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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Alexandras Rnmundlirys,

Knmundnros hatte die Überzeugung, daß Griechenland nicht anders regiert
werden könne, als durch freie konstitutionelle Institutionen, und war der warme
Fürsprecher für die Rechte des Volkes und das parlamentarische Regime, Von
ihm an datiren die ersten freien Wahlen unter der Herrschaft des neue" Königs
Georg. Solange er am Ruder stand, hat er niemals auch nur den kleinsten Über¬
griff gegen die Konstitution und den Parlamentarismus sich zu schulden kommen
lassen. Er schöpfte seine Macht nur aus dem Parlamente, dessen Kind er sich
einmal nannte. Er war von Natur dazu geschaffen, an der Spitze großer
Parteien zu stehen. Er verdankte das seiner ungekünstelte" Liebenswürdigkeit,
der Biegsamkeit feines Geistes, seinem edel" Herzen, dem unveränderlichen Gleich¬
gewicht der Seele, das ihm tren blieb im Glück wie im Unglück seines poli¬
tischen Lebens, endlich seinein verträgliche" Charakter. Er liebte es mehr, nach-
zugeben, um etwas zu erreichen, als durch Starrsinn und auf die ungewisse
Hoffnung hin, mehr zu erreiche", vielleicht sein Ziel zu verfehlen. Während der
letzten zwanzig Jahre war er länger Minister als je ein andrer unter den
Staatsmännern Griechenlands; so sah er in den Reihe" seiner Gegner die be¬
deutendste" Männer seiner Zeit. Wenn er sie alle besiegte, so verdankte er
dies weder dem Zufall "och der Nachlässigkeit seiner Gegner, sondern allein
seiner geistigen Überlegenheit und Gewandtheit.

Kumuuduros arbeitete mehr als jeder andre, um der neuen Richtung der
Nation gerecht zu werden. Schon vor der Vertreibung des Königs Otto be¬
gann durch ihn ein neuer, liberaler Geist im politischen Leben sich zu regen, und
nach dem Falle des Königs (!1862) suchte er überall neue Ideen zu benutzen
und öffnete den Prinzipien eines vernünftige" Fortschrittes Thür und Thor.
Er benutzte seine langjährige Verwaltung zu vielen Verbesserungen, er bereicherte
die Legislatur des Landes, und er ist, wie mit Recht gesagt wird, der Gründer
des Parlamentarismus in Griechenland.

Seinen milden und verträglichen Charakter zeigte Kumundurvs auch in der
äußern Politik Griechenlands. Hatten bis ans seine Zeit die politischen Par¬
teien Griechenlands sich stets einer der drei Schutzmächte angeschlossen, so sah
er zuerst ein, daß Griechenland allen Großmächten zu Dank verpflichtet sei und
daß seine Staatsmänner den Ratschläge" derjenigen Mächte zu folgen hätten,
welche die Interessen Griechenlands gegen den gemeinsamen Feind, den Pansln-
vismus, unterstützten. Seit 1870 waren seine Blicke vorzüglich auf Dentschland
gerichtet, dessen gewaltige Fortschritte er mit Bewunderung wahrnahm und von
dem er einen günstigen Einfluß auf die Entwickln";; der griechischen Interessen
erhoffte. Mit dein deutschen Gesandten in Athen von Nadowitz verband ihn eine
innige Neigung und persönliche Fremidschaft. Der Geist des Zusammenwirkens
mit deu andern christlichen Völkern der HämoShalbinsel, der Geist der Ver¬
träglichkeit mit den großen Mächten Europas, die Rücksichten auf die geringen
Mittel des Landes leiteten seine Entschlüsse. Kühnheit in der Anregung äußerer


Alexandras Rnmundlirys,

Knmundnros hatte die Überzeugung, daß Griechenland nicht anders regiert
werden könne, als durch freie konstitutionelle Institutionen, und war der warme
Fürsprecher für die Rechte des Volkes und das parlamentarische Regime, Von
ihm an datiren die ersten freien Wahlen unter der Herrschaft des neue» Königs
Georg. Solange er am Ruder stand, hat er niemals auch nur den kleinsten Über¬
griff gegen die Konstitution und den Parlamentarismus sich zu schulden kommen
lassen. Er schöpfte seine Macht nur aus dem Parlamente, dessen Kind er sich
einmal nannte. Er war von Natur dazu geschaffen, an der Spitze großer
Parteien zu stehen. Er verdankte das seiner ungekünstelte» Liebenswürdigkeit,
der Biegsamkeit feines Geistes, seinem edel» Herzen, dem unveränderlichen Gleich¬
gewicht der Seele, das ihm tren blieb im Glück wie im Unglück seines poli¬
tischen Lebens, endlich seinein verträgliche» Charakter. Er liebte es mehr, nach-
zugeben, um etwas zu erreichen, als durch Starrsinn und auf die ungewisse
Hoffnung hin, mehr zu erreiche», vielleicht sein Ziel zu verfehlen. Während der
letzten zwanzig Jahre war er länger Minister als je ein andrer unter den
Staatsmännern Griechenlands; so sah er in den Reihe» seiner Gegner die be¬
deutendste» Männer seiner Zeit. Wenn er sie alle besiegte, so verdankte er
dies weder dem Zufall »och der Nachlässigkeit seiner Gegner, sondern allein
seiner geistigen Überlegenheit und Gewandtheit.

Kumuuduros arbeitete mehr als jeder andre, um der neuen Richtung der
Nation gerecht zu werden. Schon vor der Vertreibung des Königs Otto be¬
gann durch ihn ein neuer, liberaler Geist im politischen Leben sich zu regen, und
nach dem Falle des Königs (!1862) suchte er überall neue Ideen zu benutzen
und öffnete den Prinzipien eines vernünftige» Fortschrittes Thür und Thor.
Er benutzte seine langjährige Verwaltung zu vielen Verbesserungen, er bereicherte
die Legislatur des Landes, und er ist, wie mit Recht gesagt wird, der Gründer
des Parlamentarismus in Griechenland.

Seinen milden und verträglichen Charakter zeigte Kumundurvs auch in der
äußern Politik Griechenlands. Hatten bis ans seine Zeit die politischen Par¬
teien Griechenlands sich stets einer der drei Schutzmächte angeschlossen, so sah
er zuerst ein, daß Griechenland allen Großmächten zu Dank verpflichtet sei und
daß seine Staatsmänner den Ratschläge» derjenigen Mächte zu folgen hätten,
welche die Interessen Griechenlands gegen den gemeinsamen Feind, den Pansln-
vismus, unterstützten. Seit 1870 waren seine Blicke vorzüglich auf Dentschland
gerichtet, dessen gewaltige Fortschritte er mit Bewunderung wahrnahm und von
dem er einen günstigen Einfluß auf die Entwickln»;; der griechischen Interessen
erhoffte. Mit dein deutschen Gesandten in Athen von Nadowitz verband ihn eine
innige Neigung und persönliche Fremidschaft. Der Geist des Zusammenwirkens
mit deu andern christlichen Völkern der HämoShalbinsel, der Geist der Ver¬
träglichkeit mit den großen Mächten Europas, die Rücksichten auf die geringen
Mittel des Landes leiteten seine Entschlüsse. Kühnheit in der Anregung äußerer


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[0118] Alexandras Rnmundlirys, Knmundnros hatte die Überzeugung, daß Griechenland nicht anders regiert werden könne, als durch freie konstitutionelle Institutionen, und war der warme Fürsprecher für die Rechte des Volkes und das parlamentarische Regime, Von ihm an datiren die ersten freien Wahlen unter der Herrschaft des neue» Königs Georg. Solange er am Ruder stand, hat er niemals auch nur den kleinsten Über¬ griff gegen die Konstitution und den Parlamentarismus sich zu schulden kommen lassen. Er schöpfte seine Macht nur aus dem Parlamente, dessen Kind er sich einmal nannte. Er war von Natur dazu geschaffen, an der Spitze großer Parteien zu stehen. Er verdankte das seiner ungekünstelte» Liebenswürdigkeit, der Biegsamkeit feines Geistes, seinem edel» Herzen, dem unveränderlichen Gleich¬ gewicht der Seele, das ihm tren blieb im Glück wie im Unglück seines poli¬ tischen Lebens, endlich seinein verträgliche» Charakter. Er liebte es mehr, nach- zugeben, um etwas zu erreichen, als durch Starrsinn und auf die ungewisse Hoffnung hin, mehr zu erreiche», vielleicht sein Ziel zu verfehlen. Während der letzten zwanzig Jahre war er länger Minister als je ein andrer unter den Staatsmännern Griechenlands; so sah er in den Reihe» seiner Gegner die be¬ deutendste» Männer seiner Zeit. Wenn er sie alle besiegte, so verdankte er dies weder dem Zufall »och der Nachlässigkeit seiner Gegner, sondern allein seiner geistigen Überlegenheit und Gewandtheit. Kumuuduros arbeitete mehr als jeder andre, um der neuen Richtung der Nation gerecht zu werden. Schon vor der Vertreibung des Königs Otto be¬ gann durch ihn ein neuer, liberaler Geist im politischen Leben sich zu regen, und nach dem Falle des Königs (!1862) suchte er überall neue Ideen zu benutzen und öffnete den Prinzipien eines vernünftige» Fortschrittes Thür und Thor. Er benutzte seine langjährige Verwaltung zu vielen Verbesserungen, er bereicherte die Legislatur des Landes, und er ist, wie mit Recht gesagt wird, der Gründer des Parlamentarismus in Griechenland. Seinen milden und verträglichen Charakter zeigte Kumundurvs auch in der äußern Politik Griechenlands. Hatten bis ans seine Zeit die politischen Par¬ teien Griechenlands sich stets einer der drei Schutzmächte angeschlossen, so sah er zuerst ein, daß Griechenland allen Großmächten zu Dank verpflichtet sei und daß seine Staatsmänner den Ratschläge» derjenigen Mächte zu folgen hätten, welche die Interessen Griechenlands gegen den gemeinsamen Feind, den Pansln- vismus, unterstützten. Seit 1870 waren seine Blicke vorzüglich auf Dentschland gerichtet, dessen gewaltige Fortschritte er mit Bewunderung wahrnahm und von dem er einen günstigen Einfluß auf die Entwickln»;; der griechischen Interessen erhoffte. Mit dein deutschen Gesandten in Athen von Nadowitz verband ihn eine innige Neigung und persönliche Fremidschaft. Der Geist des Zusammenwirkens mit deu andern christlichen Völkern der HämoShalbinsel, der Geist der Ver¬ träglichkeit mit den großen Mächten Europas, die Rücksichten auf die geringen Mittel des Landes leiteten seine Entschlüsse. Kühnheit in der Anregung äußerer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/118>, abgerufen am 03.07.2024.