Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Die Grafen von Altenschwerdt. der Schlaf seines Herrn ihm heilig sei. Was sollte ich sagen? Der Mann ist Und darüber wird der freche Bursche entwischt sein, sagte der Baron. Hoffent¬ Ich habe mich vorläufig damit beschäftigt, ihn selbst zu suchen, indem ich Nun, rief der Baron, das ist ein Fall, den wir nicht auf sich beruhen Gräfin Sibyllens Augen boten während dieser Erzählung Eberhardts einen Die Anschauungen Ihres wackern Negers haben übrigens etwas, was mir Die Grafen von Altenschwerdt. der Schlaf seines Herrn ihm heilig sei. Was sollte ich sagen? Der Mann ist Und darüber wird der freche Bursche entwischt sein, sagte der Baron. Hoffent¬ Ich habe mich vorläufig damit beschäftigt, ihn selbst zu suchen, indem ich Nun, rief der Baron, das ist ein Fall, den wir nicht auf sich beruhen Gräfin Sibyllens Augen boten während dieser Erzählung Eberhardts einen Die Anschauungen Ihres wackern Negers haben übrigens etwas, was mir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152857"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_352" prev="#ID_351"> der Schlaf seines Herrn ihm heilig sei. Was sollte ich sagen? Der Mann ist<lb/> eben ein Original, und zwar eins aus gediegenem Golde.</p><lb/> <p xml:id="ID_353"> Und darüber wird der freche Bursche entwischt sein, sagte der Baron. Hoffent¬<lb/> lich haben Sie Anzeige gemacht!</p><lb/> <p xml:id="ID_354"> Ich habe mich vorläufig damit beschäftigt, ihn selbst zu suchen, indem ich<lb/> mich an die Indizien hielt, die Andrew mir gab. Das scheint mir sicherer zu<lb/> sein als die Hilfe der Hermandad von Scholldorf. Aber es ist mir trotzdem<lb/> nicht gelungen, den Einbrecher zu finden, nur habe ich beim Nachforschen schöne<lb/> Zeit versäumt, die ich angenehmer hätte verbringen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Nun, rief der Baron, das ist ein Fall, den wir nicht auf sich beruhen<lb/> lassen dürfen. Wir wollen den Staatsanwalt in Holzfurt benachrichtigen, nud<lb/> ich werde eine Belohnung von fünfhundert Mark für Entdeckung des Thäters<lb/> aussetzen. Das böse Beispiel möchte anstecken, und unser Kreis möchte noch<lb/> unsicherer werden, als er schon ist!</p><lb/> <p xml:id="ID_356"> Gräfin Sibyllens Augen boten während dieser Erzählung Eberhardts einen<lb/> so wundersamen Anblick, daß Dorothea, so eigentümlich sie selbst durch das dem<lb/> Geliebten widerfahrene Abenteuer berührt ward, sich nicht enthalten konnte, ge¬<lb/> spannt hinüber zu sehen. Welch ein Wechsel von Empfindungen in diesen un¬<lb/> heimlichen Augen bei solcher UnVeränderlichkeit der Züge und der Farben des<lb/> Gesichts!</p><lb/> <p xml:id="ID_357" next="#ID_358"> Die Anschauungen Ihres wackern Negers haben übrigens etwas, was mir<lb/> imponirt, fuhr Baron Sextus fort. Seit dem famosen Edikt vom 9. Oktober<lb/> 1807 über die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das wir den Staats¬<lb/> künsteleien gewisser von revolutionären Gleichheitsideen angefaulten Philoso¬<lb/> phanten verdanken, ist die Schrankenlosigkeit bei uns so mächtig und das Gesetz<lb/> so schwach geworden, daß eine Anlehnung an Richter Lynch sich sehr empfiehlt.<lb/> Das ist so recht eine Frucht der Losreißung der unterthänigen Bauern von<lb/> ihrer natürlichen Obrigkeit, dem Gutsherrn! Sobald jetzt die Einsegnung vor¬<lb/> über ist, also womöglich schon mit dem vierzehnten Jahre, haben Erziehung,<lb/> Zucht und Ordnung ein Ende, und der freie Mensch ist fertig. Es ist gerade<lb/> so, als ob der Staat es sich zur Aufgabe gesetzt hätte, ein möglichst großes<lb/> Proletariat heranzuziehen. Wie in den Ortschaften die Gesellen den Herrn über<lb/> den Meister spielen, seitdem das Gewerk nicht mehr existirt, so ist auf dem Lande<lb/> der Dienstherr Sklave seines Gesindes. Wo die wenigste Arbeit und die meiste<lb/> Liederlichkeit zu finden sind, da ziehen sich die Burschen und die Mägde hin, und<lb/> es ist nicht zu verwundern, daß bei solcher Wirtschaft die Verbrechen reißend<lb/> zunehmen. Und die Gerichte! Von Natur scheint ein jeder Richter liberal zu<lb/> sein, und der starre Buchstabe des Gesetzes, das Äußerliche am Recht, ist ihm<lb/> die Richtschnur in Aburteilung der Fälle. Ich glaube, wenn man heutzutage<lb/> an einen Richter das Ansinnen stellte, er sollte sich für die Prozesse interessiren,<lb/> die ihm vorkommen, und sollte mit seinem Gewissen bei der Sache sein, da</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
Die Grafen von Altenschwerdt.
der Schlaf seines Herrn ihm heilig sei. Was sollte ich sagen? Der Mann ist
eben ein Original, und zwar eins aus gediegenem Golde.
Und darüber wird der freche Bursche entwischt sein, sagte der Baron. Hoffent¬
lich haben Sie Anzeige gemacht!
Ich habe mich vorläufig damit beschäftigt, ihn selbst zu suchen, indem ich
mich an die Indizien hielt, die Andrew mir gab. Das scheint mir sicherer zu
sein als die Hilfe der Hermandad von Scholldorf. Aber es ist mir trotzdem
nicht gelungen, den Einbrecher zu finden, nur habe ich beim Nachforschen schöne
Zeit versäumt, die ich angenehmer hätte verbringen können.
Nun, rief der Baron, das ist ein Fall, den wir nicht auf sich beruhen
lassen dürfen. Wir wollen den Staatsanwalt in Holzfurt benachrichtigen, nud
ich werde eine Belohnung von fünfhundert Mark für Entdeckung des Thäters
aussetzen. Das böse Beispiel möchte anstecken, und unser Kreis möchte noch
unsicherer werden, als er schon ist!
Gräfin Sibyllens Augen boten während dieser Erzählung Eberhardts einen
so wundersamen Anblick, daß Dorothea, so eigentümlich sie selbst durch das dem
Geliebten widerfahrene Abenteuer berührt ward, sich nicht enthalten konnte, ge¬
spannt hinüber zu sehen. Welch ein Wechsel von Empfindungen in diesen un¬
heimlichen Augen bei solcher UnVeränderlichkeit der Züge und der Farben des
Gesichts!
Die Anschauungen Ihres wackern Negers haben übrigens etwas, was mir
imponirt, fuhr Baron Sextus fort. Seit dem famosen Edikt vom 9. Oktober
1807 über die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das wir den Staats¬
künsteleien gewisser von revolutionären Gleichheitsideen angefaulten Philoso¬
phanten verdanken, ist die Schrankenlosigkeit bei uns so mächtig und das Gesetz
so schwach geworden, daß eine Anlehnung an Richter Lynch sich sehr empfiehlt.
Das ist so recht eine Frucht der Losreißung der unterthänigen Bauern von
ihrer natürlichen Obrigkeit, dem Gutsherrn! Sobald jetzt die Einsegnung vor¬
über ist, also womöglich schon mit dem vierzehnten Jahre, haben Erziehung,
Zucht und Ordnung ein Ende, und der freie Mensch ist fertig. Es ist gerade
so, als ob der Staat es sich zur Aufgabe gesetzt hätte, ein möglichst großes
Proletariat heranzuziehen. Wie in den Ortschaften die Gesellen den Herrn über
den Meister spielen, seitdem das Gewerk nicht mehr existirt, so ist auf dem Lande
der Dienstherr Sklave seines Gesindes. Wo die wenigste Arbeit und die meiste
Liederlichkeit zu finden sind, da ziehen sich die Burschen und die Mägde hin, und
es ist nicht zu verwundern, daß bei solcher Wirtschaft die Verbrechen reißend
zunehmen. Und die Gerichte! Von Natur scheint ein jeder Richter liberal zu
sein, und der starre Buchstabe des Gesetzes, das Äußerliche am Recht, ist ihm
die Richtschnur in Aburteilung der Fälle. Ich glaube, wenn man heutzutage
an einen Richter das Ansinnen stellte, er sollte sich für die Prozesse interessiren,
die ihm vorkommen, und sollte mit seinem Gewissen bei der Sache sein, da
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