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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Gi^seit um AlK'ttschwcrdt.

wirst noch einmal eine böse Stunde durchzumachen haben, wenn du mit der¬
selben Leichtfertigkeit fortfährst.

Da du so dafür eingenommen bist, liebe Mama, es in der Unterhaltung streng
zu nehmen, möchte ich dich darauf aufmerksam machen, daß deine Auffassung
des Wortes frivol, welches du auf mich anzuwenden beliebtest, sich wohl nicht
ganz mit der von den Akademien angenommenen Bedeutung deckt. Mau ver¬
steht unter frivol, wenn ich nicht irre, die spöttische Behandlung sittlich ernster
Dinge, und ich glaube, daß man die Verfolgung einer sogenannten Vernunft¬
heirat zu egoistischen Zwecken kaum ein sittlich ernstes Ding nennen darf. Aber
lassen wir dies Thema fallen, welches kaum zu unsrer Erheiterung beitragen
möchte. Wie gefiel dir der Maler? Es schien mir, als wäre er keine üble
Persönlichkeit, und ich muß gestehen, daß er etwas Sympathisches für mich hat,
obwohl ich seineu Vortrag über die ersten Prinzipien der Kunst, den er mir
zuletzt noch gewissermaßen als Stcigbügeltruuk offerirte, nicht recht zu schätzen
wußte.

Die Gräfin verfiel wieder in ihr früheres Schweigen, und ihr Sohn war
darüber erstaunt, denn er hatte geglaubt, glücklich eine Klippe umschifft und in
das Fahrwasser einer ruhigen Stimmung gelenkt zu haben.

Endlich hob Gräfin Sibylle von neuem an. Ich denke mir, Dietrich, sagte
..'sie, dn mußt überzeugt davon sein, daß alle Schritte, welche ich thue, lediglich
in deinem eignen Interesse geschehen, und ich bitte dich, mir auch zu glauben,
daß die Vorwürfe, die ich dir macheu muß, wie die Ratschläge, welche ich dir
aus meiner mütterlichen Erfahrung gebe, zu deinem besten sind. Ich kann dir
nicht verhehlen, daß ich dich zu weich, zu nachgiebig, zu schmiegsam finde. Glaube
mir, mein lieber Sohn, daß es vor allem der Härte und Schärfe bedarf, um
im Leben durchzudringen. Die Konkurrenz ist groß, mein lieber Dietrich, alle
drängen nach dem Erfolg, und nur eiserne Ellenbogen haben in diesem Gewühl
günstige Chancen. Es siel mir heute Abend schon unangenehm auf, daß du
dem geschwätzigen alten Herrn, der uns mit einer Vorlesung über Gut und
Böse erbauen wollte, so schnell Recht gabst. Jetzt ist dir wieder dieser Maler,
ein hergelaufener Habenichts, sympathisch. Was aber für dich heute die Haupt¬
sache sein mußte, die Befreundung mit dem Baron Sextus und seiner Tochter,
das erlebst du nur ganz nebensächlich. Ich sage dir, Dietrich, ein Mann, der
nicht unverwandt auf sein Ziel sieht, hat keine Aussicht, es zu erreichen.

Aber meine beste Mutter, entgegnete Dietrich, du sprichst wahrhaftig so,
als ob ich ein Ertrinkender wäre, der notgedrungen nach dem ihm hingewor¬
fenen Seile greifen müßte. Ich denke doch, daß, die Schönheit der holden Do¬
rothea und den Reichtum ihres Vaters in allen Ehren, ein Graf Altenschwerdt
immer eine gleichwertige Partie für eine Baronesse Sextus ist.

Die Gräfin machte eine Geberde der Ungeduld, welche so lebhaft war, daß
Dietrich sie trotz det Dunkelheit bemerkte.


Die Gi^seit um AlK'ttschwcrdt.

wirst noch einmal eine böse Stunde durchzumachen haben, wenn du mit der¬
selben Leichtfertigkeit fortfährst.

Da du so dafür eingenommen bist, liebe Mama, es in der Unterhaltung streng
zu nehmen, möchte ich dich darauf aufmerksam machen, daß deine Auffassung
des Wortes frivol, welches du auf mich anzuwenden beliebtest, sich wohl nicht
ganz mit der von den Akademien angenommenen Bedeutung deckt. Mau ver¬
steht unter frivol, wenn ich nicht irre, die spöttische Behandlung sittlich ernster
Dinge, und ich glaube, daß man die Verfolgung einer sogenannten Vernunft¬
heirat zu egoistischen Zwecken kaum ein sittlich ernstes Ding nennen darf. Aber
lassen wir dies Thema fallen, welches kaum zu unsrer Erheiterung beitragen
möchte. Wie gefiel dir der Maler? Es schien mir, als wäre er keine üble
Persönlichkeit, und ich muß gestehen, daß er etwas Sympathisches für mich hat,
obwohl ich seineu Vortrag über die ersten Prinzipien der Kunst, den er mir
zuletzt noch gewissermaßen als Stcigbügeltruuk offerirte, nicht recht zu schätzen
wußte.

Die Gräfin verfiel wieder in ihr früheres Schweigen, und ihr Sohn war
darüber erstaunt, denn er hatte geglaubt, glücklich eine Klippe umschifft und in
das Fahrwasser einer ruhigen Stimmung gelenkt zu haben.

Endlich hob Gräfin Sibylle von neuem an. Ich denke mir, Dietrich, sagte
..'sie, dn mußt überzeugt davon sein, daß alle Schritte, welche ich thue, lediglich
in deinem eignen Interesse geschehen, und ich bitte dich, mir auch zu glauben,
daß die Vorwürfe, die ich dir macheu muß, wie die Ratschläge, welche ich dir
aus meiner mütterlichen Erfahrung gebe, zu deinem besten sind. Ich kann dir
nicht verhehlen, daß ich dich zu weich, zu nachgiebig, zu schmiegsam finde. Glaube
mir, mein lieber Sohn, daß es vor allem der Härte und Schärfe bedarf, um
im Leben durchzudringen. Die Konkurrenz ist groß, mein lieber Dietrich, alle
drängen nach dem Erfolg, und nur eiserne Ellenbogen haben in diesem Gewühl
günstige Chancen. Es siel mir heute Abend schon unangenehm auf, daß du
dem geschwätzigen alten Herrn, der uns mit einer Vorlesung über Gut und
Böse erbauen wollte, so schnell Recht gabst. Jetzt ist dir wieder dieser Maler,
ein hergelaufener Habenichts, sympathisch. Was aber für dich heute die Haupt¬
sache sein mußte, die Befreundung mit dem Baron Sextus und seiner Tochter,
das erlebst du nur ganz nebensächlich. Ich sage dir, Dietrich, ein Mann, der
nicht unverwandt auf sein Ziel sieht, hat keine Aussicht, es zu erreichen.

Aber meine beste Mutter, entgegnete Dietrich, du sprichst wahrhaftig so,
als ob ich ein Ertrinkender wäre, der notgedrungen nach dem ihm hingewor¬
fenen Seile greifen müßte. Ich denke doch, daß, die Schönheit der holden Do¬
rothea und den Reichtum ihres Vaters in allen Ehren, ein Graf Altenschwerdt
immer eine gleichwertige Partie für eine Baronesse Sextus ist.

Die Gräfin machte eine Geberde der Ungeduld, welche so lebhaft war, daß
Dietrich sie trotz det Dunkelheit bemerkte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/109>, abgerufen am 03.07.2024.