Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Gin neuer Lessingmythus. es nur zu bedauern, daß man bei den meiste" Abweichungen schlechterdings In der Topographie Wolfenbttttels tappt der Verfasser vollkommen im Schon diese Blumenlese, auf den ersten dreißig Seiten des Buches gepflückt, Solche nebensächliche Punkte, könnte man nun einwenden, sind nicht des Gin neuer Lessingmythus. es nur zu bedauern, daß man bei den meiste» Abweichungen schlechterdings In der Topographie Wolfenbttttels tappt der Verfasser vollkommen im Schon diese Blumenlese, auf den ersten dreißig Seiten des Buches gepflückt, Solche nebensächliche Punkte, könnte man nun einwenden, sind nicht des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152898"/> <fw type="header" place="top"> Gin neuer Lessingmythus.</fw><lb/> <p xml:id="ID_562" prev="#ID_561"> es nur zu bedauern, daß man bei den meiste» Abweichungen schlechterdings<lb/> nicht einsehe» kann, weshalb er dieselben mit Absicht sollte begangen haben.<lb/> Folgende Beispiele werden das zur Genüge beweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_563"> In der Topographie Wolfenbttttels tappt der Verfasser vollkommen im<lb/> Dunkeln; er hat sich offenbar garnicht die Mühe genommen, einen Plan der<lb/> Stadt vor Beseitigung der Festungswerke auch nur anzusehen. Er läßt Lessing<lb/> lauter Phantasiewege schreiten und gebraucht falsche Bezeichnungen für Gebäude<lb/> und Straßen. Er spricht S. 4 von der „Stadtmühle," die noch jetzt die<lb/> „neue Mühle," früher die „neue Fürstliche Mühle" hieß; ferner S. 5 von<lb/> dem Rosenwalle, einer ganz neuen, von Rosenberge abgeleiteten Bezeichnung,<lb/> der früher die Jvachimsschanze genannt ward, wie ihn alte Leute noch jetzt<lb/> nennen. Auch der Ausgang aus der Stadt, das Thor u. s. w. sind falsch<lb/> geschildert. Vor dem Thore auf dem Wege nach dem Lcchlumerholze, das v. S.<lb/> beharrlich das Lcchnumerholz nennt (S. 37, 43, 65, 69. 131), geht Lessing<lb/> an „bäuerlichen Gehöften" vorüber, deren Giebelspitze» mit dem „uralten<lb/> Sachsenzeichen, den beiden aus Holz geschnittenen Pferdeköpfen," geziert sind<lb/> (S. 20). Dort haben aber nachweislich damals nur unbedeutende Gcirtner-<lb/> wvhnnngen und kleine Gartenhäuser, keine Bauernhöfe gestanden. S. 22 läßt<lb/> König Jerome von Westfalen das Schloß in Salzdcchlum auf Abbruch ver¬<lb/> steigern, während dies Geschüft in Wirklichkeit die Stadt Braunschweig besorgte.<lb/> Die Garnison Wvlfcnbüttels wird (S. 23) sehr übertrieben auf 5000 Sol¬<lb/> daten, die Höhe der Gesamtbevölkerung der Stadt „auf kaum das fünffache," also<lb/> etwa 25000 Menschen angegeben, während nach Hasset und Bege (I, S. 321)<lb/> die Zahl der Personen vom Ziviletat im Jahre 1780 nur 5972 Personen<lb/> betrug. Die Herzogin Antoinette, richtiger Antoinette Amalie, soll (S. 29) in<lb/> Wolfenbüttel beerdigt worden sein, während sie in der That in Braunschweig<lb/> beigesetzt wurde. Auch das ist nicht wahr, daß Antoinettenruhe nach ihrem Tode<lb/> verlassen und fast ohne die notdürftigste Pflege geblieben sei; die Herzogin<lb/> Philippine Charlotte, die Schwester Friedrichs des Großen, hat in der Folge><lb/> zeit in dem lieblich gelegenen Schlosse oft und gern ihre Wohnung aufgeschlagen.<lb/> Der graue Hof in Braunschweig endlich ist nicht 1831 abgebrannt, sondern,<lb/> wie allbekannt, während des Aufstandes in der Nacht vom 7. zum 8. Sep¬<lb/> tember 1830.</p><lb/> <p xml:id="ID_564"> Schon diese Blumenlese, auf den ersten dreißig Seiten des Buches gepflückt,<lb/> wird die geschichtlichen Vorstudien des Verfassers in etwas zweifelhaftem Lichte<lb/> erscheinen lassen. Und doch ist die Zahl der Unrichtigkeiten damit noch keines¬<lb/> wegs erschöpft.</p><lb/> <p xml:id="ID_565" next="#ID_566"> Solche nebensächliche Punkte, könnte man nun einwenden, sind nicht des<lb/> Aufhebens wert, wen» nur der Geist der Zeit richtig erfaßt und getreu wieder¬<lb/> gegeben ist. Gewiß, wenn dies geschehen wäre!. Aber mit großem Fleiße<lb/> sind eben nur die Schattenseite» der Zeit hervorgesucht, die Lichtseiten dagegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
Gin neuer Lessingmythus.
es nur zu bedauern, daß man bei den meiste» Abweichungen schlechterdings
nicht einsehe» kann, weshalb er dieselben mit Absicht sollte begangen haben.
Folgende Beispiele werden das zur Genüge beweisen.
In der Topographie Wolfenbttttels tappt der Verfasser vollkommen im
Dunkeln; er hat sich offenbar garnicht die Mühe genommen, einen Plan der
Stadt vor Beseitigung der Festungswerke auch nur anzusehen. Er läßt Lessing
lauter Phantasiewege schreiten und gebraucht falsche Bezeichnungen für Gebäude
und Straßen. Er spricht S. 4 von der „Stadtmühle," die noch jetzt die
„neue Mühle," früher die „neue Fürstliche Mühle" hieß; ferner S. 5 von
dem Rosenwalle, einer ganz neuen, von Rosenberge abgeleiteten Bezeichnung,
der früher die Jvachimsschanze genannt ward, wie ihn alte Leute noch jetzt
nennen. Auch der Ausgang aus der Stadt, das Thor u. s. w. sind falsch
geschildert. Vor dem Thore auf dem Wege nach dem Lcchlumerholze, das v. S.
beharrlich das Lcchnumerholz nennt (S. 37, 43, 65, 69. 131), geht Lessing
an „bäuerlichen Gehöften" vorüber, deren Giebelspitze» mit dem „uralten
Sachsenzeichen, den beiden aus Holz geschnittenen Pferdeköpfen," geziert sind
(S. 20). Dort haben aber nachweislich damals nur unbedeutende Gcirtner-
wvhnnngen und kleine Gartenhäuser, keine Bauernhöfe gestanden. S. 22 läßt
König Jerome von Westfalen das Schloß in Salzdcchlum auf Abbruch ver¬
steigern, während dies Geschüft in Wirklichkeit die Stadt Braunschweig besorgte.
Die Garnison Wvlfcnbüttels wird (S. 23) sehr übertrieben auf 5000 Sol¬
daten, die Höhe der Gesamtbevölkerung der Stadt „auf kaum das fünffache," also
etwa 25000 Menschen angegeben, während nach Hasset und Bege (I, S. 321)
die Zahl der Personen vom Ziviletat im Jahre 1780 nur 5972 Personen
betrug. Die Herzogin Antoinette, richtiger Antoinette Amalie, soll (S. 29) in
Wolfenbüttel beerdigt worden sein, während sie in der That in Braunschweig
beigesetzt wurde. Auch das ist nicht wahr, daß Antoinettenruhe nach ihrem Tode
verlassen und fast ohne die notdürftigste Pflege geblieben sei; die Herzogin
Philippine Charlotte, die Schwester Friedrichs des Großen, hat in der Folge>
zeit in dem lieblich gelegenen Schlosse oft und gern ihre Wohnung aufgeschlagen.
Der graue Hof in Braunschweig endlich ist nicht 1831 abgebrannt, sondern,
wie allbekannt, während des Aufstandes in der Nacht vom 7. zum 8. Sep¬
tember 1830.
Schon diese Blumenlese, auf den ersten dreißig Seiten des Buches gepflückt,
wird die geschichtlichen Vorstudien des Verfassers in etwas zweifelhaftem Lichte
erscheinen lassen. Und doch ist die Zahl der Unrichtigkeiten damit noch keines¬
wegs erschöpft.
Solche nebensächliche Punkte, könnte man nun einwenden, sind nicht des
Aufhebens wert, wen» nur der Geist der Zeit richtig erfaßt und getreu wieder¬
gegeben ist. Gewiß, wenn dies geschehen wäre!. Aber mit großem Fleiße
sind eben nur die Schattenseite» der Zeit hervorgesucht, die Lichtseiten dagegen
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