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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen vo" Altenschwerdr.

jetzt erinnerte, hatten nur vermocht, ihn in seinem Vertrauen auf den fremden
Maler und das eigne unfehlbare Urteil zu bestärken, aber dies Lächeln machte
ihn denken, daß er vielleicht doch unvorsichtig gewesen sein könne, indem er
diesen Mann von völlig unbekannter Herkunft zu einem nähern Umgange heran¬
gezogen habe.

Er ist Maler, nicht wahr? fragte Gräfin Sibhlle.

Ich bitte Sie, gnädigste Gräfin, sagte Baron Sextus, wenn Sie irgend
etwas über diesen Herrn wissen, der mir immer als ein vollkommner Gentleman
erschienen ist, so halten Sie nicht aus irgend einer zarten Rücksicht damit zurück.

Ach, lieber Baron, entgegnete sie, man sollte heutzutage nicht allzu skru¬
pulös sein. Mein Himmel, wie bunt ist die Gesellschaft gemischt! Nur freilich
überrascht es mich etwas, gerade hier, auf Schloß Eichhausen, einem Herrn --
Eschenburg zu begegnen.

Baron Sextus fühlte etwas eiskaltes über seinen Rücken kriechen.

Guter Gott! sagte er leise, aber dringend, Sie wissen etwas nachteiliges
über diesen Mann. Ich bitte Sie, halten Sie nicht damit zurück!

Gräfin Sibylle legte ihre Hand auf die des Barons und rückte ihm noch
etwas näher, wobei sie vorsichtig nach dem Flügel hinübersah. Das Lied er¬
füllte mit seinen herrlichen Tönen den Saal und verschlang jede Unterhaltung.
Eberhardt war gleich den beiden andern Herren ganz in Zuhören versunken.

Es war mir auffällig, sagte Gräfin Sibylle, den Baron aus nächster Nähe
mit ihren dämonischen Augen fixirend, daß der Herr heute beim Souper eine
Geschichte von einer Kassette zum besten gab. Ich habe ein leidlich gutes Ge¬
dächtnis, und mir fiel plötzlich ein, daß ich ganz eben diese Geschichte schon
einmal gehört hatte.

Baron Sextus verfärbte sich.

Es war, wenn ich nicht irre, in Baden-Baden, kann aber möglicherweise
auch anderswo gewesen sein. Auch der Name Eschenburg kam bei jener Ge¬
legenheit in Frage, und, soviel ich mich erinnere, hatte die Geschichte bedeutenden
pekuniären Nachteil für einen begüterten Magnaten zur Folge, der sich in Na¬
tionalkostüm von einem Maler Eschenburg hatte Porträtiren lassen.

Obwohl sich dem Baron Sextus bei diesen Worten die Haare auf dem
Kopfe zu sträuben anfingen, atmete er doch zuletzt auf, als von Porträtiren
die Rede war.

Es muß eine Verwechslung sein, sagte er rasch, Herr Eschenburg malt nur
Landschaften.

Ah, das freut mich, sagte Gräfin Sibhlle. Das bedenklich machende Lächeln
fing wieder an. um ihre Mundwinkel zu spielen.

Freilich, sagte der Baron in sich gekehrt, wer Landschaften malt, bringt
am Ende auch ein Gesicht fertig.


Die Grafen vo» Altenschwerdr.

jetzt erinnerte, hatten nur vermocht, ihn in seinem Vertrauen auf den fremden
Maler und das eigne unfehlbare Urteil zu bestärken, aber dies Lächeln machte
ihn denken, daß er vielleicht doch unvorsichtig gewesen sein könne, indem er
diesen Mann von völlig unbekannter Herkunft zu einem nähern Umgange heran¬
gezogen habe.

Er ist Maler, nicht wahr? fragte Gräfin Sibhlle.

Ich bitte Sie, gnädigste Gräfin, sagte Baron Sextus, wenn Sie irgend
etwas über diesen Herrn wissen, der mir immer als ein vollkommner Gentleman
erschienen ist, so halten Sie nicht aus irgend einer zarten Rücksicht damit zurück.

Ach, lieber Baron, entgegnete sie, man sollte heutzutage nicht allzu skru¬
pulös sein. Mein Himmel, wie bunt ist die Gesellschaft gemischt! Nur freilich
überrascht es mich etwas, gerade hier, auf Schloß Eichhausen, einem Herrn —
Eschenburg zu begegnen.

Baron Sextus fühlte etwas eiskaltes über seinen Rücken kriechen.

Guter Gott! sagte er leise, aber dringend, Sie wissen etwas nachteiliges
über diesen Mann. Ich bitte Sie, halten Sie nicht damit zurück!

Gräfin Sibylle legte ihre Hand auf die des Barons und rückte ihm noch
etwas näher, wobei sie vorsichtig nach dem Flügel hinübersah. Das Lied er¬
füllte mit seinen herrlichen Tönen den Saal und verschlang jede Unterhaltung.
Eberhardt war gleich den beiden andern Herren ganz in Zuhören versunken.

Es war mir auffällig, sagte Gräfin Sibylle, den Baron aus nächster Nähe
mit ihren dämonischen Augen fixirend, daß der Herr heute beim Souper eine
Geschichte von einer Kassette zum besten gab. Ich habe ein leidlich gutes Ge¬
dächtnis, und mir fiel plötzlich ein, daß ich ganz eben diese Geschichte schon
einmal gehört hatte.

Baron Sextus verfärbte sich.

Es war, wenn ich nicht irre, in Baden-Baden, kann aber möglicherweise
auch anderswo gewesen sein. Auch der Name Eschenburg kam bei jener Ge¬
legenheit in Frage, und, soviel ich mich erinnere, hatte die Geschichte bedeutenden
pekuniären Nachteil für einen begüterten Magnaten zur Folge, der sich in Na¬
tionalkostüm von einem Maler Eschenburg hatte Porträtiren lassen.

Obwohl sich dem Baron Sextus bei diesen Worten die Haare auf dem
Kopfe zu sträuben anfingen, atmete er doch zuletzt auf, als von Porträtiren
die Rede war.

Es muß eine Verwechslung sein, sagte er rasch, Herr Eschenburg malt nur
Landschaften.

Ah, das freut mich, sagte Gräfin Sibhlle. Das bedenklich machende Lächeln
fing wieder an. um ihre Mundwinkel zu spielen.

Freilich, sagte der Baron in sich gekehrt, wer Landschaften malt, bringt
am Ende auch ein Gesicht fertig.


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[0104] Die Grafen vo» Altenschwerdr. jetzt erinnerte, hatten nur vermocht, ihn in seinem Vertrauen auf den fremden Maler und das eigne unfehlbare Urteil zu bestärken, aber dies Lächeln machte ihn denken, daß er vielleicht doch unvorsichtig gewesen sein könne, indem er diesen Mann von völlig unbekannter Herkunft zu einem nähern Umgange heran¬ gezogen habe. Er ist Maler, nicht wahr? fragte Gräfin Sibhlle. Ich bitte Sie, gnädigste Gräfin, sagte Baron Sextus, wenn Sie irgend etwas über diesen Herrn wissen, der mir immer als ein vollkommner Gentleman erschienen ist, so halten Sie nicht aus irgend einer zarten Rücksicht damit zurück. Ach, lieber Baron, entgegnete sie, man sollte heutzutage nicht allzu skru¬ pulös sein. Mein Himmel, wie bunt ist die Gesellschaft gemischt! Nur freilich überrascht es mich etwas, gerade hier, auf Schloß Eichhausen, einem Herrn — Eschenburg zu begegnen. Baron Sextus fühlte etwas eiskaltes über seinen Rücken kriechen. Guter Gott! sagte er leise, aber dringend, Sie wissen etwas nachteiliges über diesen Mann. Ich bitte Sie, halten Sie nicht damit zurück! Gräfin Sibylle legte ihre Hand auf die des Barons und rückte ihm noch etwas näher, wobei sie vorsichtig nach dem Flügel hinübersah. Das Lied er¬ füllte mit seinen herrlichen Tönen den Saal und verschlang jede Unterhaltung. Eberhardt war gleich den beiden andern Herren ganz in Zuhören versunken. Es war mir auffällig, sagte Gräfin Sibylle, den Baron aus nächster Nähe mit ihren dämonischen Augen fixirend, daß der Herr heute beim Souper eine Geschichte von einer Kassette zum besten gab. Ich habe ein leidlich gutes Ge¬ dächtnis, und mir fiel plötzlich ein, daß ich ganz eben diese Geschichte schon einmal gehört hatte. Baron Sextus verfärbte sich. Es war, wenn ich nicht irre, in Baden-Baden, kann aber möglicherweise auch anderswo gewesen sein. Auch der Name Eschenburg kam bei jener Ge¬ legenheit in Frage, und, soviel ich mich erinnere, hatte die Geschichte bedeutenden pekuniären Nachteil für einen begüterten Magnaten zur Folge, der sich in Na¬ tionalkostüm von einem Maler Eschenburg hatte Porträtiren lassen. Obwohl sich dem Baron Sextus bei diesen Worten die Haare auf dem Kopfe zu sträuben anfingen, atmete er doch zuletzt auf, als von Porträtiren die Rede war. Es muß eine Verwechslung sein, sagte er rasch, Herr Eschenburg malt nur Landschaften. Ah, das freut mich, sagte Gräfin Sibhlle. Das bedenklich machende Lächeln fing wieder an. um ihre Mundwinkel zu spielen. Freilich, sagte der Baron in sich gekehrt, wer Landschaften malt, bringt am Ende auch ein Gesicht fertig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/104>, abgerufen am 03.07.2024.