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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Der Schwarze zuckte, unwillig zu antworten, die Achseln.

Seien Sie nicht so verstockt, sagte die Gräfin. Sie scheinen sich einzu¬
bilden, ich wollte Sie ausforschen, ich nähme ein besondres Interesse an den
Schritten Ihres Herrn. Wenn ich ein Interesse an ihm nehme, so ist es freund¬
schaftlicher Art, denn ich kann nicht vergessen, wessen Sohn er ist, obwohl diese
Kenntnis für mich von zweifelhafter Annehmlichkeit ist. Ich konnte ihm viel¬
leicht förderlich in seinen Bestrebungen sein. Freilich, an Geld scheint es ihm
nicht zu mangeln, da er sich den Luxus gestattet, mit einem Diener zu reisen?

Ich habe keine Erlaubnis, irgend welche Mitteilungen über meines Herrn
Angelegenheiten zu machen.

Brav, mein alter Andrew, sagte die Gräfin freundlich, indem sie ihre Augen
suchend in dein kleinen Gemache umherschweifen ließ. Wenn ich Sie auch gerade
nicht liebenswürdig finde, so schätze ich doch die gute Eigenschaft der Diskretion.
Aber Sie irren sich über meine Absichten, mein Lieber. Wenn Sie wirklich ein
so warmes Gefühl der Anhänglichkeit an Ihren Herrn haben, thäten Sie klüger,
nicht so zugeknöpft zu sein. Ich will ihm wohl. Wie man mir sagte, war er
bei einem Rechtsanwalt in Berlin, um dort seiue Papiere zu deponiren. Das
läßt mich auf seine Absicht schließen, einen Prozeß anzufangen.

Sie irren sich, Frau Gräfin. Mein Herr ist nicht in Berlin gewesen.

Vielleicht wissen Sie es nicht. Mir ist bekannt, daß er Papiere zweifel¬
haften Wertes deponirt hat.

Papiere zweifelhaften Wertes? fragte der Schwarze unwillig. Sie wissen
so gut wie ich, Frau Gräfin, welchen Wert die Dokumente haben, auf welche
Sie zielen. Wenn mein Herr hier wäre und sie Ihnen zeigen wollte, so würden
Sie anders sprechen.

Wirklich? fragte sie. Ach, mein Lieber, Sie reden freilich, wie es einem
treuen, frommen Diener ansteht, der Sie immer waren. Aber ich bezweifle
doch, daß Ihre Kenntnis der Gesetze groß genug ist, um über diese Dokumente
ein vollgiltiges Urteil zu haben. Nicht wahr, sie liegen dort in der Kassette?

Sie zeigte bei diesen Worten auf den dunkeln, mit glänzendem Silber ein¬
gelegten Kasten, der seinen Platz auf der altertümlichen Kommode hatte und
auf dessen Beschlag sie ein ihr wohlbekanntes Wappen eingravirt entdeckte.

Der Schwarze machte eine unwillkürliche Bewegung, die der scharfen Be¬
obachtung der Gräfin nicht entging, aber faßte sich schnell wieder und sagte,
daß er es nicht wisse, und daß es ihn nichts angehe.

Die Gräfin erhob sich, ging auf die Kommode zu und betrachtete das er¬
innerungsvolle Erbstück. Indem sie überzeugt war, daß es jene Schriftstücke
verschlossen hielte, die für sie von der größten Wichtigkeit waren, zog es sie
mit magnetischer Gewalt an, und sie hätte gar zu gern Gewißheit gehabt.

Ach, Andrew, sagte sie mit einschmeichelnden, traurigem Tone, wenn Sie
wüßten, wie wenig Sie die wahre Natur meiner Gefühle gegen die unglückliche


Die Grafen von Altenschwerdt.

Der Schwarze zuckte, unwillig zu antworten, die Achseln.

Seien Sie nicht so verstockt, sagte die Gräfin. Sie scheinen sich einzu¬
bilden, ich wollte Sie ausforschen, ich nähme ein besondres Interesse an den
Schritten Ihres Herrn. Wenn ich ein Interesse an ihm nehme, so ist es freund¬
schaftlicher Art, denn ich kann nicht vergessen, wessen Sohn er ist, obwohl diese
Kenntnis für mich von zweifelhafter Annehmlichkeit ist. Ich konnte ihm viel¬
leicht förderlich in seinen Bestrebungen sein. Freilich, an Geld scheint es ihm
nicht zu mangeln, da er sich den Luxus gestattet, mit einem Diener zu reisen?

Ich habe keine Erlaubnis, irgend welche Mitteilungen über meines Herrn
Angelegenheiten zu machen.

Brav, mein alter Andrew, sagte die Gräfin freundlich, indem sie ihre Augen
suchend in dein kleinen Gemache umherschweifen ließ. Wenn ich Sie auch gerade
nicht liebenswürdig finde, so schätze ich doch die gute Eigenschaft der Diskretion.
Aber Sie irren sich über meine Absichten, mein Lieber. Wenn Sie wirklich ein
so warmes Gefühl der Anhänglichkeit an Ihren Herrn haben, thäten Sie klüger,
nicht so zugeknöpft zu sein. Ich will ihm wohl. Wie man mir sagte, war er
bei einem Rechtsanwalt in Berlin, um dort seiue Papiere zu deponiren. Das
läßt mich auf seine Absicht schließen, einen Prozeß anzufangen.

Sie irren sich, Frau Gräfin. Mein Herr ist nicht in Berlin gewesen.

Vielleicht wissen Sie es nicht. Mir ist bekannt, daß er Papiere zweifel¬
haften Wertes deponirt hat.

Papiere zweifelhaften Wertes? fragte der Schwarze unwillig. Sie wissen
so gut wie ich, Frau Gräfin, welchen Wert die Dokumente haben, auf welche
Sie zielen. Wenn mein Herr hier wäre und sie Ihnen zeigen wollte, so würden
Sie anders sprechen.

Wirklich? fragte sie. Ach, mein Lieber, Sie reden freilich, wie es einem
treuen, frommen Diener ansteht, der Sie immer waren. Aber ich bezweifle
doch, daß Ihre Kenntnis der Gesetze groß genug ist, um über diese Dokumente
ein vollgiltiges Urteil zu haben. Nicht wahr, sie liegen dort in der Kassette?

Sie zeigte bei diesen Worten auf den dunkeln, mit glänzendem Silber ein¬
gelegten Kasten, der seinen Platz auf der altertümlichen Kommode hatte und
auf dessen Beschlag sie ein ihr wohlbekanntes Wappen eingravirt entdeckte.

Der Schwarze machte eine unwillkürliche Bewegung, die der scharfen Be¬
obachtung der Gräfin nicht entging, aber faßte sich schnell wieder und sagte,
daß er es nicht wisse, und daß es ihn nichts angehe.

Die Gräfin erhob sich, ging auf die Kommode zu und betrachtete das er¬
innerungsvolle Erbstück. Indem sie überzeugt war, daß es jene Schriftstücke
verschlossen hielte, die für sie von der größten Wichtigkeit waren, zog es sie
mit magnetischer Gewalt an, und sie hätte gar zu gern Gewißheit gehabt.

Ach, Andrew, sagte sie mit einschmeichelnden, traurigem Tone, wenn Sie
wüßten, wie wenig Sie die wahre Natur meiner Gefühle gegen die unglückliche


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[0594] Die Grafen von Altenschwerdt. Der Schwarze zuckte, unwillig zu antworten, die Achseln. Seien Sie nicht so verstockt, sagte die Gräfin. Sie scheinen sich einzu¬ bilden, ich wollte Sie ausforschen, ich nähme ein besondres Interesse an den Schritten Ihres Herrn. Wenn ich ein Interesse an ihm nehme, so ist es freund¬ schaftlicher Art, denn ich kann nicht vergessen, wessen Sohn er ist, obwohl diese Kenntnis für mich von zweifelhafter Annehmlichkeit ist. Ich konnte ihm viel¬ leicht förderlich in seinen Bestrebungen sein. Freilich, an Geld scheint es ihm nicht zu mangeln, da er sich den Luxus gestattet, mit einem Diener zu reisen? Ich habe keine Erlaubnis, irgend welche Mitteilungen über meines Herrn Angelegenheiten zu machen. Brav, mein alter Andrew, sagte die Gräfin freundlich, indem sie ihre Augen suchend in dein kleinen Gemache umherschweifen ließ. Wenn ich Sie auch gerade nicht liebenswürdig finde, so schätze ich doch die gute Eigenschaft der Diskretion. Aber Sie irren sich über meine Absichten, mein Lieber. Wenn Sie wirklich ein so warmes Gefühl der Anhänglichkeit an Ihren Herrn haben, thäten Sie klüger, nicht so zugeknöpft zu sein. Ich will ihm wohl. Wie man mir sagte, war er bei einem Rechtsanwalt in Berlin, um dort seiue Papiere zu deponiren. Das läßt mich auf seine Absicht schließen, einen Prozeß anzufangen. Sie irren sich, Frau Gräfin. Mein Herr ist nicht in Berlin gewesen. Vielleicht wissen Sie es nicht. Mir ist bekannt, daß er Papiere zweifel¬ haften Wertes deponirt hat. Papiere zweifelhaften Wertes? fragte der Schwarze unwillig. Sie wissen so gut wie ich, Frau Gräfin, welchen Wert die Dokumente haben, auf welche Sie zielen. Wenn mein Herr hier wäre und sie Ihnen zeigen wollte, so würden Sie anders sprechen. Wirklich? fragte sie. Ach, mein Lieber, Sie reden freilich, wie es einem treuen, frommen Diener ansteht, der Sie immer waren. Aber ich bezweifle doch, daß Ihre Kenntnis der Gesetze groß genug ist, um über diese Dokumente ein vollgiltiges Urteil zu haben. Nicht wahr, sie liegen dort in der Kassette? Sie zeigte bei diesen Worten auf den dunkeln, mit glänzendem Silber ein¬ gelegten Kasten, der seinen Platz auf der altertümlichen Kommode hatte und auf dessen Beschlag sie ein ihr wohlbekanntes Wappen eingravirt entdeckte. Der Schwarze machte eine unwillkürliche Bewegung, die der scharfen Be¬ obachtung der Gräfin nicht entging, aber faßte sich schnell wieder und sagte, daß er es nicht wisse, und daß es ihn nichts angehe. Die Gräfin erhob sich, ging auf die Kommode zu und betrachtete das er¬ innerungsvolle Erbstück. Indem sie überzeugt war, daß es jene Schriftstücke verschlossen hielte, die für sie von der größten Wichtigkeit waren, zog es sie mit magnetischer Gewalt an, und sie hätte gar zu gern Gewißheit gehabt. Ach, Andrew, sagte sie mit einschmeichelnden, traurigem Tone, wenn Sie wüßten, wie wenig Sie die wahre Natur meiner Gefühle gegen die unglückliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/594>, abgerufen am 23.07.2024.