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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Pflichten dos Reiches gegen die deutsche Auswanderung,

haben. Gerade dieser weniger theoretische Teil der geographischen Forschung
ist bisher von den naturwissenschaftlichen Forschern ganz außer Acht gelassen
und von den Touristen nur flüchtig behandelt worden.

Die Erfahrungen und Erhebungen dieser Expeditionen und Untersuchungen
müßten nun vor allem an der Zentralstelle gesammelt, gesichtet lind dem großen
Publikum in geeigneter Form zugänglich gemacht werden. Je nach dem Aus¬
fall der Untersuchungen und der Bereitwilligkeit der betreffenden Landesregierung,
die deutsche Einwanderung zu begünstigen und. anzuziehen, würde es sich dann
darum handeln, auf diplomatischem Wege bestimmte Unterhandlungen anzu¬
knüpfen, um offizielle Garantie für die einwandernden Landeskinder zu erhalten-
Hier müßte z. B. festgestellt werden: der Naturalisationsmodus, freie Religions¬
übung u. s. w. Höchst wahrscheinlich würde sichs auch erreichen lassen, daß eine
eigne Behörde für diese Einwanderung gebildet wird, in welcher deutsche Kou-
sularbeamten die Rechte ihrer Landsleute wahrnehmen. Selbstverständlich kann
sich die deutsche Regierung mit der speziellen Unterbringung und Versorgung
des Einzelnen nicht abgeben; aber sie muß überwachen, daß allen ihr Recht
werde. Hier wird es also eine wichtige Aufgabe sein, den Abschluß nachteiliger
Kontrakte möglichst zu verhindern und andrerseits stritte Erfüllung eingegcmgner
Verpflichtungen auch von feiten der Eingebornen durch die Regierung derselben
durchzusetzen. Mit dieser Fürsorge muß aber auch zugleich eine gewisse Leitung
und Überwachung der Einwandrer selbst Hand in Hand gehen, welche meist im
fremden Lande wie eine führerlose Herde dastehen und gerade in diesem Zu¬
stande so häufig zur Beute fremden Eigennutzes und eigner Schwäche werden.
Auch ohne spezielle Versorgung des Einzelnen, ohne unnötige Bevormundung
selbständiger und energischer Elemente läßt sich hier durch einen Rat, dort durch
einen Wink und eine Empfehlung, im Notfalle bei den Würdigen durch kleine
Unterstützung, bei dem Unwürdigen durch ernste Borhaltung und endliche Aus¬
schließung viel erreiche". Das wesentliche ist, daß die Ausgewanderten fühlen,
daß sie nicht ganz jeden Haltes, jeder Hilfe und auch jeder Kontrole entbehren,
daß das Auge des Mutterlandes auch in der Fremde über sie wacht und daß
sie die Fühlung mit demselben nicht ganz verlieren. Gerade der Deutsche be¬
darf aus Gründen, welche zu erörtern hier zu weit führen würde, dieses Haltes,
dieser Direktion zunächst vor allen andern Nationen; keinem andern fällt es
zuerst so schwer, in fremdem Terrain einen festen Grund zu gewinnen. Na¬
türlich denken wir dabei vor allem an die Angehörigen der ländlichen Be¬
völkerung, weniger an den einzelnen gebildeten Auswandrer, den Kaufmann,
den Techniker u. s. w.

Zur Ausführung dieser mannigfachen schwierigen und Verantwortlicher Funk¬
tionen bedarf es aber vor allem geeigneter Organe der Reichsregierung. Mit
den bisherigen Konsularbeamten, speziell den Berufskonsuln, läßt sich, vielleicht
abgesehen von einzelnen Ausnahmen, derartiges nicht erreichen. Ohne diesen


Die Pflichten dos Reiches gegen die deutsche Auswanderung,

haben. Gerade dieser weniger theoretische Teil der geographischen Forschung
ist bisher von den naturwissenschaftlichen Forschern ganz außer Acht gelassen
und von den Touristen nur flüchtig behandelt worden.

Die Erfahrungen und Erhebungen dieser Expeditionen und Untersuchungen
müßten nun vor allem an der Zentralstelle gesammelt, gesichtet lind dem großen
Publikum in geeigneter Form zugänglich gemacht werden. Je nach dem Aus¬
fall der Untersuchungen und der Bereitwilligkeit der betreffenden Landesregierung,
die deutsche Einwanderung zu begünstigen und. anzuziehen, würde es sich dann
darum handeln, auf diplomatischem Wege bestimmte Unterhandlungen anzu¬
knüpfen, um offizielle Garantie für die einwandernden Landeskinder zu erhalten-
Hier müßte z. B. festgestellt werden: der Naturalisationsmodus, freie Religions¬
übung u. s. w. Höchst wahrscheinlich würde sichs auch erreichen lassen, daß eine
eigne Behörde für diese Einwanderung gebildet wird, in welcher deutsche Kou-
sularbeamten die Rechte ihrer Landsleute wahrnehmen. Selbstverständlich kann
sich die deutsche Regierung mit der speziellen Unterbringung und Versorgung
des Einzelnen nicht abgeben; aber sie muß überwachen, daß allen ihr Recht
werde. Hier wird es also eine wichtige Aufgabe sein, den Abschluß nachteiliger
Kontrakte möglichst zu verhindern und andrerseits stritte Erfüllung eingegcmgner
Verpflichtungen auch von feiten der Eingebornen durch die Regierung derselben
durchzusetzen. Mit dieser Fürsorge muß aber auch zugleich eine gewisse Leitung
und Überwachung der Einwandrer selbst Hand in Hand gehen, welche meist im
fremden Lande wie eine führerlose Herde dastehen und gerade in diesem Zu¬
stande so häufig zur Beute fremden Eigennutzes und eigner Schwäche werden.
Auch ohne spezielle Versorgung des Einzelnen, ohne unnötige Bevormundung
selbständiger und energischer Elemente läßt sich hier durch einen Rat, dort durch
einen Wink und eine Empfehlung, im Notfalle bei den Würdigen durch kleine
Unterstützung, bei dem Unwürdigen durch ernste Borhaltung und endliche Aus¬
schließung viel erreiche». Das wesentliche ist, daß die Ausgewanderten fühlen,
daß sie nicht ganz jeden Haltes, jeder Hilfe und auch jeder Kontrole entbehren,
daß das Auge des Mutterlandes auch in der Fremde über sie wacht und daß
sie die Fühlung mit demselben nicht ganz verlieren. Gerade der Deutsche be¬
darf aus Gründen, welche zu erörtern hier zu weit führen würde, dieses Haltes,
dieser Direktion zunächst vor allen andern Nationen; keinem andern fällt es
zuerst so schwer, in fremdem Terrain einen festen Grund zu gewinnen. Na¬
türlich denken wir dabei vor allem an die Angehörigen der ländlichen Be¬
völkerung, weniger an den einzelnen gebildeten Auswandrer, den Kaufmann,
den Techniker u. s. w.

Zur Ausführung dieser mannigfachen schwierigen und Verantwortlicher Funk¬
tionen bedarf es aber vor allem geeigneter Organe der Reichsregierung. Mit
den bisherigen Konsularbeamten, speziell den Berufskonsuln, läßt sich, vielleicht
abgesehen von einzelnen Ausnahmen, derartiges nicht erreichen. Ohne diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/127>, abgerufen am 03.07.2024.