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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Es lag ein Schatten auf seinem edeln, vornehmen Gesicht, als er dem Baron
die Hand drückte und zu seinem Wagen ging, in dem Augenblick, wo Gräfin
Sibylle ihren Sohn abrufen ließ. Eberhardt folgte ihm. Als er, der letzte
der Gäste, durch den Korridor schritt, stand Dorothea in der Thür des Ankleide¬
zimmers und gab ihm noch eiuen freundlichen Gruß mit bedeutungsvollen
Winken auf den Weg.

Sie sah heiter aus, um den Geliebten nicht zu betrüben, aber auf ihrem
Gemüte lastete die Sorge. Unablässig dachte sie an Gräfin Sibylle, und sie
würde über deren Gesichtsausdruck noch unruhiger gewesen sein, wenn sie ihn
hätte sehen können, als die Dunkelheit des Wagens und des Waldweges jede
Verstellung unnötig machte und die scharfgeschnittenen Züge sich von der An¬
strengung der Freundlichkeit erholen durften.

Ohne ein Wort zu sprechen, lehnte sich die Gräfin in die gepolsterte Ecke
und verfolgte mit düsterm Auge die in dem roten Lichte der Wagenlaternen zurück¬
weichenden Bäume.

Zu verschiednen malen versuchte Dietrich eine Unterhaltung anzuknüpfen,
ohne daß es ihm gelang.

Ein sehr netter alter Herr, der General, sagte er. Ich hätte nicht ge¬
dacht, bei einem Manne, der sich bis zum General der Kavallerie hinaufgedient
hat, so viel Verständnis für geistige Interessen zu finden.

Die Gräfin schwieg.

Dietrich gähnte. Ein merkwürdiger alter Bau, das Schloß Eichhansen,
sagte er dann. Mich wundert, daß es die Erde da, wo es steht, noch nicht
eingedrückt hat.

Die Gräfin antwortete nicht.

Dietrich räusperte sich. Bist du denn sicher, Mama, fragte er, daß Do¬
rothea das einzige Kind ist und nicht etwa noch ein Sohn irgendwo die kaval¬
leristischen Traditionen des Vaters fortsetzt?

Ich möchte wünschen, mein lieber Dietrich, antwortete die Gräfin jetzt mit
einer Stimme, deren Ton den jungen Mann seltsam berührte, ich möchte wün¬
schen, daß du in etwas weniger frivoler Weise die ernstesten Interesse" deines
Lebens behandeltest.

Frivol? fragte er.

Frivol! rief sie zornig. Wie kannst du so über einen Gegenstand fragen,
der deine ganze Zukunft in sich schließt? Habe ich dir nicht ausführlich dar¬
gelegt, wie es sich mit der Erbschaft von Eichhausen verhält?

Sei doch nur nicht gleich so gereizt, Mama! Ist es denn nötig, beständig
gesattelt und gespornt in der Konversation zu halten?

Für kluge Mäuner allerdings, und ich wundere mich, daß ein angehender
Diplomat so fragt. Aber freilich gehst du ja durchs Leben, als ob du täglich
von neuem Rosen in das Haar gestreut bekommen müßtest. Ich fürchte, du


Die Grafen von Altenschwerdt.

Es lag ein Schatten auf seinem edeln, vornehmen Gesicht, als er dem Baron
die Hand drückte und zu seinem Wagen ging, in dem Augenblick, wo Gräfin
Sibylle ihren Sohn abrufen ließ. Eberhardt folgte ihm. Als er, der letzte
der Gäste, durch den Korridor schritt, stand Dorothea in der Thür des Ankleide¬
zimmers und gab ihm noch eiuen freundlichen Gruß mit bedeutungsvollen
Winken auf den Weg.

Sie sah heiter aus, um den Geliebten nicht zu betrüben, aber auf ihrem
Gemüte lastete die Sorge. Unablässig dachte sie an Gräfin Sibylle, und sie
würde über deren Gesichtsausdruck noch unruhiger gewesen sein, wenn sie ihn
hätte sehen können, als die Dunkelheit des Wagens und des Waldweges jede
Verstellung unnötig machte und die scharfgeschnittenen Züge sich von der An¬
strengung der Freundlichkeit erholen durften.

Ohne ein Wort zu sprechen, lehnte sich die Gräfin in die gepolsterte Ecke
und verfolgte mit düsterm Auge die in dem roten Lichte der Wagenlaternen zurück¬
weichenden Bäume.

Zu verschiednen malen versuchte Dietrich eine Unterhaltung anzuknüpfen,
ohne daß es ihm gelang.

Ein sehr netter alter Herr, der General, sagte er. Ich hätte nicht ge¬
dacht, bei einem Manne, der sich bis zum General der Kavallerie hinaufgedient
hat, so viel Verständnis für geistige Interessen zu finden.

Die Gräfin schwieg.

Dietrich gähnte. Ein merkwürdiger alter Bau, das Schloß Eichhansen,
sagte er dann. Mich wundert, daß es die Erde da, wo es steht, noch nicht
eingedrückt hat.

Die Gräfin antwortete nicht.

Dietrich räusperte sich. Bist du denn sicher, Mama, fragte er, daß Do¬
rothea das einzige Kind ist und nicht etwa noch ein Sohn irgendwo die kaval¬
leristischen Traditionen des Vaters fortsetzt?

Ich möchte wünschen, mein lieber Dietrich, antwortete die Gräfin jetzt mit
einer Stimme, deren Ton den jungen Mann seltsam berührte, ich möchte wün¬
schen, daß du in etwas weniger frivoler Weise die ernstesten Interesse» deines
Lebens behandeltest.

Frivol? fragte er.

Frivol! rief sie zornig. Wie kannst du so über einen Gegenstand fragen,
der deine ganze Zukunft in sich schließt? Habe ich dir nicht ausführlich dar¬
gelegt, wie es sich mit der Erbschaft von Eichhausen verhält?

Sei doch nur nicht gleich so gereizt, Mama! Ist es denn nötig, beständig
gesattelt und gespornt in der Konversation zu halten?

Für kluge Mäuner allerdings, und ich wundere mich, daß ein angehender
Diplomat so fragt. Aber freilich gehst du ja durchs Leben, als ob du täglich
von neuem Rosen in das Haar gestreut bekommen müßtest. Ich fürchte, du


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[0108] Die Grafen von Altenschwerdt. Es lag ein Schatten auf seinem edeln, vornehmen Gesicht, als er dem Baron die Hand drückte und zu seinem Wagen ging, in dem Augenblick, wo Gräfin Sibylle ihren Sohn abrufen ließ. Eberhardt folgte ihm. Als er, der letzte der Gäste, durch den Korridor schritt, stand Dorothea in der Thür des Ankleide¬ zimmers und gab ihm noch eiuen freundlichen Gruß mit bedeutungsvollen Winken auf den Weg. Sie sah heiter aus, um den Geliebten nicht zu betrüben, aber auf ihrem Gemüte lastete die Sorge. Unablässig dachte sie an Gräfin Sibylle, und sie würde über deren Gesichtsausdruck noch unruhiger gewesen sein, wenn sie ihn hätte sehen können, als die Dunkelheit des Wagens und des Waldweges jede Verstellung unnötig machte und die scharfgeschnittenen Züge sich von der An¬ strengung der Freundlichkeit erholen durften. Ohne ein Wort zu sprechen, lehnte sich die Gräfin in die gepolsterte Ecke und verfolgte mit düsterm Auge die in dem roten Lichte der Wagenlaternen zurück¬ weichenden Bäume. Zu verschiednen malen versuchte Dietrich eine Unterhaltung anzuknüpfen, ohne daß es ihm gelang. Ein sehr netter alter Herr, der General, sagte er. Ich hätte nicht ge¬ dacht, bei einem Manne, der sich bis zum General der Kavallerie hinaufgedient hat, so viel Verständnis für geistige Interessen zu finden. Die Gräfin schwieg. Dietrich gähnte. Ein merkwürdiger alter Bau, das Schloß Eichhansen, sagte er dann. Mich wundert, daß es die Erde da, wo es steht, noch nicht eingedrückt hat. Die Gräfin antwortete nicht. Dietrich räusperte sich. Bist du denn sicher, Mama, fragte er, daß Do¬ rothea das einzige Kind ist und nicht etwa noch ein Sohn irgendwo die kaval¬ leristischen Traditionen des Vaters fortsetzt? Ich möchte wünschen, mein lieber Dietrich, antwortete die Gräfin jetzt mit einer Stimme, deren Ton den jungen Mann seltsam berührte, ich möchte wün¬ schen, daß du in etwas weniger frivoler Weise die ernstesten Interesse» deines Lebens behandeltest. Frivol? fragte er. Frivol! rief sie zornig. Wie kannst du so über einen Gegenstand fragen, der deine ganze Zukunft in sich schließt? Habe ich dir nicht ausführlich dar¬ gelegt, wie es sich mit der Erbschaft von Eichhausen verhält? Sei doch nur nicht gleich so gereizt, Mama! Ist es denn nötig, beständig gesattelt und gespornt in der Konversation zu halten? Für kluge Mäuner allerdings, und ich wundere mich, daß ein angehender Diplomat so fragt. Aber freilich gehst du ja durchs Leben, als ob du täglich von neuem Rosen in das Haar gestreut bekommen müßtest. Ich fürchte, du

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/108>, abgerufen am 03.07.2024.