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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Gladstone und die irischen Revolutionäre.

Irlands von England. Missethaten wie die der polnischen Hängegendarmen,
der russischen Nihilisten, der italienischen Jrredentisten und der französischen
Anarchisten, die Ermordung von Gutsherren und Staatssekretären, die Ob¬
struktionsversuche im Parlamente, antienglische Reden vor irischen Volksver¬
sammlungen, Anrufungen amerikanischer Hilfe gegen die "sächsischen Zwingherren
und Unterdrücker," Dynamitbomben in London -- alles das waren Mittel zu
demselben Zwecke, der Befreiung des irischen Volkes von der britischen Ober¬
herrschaft.

Was ist nun gegen dieses Treiben zu thun? In der Presse sind von un¬
verantwortlicher Seite Ratschläge laut geworden, die auf sehr extreme Dinge
hinauslaufen. Etwas wie ein Kreuzzug gegen alle Jrländer zur Rache für die
Schändlichkeiten der amerikanisirten Söhne der Smaragdinsel sollte in Szene
gesetzt werden. Es wäre eine schreiende Unbilligkeit gegen die vielen unschul¬
digen Paddy, die in den englischen Städten, besonders denen im Westen,
harmlos ihrem Erwerbe nachgehen. Die wahre Waffe gegen die Fenier und
ihre zahmeren Verbündeten würde eine strengere Gesetzgebung und Verleihung
von mehr Macht an die Polizei sein. Es ist eine seltsame Thatsache, daß gegen¬
wärtig England den fenischen Verschwörern größere Sicherheit gewährt als Ir¬
land. In Dublin kann jetzt unter den Revressivnsgesetzen ein Meuchelmörder
ohne weiteres verhaftet, festgehalten, abgeurteilt und bestraft werden, und Haus¬
suchungen werden sofort vorgenommen, wenn ein Verdacht vorliegt. In Eng¬
land giebt es nichts der Art, das Haus ist unantastbar, und der Fenier kann
unter dem Schutze der englischen Freiheiten ungehindert und in aller Bequem¬
lichkeit seine mörderischen und brandstifterischen Pläne zur Ausführung vor¬
bereiten. England ist das Herz und das Zentrum des britischen Reiches, und
doch ließen es die liberalen Herren, die am Nuder stehen, bisher schutzloser als
die Nachbarglieder jenseits des Georgskanals. So ist denn das erste, wofür
zu sorgen ist, daß die Geltung der Oriniss ^.ot, die in Irland ziemlich gute Dienste
leistet, von dort auf England ausgedehnt werde, so daß verdächtige Persönlichkeiten
ohne Säumen und Weitläufigkeiten zur Haft gebracht und in Untersuchung gezogen
werden können. Das würde zur Folge haben, daß viele jener irischen Aben¬
teurer aus dem Uankeelande, welche die englischen Städte unsicher machen und
in behaglicher Ruhe Verschwörungen anzetteln, weil das Gesetz sie vor der
Polizei schützt, es dort nicht mehr geheuerlich finden und sich sobald als mög¬
lich verziehen würden. Ferner sollte -- so schlagen selbst solche englische Blätter
jetzt vor, die sich zu den Liberalen rechnen -- eine besondre geheime Polizei
mit dreifachem Zwecke, zur Überwachung Amerikas, Irlands und aller englische"
Orte, wo viele Jrländer ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, errichtet werden,
und zwar ohne Verzug.

"Die kindische Pedanterie der doktrinären Liberalen," so läßt sich eins dieser
Blätter vernehmen, "dieser Herren, die, wenn sie mit groben Verbrechen zu thun


Gladstone und die irischen Revolutionäre.

Irlands von England. Missethaten wie die der polnischen Hängegendarmen,
der russischen Nihilisten, der italienischen Jrredentisten und der französischen
Anarchisten, die Ermordung von Gutsherren und Staatssekretären, die Ob¬
struktionsversuche im Parlamente, antienglische Reden vor irischen Volksver¬
sammlungen, Anrufungen amerikanischer Hilfe gegen die „sächsischen Zwingherren
und Unterdrücker," Dynamitbomben in London — alles das waren Mittel zu
demselben Zwecke, der Befreiung des irischen Volkes von der britischen Ober¬
herrschaft.

Was ist nun gegen dieses Treiben zu thun? In der Presse sind von un¬
verantwortlicher Seite Ratschläge laut geworden, die auf sehr extreme Dinge
hinauslaufen. Etwas wie ein Kreuzzug gegen alle Jrländer zur Rache für die
Schändlichkeiten der amerikanisirten Söhne der Smaragdinsel sollte in Szene
gesetzt werden. Es wäre eine schreiende Unbilligkeit gegen die vielen unschul¬
digen Paddy, die in den englischen Städten, besonders denen im Westen,
harmlos ihrem Erwerbe nachgehen. Die wahre Waffe gegen die Fenier und
ihre zahmeren Verbündeten würde eine strengere Gesetzgebung und Verleihung
von mehr Macht an die Polizei sein. Es ist eine seltsame Thatsache, daß gegen¬
wärtig England den fenischen Verschwörern größere Sicherheit gewährt als Ir¬
land. In Dublin kann jetzt unter den Revressivnsgesetzen ein Meuchelmörder
ohne weiteres verhaftet, festgehalten, abgeurteilt und bestraft werden, und Haus¬
suchungen werden sofort vorgenommen, wenn ein Verdacht vorliegt. In Eng¬
land giebt es nichts der Art, das Haus ist unantastbar, und der Fenier kann
unter dem Schutze der englischen Freiheiten ungehindert und in aller Bequem¬
lichkeit seine mörderischen und brandstifterischen Pläne zur Ausführung vor¬
bereiten. England ist das Herz und das Zentrum des britischen Reiches, und
doch ließen es die liberalen Herren, die am Nuder stehen, bisher schutzloser als
die Nachbarglieder jenseits des Georgskanals. So ist denn das erste, wofür
zu sorgen ist, daß die Geltung der Oriniss ^.ot, die in Irland ziemlich gute Dienste
leistet, von dort auf England ausgedehnt werde, so daß verdächtige Persönlichkeiten
ohne Säumen und Weitläufigkeiten zur Haft gebracht und in Untersuchung gezogen
werden können. Das würde zur Folge haben, daß viele jener irischen Aben¬
teurer aus dem Uankeelande, welche die englischen Städte unsicher machen und
in behaglicher Ruhe Verschwörungen anzetteln, weil das Gesetz sie vor der
Polizei schützt, es dort nicht mehr geheuerlich finden und sich sobald als mög¬
lich verziehen würden. Ferner sollte — so schlagen selbst solche englische Blätter
jetzt vor, die sich zu den Liberalen rechnen — eine besondre geheime Polizei
mit dreifachem Zwecke, zur Überwachung Amerikas, Irlands und aller englische»
Orte, wo viele Jrländer ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, errichtet werden,
und zwar ohne Verzug.

„Die kindische Pedanterie der doktrinären Liberalen," so läßt sich eins dieser
Blätter vernehmen, „dieser Herren, die, wenn sie mit groben Verbrechen zu thun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/15>, abgerufen am 01.07.2024.