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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Gladstone und die irischen Revolutionäre.

treffen -- wir wollen es nicht ärger bezeichnen -- deutet ganz auf dieselben
Dinge hin wie das Zusammenfallen der Mordthaten im Phönixpark zu Dublin
mit den Verhandlungen j der Regierung mit Parnells im Gefängnisse von Kil-
mcnnham. Wir wollen keinen Schluß daraus ziehen, aber niemand kann hin¬
dern, daß das doppelte Phänomen sich wie ein Spuk vor seinem Geiste hin¬
stellt. Die Regierung ist verpflichtet, keine Mühe zu sparen, um die verborgenen,
hoch oder tief liegenden Quellen dieser heillosen und nicht enden wollenden Ver¬
brechen aufzufinden und zu verstopfen. Sie kann sich dabei auf kräftige Mit¬
wirkung einer gesetzliebenden, friedfertigen und fleißigen Bevölkerung verlassen,
welche wiederum an ihrem Herd und Heim von den ebenso grausamen als
schmutzigen Handlangern des Verbrechens, der Zerreißung des Landes und des
Umsturzes angefallen worden sind."

Die englischen Freunde Parnells, die Radikalen, wollen ihn und seine
Anhänger als nicht mit den Attentaten im Zusammenhang stehend betrachtet
wissen. Die Fenier sollen ihm feindselig gesinnt sein, weil er die Trennung
Irlands von England auf verfassungsmäßigen Wegen betreibe. Aber wenn der
Angriff auf Lady Dixie den Ursprung und die Bedeutung hat, die man ihm
in England zuschreibt, so fällt die Annahme eines Zwiespaltes zwischen den
Feniern und dem Führer der Landliga sofort weg. Wäre dieser der Leiter einer
Bewegung, die jenen, wie man zu sagen pflegt, nicht in den Kram paßte, wie
würden dann die irischen Verschwörer aus den Gedanken gekommen sein, an einer
Dame Rache zu üben für Vorwürfe und Anklagen in Geldfragen, die sich nicht
gegen O'Donovan Rossa, den obersten Beamten der Fenierbrüderschaft, sondern
gegen Parnell und Egan, die Führer der Landliga, richteten? In Wirklichkeit
ist die Behauptung, daß die Homerulers, Nationalisten und Landligisten mit den
Feniern auf gespanntem Fuße lebten, längst veraltet und widerlegt. Früher
allerdings hielten sich die letztern von den "konstitutionellen" Wühlern fern.
Michael Davitt aber brachte eine Vereinigung aller Elemente der irischen Re¬
volutionsparteien zustande. Die Landliga wurde das verbindende Glied zwischen
den Feniern und den Parnelliten oder Homernlern, und das Bündnis der beiden
Genossenschaften, welches zwar nicht ausdrücklich abgeschlossen wurde, trotzdem
aber auf ein sehr enges Einvernehmen hinauslief, ist niemals gelöst worden.
Ehedem machten sich die Nationalisten ein Vergnügen daraus, die Versamm¬
lungen der Homeruler mit dem Aufgebot von Pöbelrotten zu sprengen, aber
niemals hat man gehört, daß den Anhängern Parnells etwas derartiges wider¬
fahren wäre. Sie sahen ihm zu und nahmen ihn stillschweigend hin, nicht als
Führer, aber als Mitarbeiter, Vorbereiter und Bahnbrecher. Dieses Verhältnis
war jedem Beobachter der öffentlichen Vorgänge im politischen Leben Irlands
klare Thatsache, und es bedürfte dazu durchaus keines förmlichen Vertrages.
Man arbeitete ohne einen solchen einander in die Hände. Alle Gruppen der
irischen Opposition strebten einem und demselben Ziele zu, der Lostrennung


Gladstone und die irischen Revolutionäre.

treffen — wir wollen es nicht ärger bezeichnen — deutet ganz auf dieselben
Dinge hin wie das Zusammenfallen der Mordthaten im Phönixpark zu Dublin
mit den Verhandlungen j der Regierung mit Parnells im Gefängnisse von Kil-
mcnnham. Wir wollen keinen Schluß daraus ziehen, aber niemand kann hin¬
dern, daß das doppelte Phänomen sich wie ein Spuk vor seinem Geiste hin¬
stellt. Die Regierung ist verpflichtet, keine Mühe zu sparen, um die verborgenen,
hoch oder tief liegenden Quellen dieser heillosen und nicht enden wollenden Ver¬
brechen aufzufinden und zu verstopfen. Sie kann sich dabei auf kräftige Mit¬
wirkung einer gesetzliebenden, friedfertigen und fleißigen Bevölkerung verlassen,
welche wiederum an ihrem Herd und Heim von den ebenso grausamen als
schmutzigen Handlangern des Verbrechens, der Zerreißung des Landes und des
Umsturzes angefallen worden sind."

Die englischen Freunde Parnells, die Radikalen, wollen ihn und seine
Anhänger als nicht mit den Attentaten im Zusammenhang stehend betrachtet
wissen. Die Fenier sollen ihm feindselig gesinnt sein, weil er die Trennung
Irlands von England auf verfassungsmäßigen Wegen betreibe. Aber wenn der
Angriff auf Lady Dixie den Ursprung und die Bedeutung hat, die man ihm
in England zuschreibt, so fällt die Annahme eines Zwiespaltes zwischen den
Feniern und dem Führer der Landliga sofort weg. Wäre dieser der Leiter einer
Bewegung, die jenen, wie man zu sagen pflegt, nicht in den Kram paßte, wie
würden dann die irischen Verschwörer aus den Gedanken gekommen sein, an einer
Dame Rache zu üben für Vorwürfe und Anklagen in Geldfragen, die sich nicht
gegen O'Donovan Rossa, den obersten Beamten der Fenierbrüderschaft, sondern
gegen Parnell und Egan, die Führer der Landliga, richteten? In Wirklichkeit
ist die Behauptung, daß die Homerulers, Nationalisten und Landligisten mit den
Feniern auf gespanntem Fuße lebten, längst veraltet und widerlegt. Früher
allerdings hielten sich die letztern von den „konstitutionellen" Wühlern fern.
Michael Davitt aber brachte eine Vereinigung aller Elemente der irischen Re¬
volutionsparteien zustande. Die Landliga wurde das verbindende Glied zwischen
den Feniern und den Parnelliten oder Homernlern, und das Bündnis der beiden
Genossenschaften, welches zwar nicht ausdrücklich abgeschlossen wurde, trotzdem
aber auf ein sehr enges Einvernehmen hinauslief, ist niemals gelöst worden.
Ehedem machten sich die Nationalisten ein Vergnügen daraus, die Versamm¬
lungen der Homeruler mit dem Aufgebot von Pöbelrotten zu sprengen, aber
niemals hat man gehört, daß den Anhängern Parnells etwas derartiges wider¬
fahren wäre. Sie sahen ihm zu und nahmen ihn stillschweigend hin, nicht als
Führer, aber als Mitarbeiter, Vorbereiter und Bahnbrecher. Dieses Verhältnis
war jedem Beobachter der öffentlichen Vorgänge im politischen Leben Irlands
klare Thatsache, und es bedürfte dazu durchaus keines förmlichen Vertrages.
Man arbeitete ohne einen solchen einander in die Hände. Alle Gruppen der
irischen Opposition strebten einem und demselben Ziele zu, der Lostrennung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/14>, abgerufen am 01.07.2024.