt hier zu sehen, so versteht es sich
von selbst, daß ich nicht die geringsten Einwendungen dagegen machen kann.

Dorothea hatte große Lust, noch mehr zu sagen und dem Vater den Übeln
Eindruck mitzuteilen, den sie von der Gräfin empfangen hatte. Aber sie kannte
den Widerspruchsgeist des alten Herrn, und sie hatte genug gesehen, um zu
wissen, daß ihre Macht zu gering sei, um gegen die der schmeichlerischen Frau
in der Wagschale zu gelten. Sie sah, daß die Einladung eine verabredete Sache
war, der nur noch mehr Gewicht und Bedeutung durch ihren Widerstand ver¬
liehen werden würde.

Der Baron sah indessen seine Tochter halb erfreut und halb ärgerlich an,
erfreut über die leichte Erledigung der Sache, ärgerlich darüber, daß er durch¬
schaut war.

Es ist doch eine bodenlose Schlauheit in euch Weibern, sagte er. Was
übrigens das Vergnügen betrifft, da bist du doch im Irrtum. Wie kann es
mir Vergnügen machen, wochenlang aus meiner Gewohnheit gerissen zu sein
und mich nach den Neigungen einer Dame zu richten, die an ein geselliges
Leben gewöhnt ist, während wir hier doch beinahe wie die Eremiten leben. Nein,
da hast du doch fehlgeschossen. Es ist nichts als die Tradition des alten
Freundschaftsverhältnisses zwischen den Vorfahren. Übrigens ist da noch eine
dumme Geschichte, die du mir helfen mußt zu arrangiren. Es scheint, wir sind
doch ein bischen unvorsichtig in unsrer Gastfreundschaft gegen Herrn Eschen¬
burg gewesen. Erinnere dich, daß er uns von niemand empfohlen, sondern
so gleichsam hereingeschneit ist. Die Gräfin behauptet, unvorteilhaftes über ihn
gehört zu haben. Ich will das dahingestellt sein lassen. Mir ist er immer als
ein Gentleman erschienen, und ich irre mich so leicht nicht. Die Gräfin irrt
sich möglicherweise im Namen. Jedenfalls müssen wir aber die Rücksicht auf
sie nehmen, daß wir sie nicht mit dem Herrn zusammenbringen. Was denkst
du? Wie fangen wir das an? Es widerstrebt mir, den Herrn zu verletzen,
und doch kann ich, da ich mich auf keine Bürgschaft für ihn berufen kann, der
Gräfin auch nicht die Beleidigung zufügen, ihre Warnung zu mißachten und
Herrn Eschenburg hier auftreten zu lassen, während sie mein Gast ist.

Dorotheens Herz ward beim Anhören dieser Worte von einem Sturm
von Gefühlen geschwellt, die es kaum ertragen konnte. Wäre der Baron ein
aufmerksamerer Beobachter gewesen und ein Vater, der im Gesichte seiner Tochter
zu lesen verstand, wäre er nicht von der eignen Verlegenheit ganz beschäftigt
gewesen, so müßte er in diesem Augenblicke das Geheimnis entdeckt haben, welches
in Dorothea verborgen lag. Sie ward zuerst sehr blaß und dann sehr rot,


Grmzbowi II. 1883.
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[0153] Die Grafen von Altenschwerdt. einen stolzen Name» im Eisenpanzer mit dem Schwerte, so auch seine Nach¬ kommen. Es waren auch vermutlich seine Vorfahren gewaltig im Sattel und vor dem Feinde. Aber ich wüßte mich keiner Erzählung aus der Familien¬ chronik zu erinnern, wo sie durch Diplomatie geglänzt hätten. Wenn es dir Vergnügen macht, die Gräfin Altenschwerdt hier zu sehen, so versteht es sich von selbst, daß ich nicht die geringsten Einwendungen dagegen machen kann. Dorothea hatte große Lust, noch mehr zu sagen und dem Vater den Übeln Eindruck mitzuteilen, den sie von der Gräfin empfangen hatte. Aber sie kannte den Widerspruchsgeist des alten Herrn, und sie hatte genug gesehen, um zu wissen, daß ihre Macht zu gering sei, um gegen die der schmeichlerischen Frau in der Wagschale zu gelten. Sie sah, daß die Einladung eine verabredete Sache war, der nur noch mehr Gewicht und Bedeutung durch ihren Widerstand ver¬ liehen werden würde. Der Baron sah indessen seine Tochter halb erfreut und halb ärgerlich an, erfreut über die leichte Erledigung der Sache, ärgerlich darüber, daß er durch¬ schaut war. Es ist doch eine bodenlose Schlauheit in euch Weibern, sagte er. Was übrigens das Vergnügen betrifft, da bist du doch im Irrtum. Wie kann es mir Vergnügen machen, wochenlang aus meiner Gewohnheit gerissen zu sein und mich nach den Neigungen einer Dame zu richten, die an ein geselliges Leben gewöhnt ist, während wir hier doch beinahe wie die Eremiten leben. Nein, da hast du doch fehlgeschossen. Es ist nichts als die Tradition des alten Freundschaftsverhältnisses zwischen den Vorfahren. Übrigens ist da noch eine dumme Geschichte, die du mir helfen mußt zu arrangiren. Es scheint, wir sind doch ein bischen unvorsichtig in unsrer Gastfreundschaft gegen Herrn Eschen¬ burg gewesen. Erinnere dich, daß er uns von niemand empfohlen, sondern so gleichsam hereingeschneit ist. Die Gräfin behauptet, unvorteilhaftes über ihn gehört zu haben. Ich will das dahingestellt sein lassen. Mir ist er immer als ein Gentleman erschienen, und ich irre mich so leicht nicht. Die Gräfin irrt sich möglicherweise im Namen. Jedenfalls müssen wir aber die Rücksicht auf sie nehmen, daß wir sie nicht mit dem Herrn zusammenbringen. Was denkst du? Wie fangen wir das an? Es widerstrebt mir, den Herrn zu verletzen, und doch kann ich, da ich mich auf keine Bürgschaft für ihn berufen kann, der Gräfin auch nicht die Beleidigung zufügen, ihre Warnung zu mißachten und Herrn Eschenburg hier auftreten zu lassen, während sie mein Gast ist. Dorotheens Herz ward beim Anhören dieser Worte von einem Sturm von Gefühlen geschwellt, die es kaum ertragen konnte. Wäre der Baron ein aufmerksamerer Beobachter gewesen und ein Vater, der im Gesichte seiner Tochter zu lesen verstand, wäre er nicht von der eignen Verlegenheit ganz beschäftigt gewesen, so müßte er in diesem Augenblicke das Geheimnis entdeckt haben, welches in Dorothea verborgen lag. Sie ward zuerst sehr blaß und dann sehr rot, Grmzbowi II. 1883.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/153>, abgerufen am 03.07.2024.