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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen vou Allcnschnu'öde.

Du bist nicht dieser Meinung, sagte er. Ich möchte aber wohl wissen,
warum nicht. Es ist sehr möglich, wenn auch meine Bescheidenheit mir ver¬
bietet, es als ganz gewiß anzunehmen, daß ich eine gute Karriere mache. Ich
bin heute Attache, ich kann in drei Jahren Sekretär sein, und in fünfzehn Jahren,
wenn mir einigermaßen das Glück lächelt, Gesandter. Wer seine Frau auf dem
Quirinal oder in Zarskoje Scio vorstellen kann, hat keine schlechten Heirats-
chancen.

Ich vermute, mein lieber Dietrich, entgegnete sie in sarkastischen Tone,
daß du, um wirklich eine so glänzende Karriere zu machen, ein wenig mehr als
bis jetzt die Eigenschaften entfalten müßtest, die ich dir empfahl. Aber wir
wollen einmal ernsthaft sprechen: Du wirst nicht imstande sein, auch nur noch
drei Jahre lang den bisherigen Luxus in deinen Ausgaben fortzusetzen, wenn
du dich nicht vorteilhaft verheiratest.

Was? rief er.

Ich habe mir die erdenklichste Mühe gegeben, den Rest des großen Ver¬
mögens, welches dein Vater zu verschwenden gewußt hat, in deinem Interesse
gut zu verwalten, und ich habe auf deine weichliche Empfindung soviel Rück¬
sicht genommen, daß ich nicht einmal das allmähliche Zusammenschmelzen des
Kapitals, welches allein durch deine großen Ausgaben entstand, dich habe wissen
lassen. Jetzt besitzen wir gerade noch zwanzigtausend Thaler, und wenn ich
dir davon jährlich fünftausend auszahle und deu Rest für mich selber rechne,
so werden wir im Zeitraum von drei Jahren vis Z. vis an risn sein.

Alle Wetter! rief ihr Sohn erschrocken, das hättest du eher sagen sollen!

Wenn du also nicht eine Partie machst, und zwar bald machst, fuhr die
Gräfin mit eisiger Kälte fort, eine Partie, welche dir für deine Karriere ein
neues Fundament giebt, so kannst du dich nach einem Sekretär- und Gesaudten-
posten in Bolivia oder Venezuela oder in sonst einer jener angenehmen Gegenden
umthun, wo dir die Naturwüchsigkeit der Verhältnisse erlaubt, von deinem Ge¬
halt zu leben.

Das ist allerdings eine desperate Situation! rief Dietrich in äußerster
Bestürzung.

Sie ist solange nicht desperat, wie du ein Mann bist! sagte Gräfin Si-
bylle in strengem Tone.

Graf Dietrich stöhnte laut und gab in vielfachen Klagen seine Enttäuschung
kund. Er war so sehr daran gewöhnt, daß gütige Genien selbst die Falten in
den Rosenblättern seines Lagers glätteten, daß ihm die Notwendigkeit, das
Leben ernst zu nehmen, entsetzlich bitter erschien. Für einen Augenblick durch¬
zuckte ihn der tröstliche Gedanke, sein bedeutendes dichterisches Talent könne ihm
einen neuen glänzenden Weg eröffnen, aber die Hoffnungen auf deu Lorber
Apollos hielten nicht Stand vor den Befürchtungen, welche sich für ihn an den
Gedanken eines Ausgebens der diplomatischen Laufbahn knüpften. Er wollte


Die Grafen vou Allcnschnu'öde.

Du bist nicht dieser Meinung, sagte er. Ich möchte aber wohl wissen,
warum nicht. Es ist sehr möglich, wenn auch meine Bescheidenheit mir ver¬
bietet, es als ganz gewiß anzunehmen, daß ich eine gute Karriere mache. Ich
bin heute Attache, ich kann in drei Jahren Sekretär sein, und in fünfzehn Jahren,
wenn mir einigermaßen das Glück lächelt, Gesandter. Wer seine Frau auf dem
Quirinal oder in Zarskoje Scio vorstellen kann, hat keine schlechten Heirats-
chancen.

Ich vermute, mein lieber Dietrich, entgegnete sie in sarkastischen Tone,
daß du, um wirklich eine so glänzende Karriere zu machen, ein wenig mehr als
bis jetzt die Eigenschaften entfalten müßtest, die ich dir empfahl. Aber wir
wollen einmal ernsthaft sprechen: Du wirst nicht imstande sein, auch nur noch
drei Jahre lang den bisherigen Luxus in deinen Ausgaben fortzusetzen, wenn
du dich nicht vorteilhaft verheiratest.

Was? rief er.

Ich habe mir die erdenklichste Mühe gegeben, den Rest des großen Ver¬
mögens, welches dein Vater zu verschwenden gewußt hat, in deinem Interesse
gut zu verwalten, und ich habe auf deine weichliche Empfindung soviel Rück¬
sicht genommen, daß ich nicht einmal das allmähliche Zusammenschmelzen des
Kapitals, welches allein durch deine großen Ausgaben entstand, dich habe wissen
lassen. Jetzt besitzen wir gerade noch zwanzigtausend Thaler, und wenn ich
dir davon jährlich fünftausend auszahle und deu Rest für mich selber rechne,
so werden wir im Zeitraum von drei Jahren vis Z. vis an risn sein.

Alle Wetter! rief ihr Sohn erschrocken, das hättest du eher sagen sollen!

Wenn du also nicht eine Partie machst, und zwar bald machst, fuhr die
Gräfin mit eisiger Kälte fort, eine Partie, welche dir für deine Karriere ein
neues Fundament giebt, so kannst du dich nach einem Sekretär- und Gesaudten-
posten in Bolivia oder Venezuela oder in sonst einer jener angenehmen Gegenden
umthun, wo dir die Naturwüchsigkeit der Verhältnisse erlaubt, von deinem Ge¬
halt zu leben.

Das ist allerdings eine desperate Situation! rief Dietrich in äußerster
Bestürzung.

Sie ist solange nicht desperat, wie du ein Mann bist! sagte Gräfin Si-
bylle in strengem Tone.

Graf Dietrich stöhnte laut und gab in vielfachen Klagen seine Enttäuschung
kund. Er war so sehr daran gewöhnt, daß gütige Genien selbst die Falten in
den Rosenblättern seines Lagers glätteten, daß ihm die Notwendigkeit, das
Leben ernst zu nehmen, entsetzlich bitter erschien. Für einen Augenblick durch¬
zuckte ihn der tröstliche Gedanke, sein bedeutendes dichterisches Talent könne ihm
einen neuen glänzenden Weg eröffnen, aber die Hoffnungen auf deu Lorber
Apollos hielten nicht Stand vor den Befürchtungen, welche sich für ihn an den
Gedanken eines Ausgebens der diplomatischen Laufbahn knüpften. Er wollte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/110>, abgerufen am 01.07.2024.