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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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vie Grafen von Altenschwcrdt.

Wie hätte ich einen listigen Anschlag versucht? sagte der Schwarze vor¬
wurfsvoll. Bin ich denn zu Ihnen gekommen, Frau Gräfin? Ich habe ruhig
hier vor dem Hause gesessen, und Sie suchen mich auf.

Das sind Ausflüchte! sagte sie herb. Was haben Sie überhaupt hier zu
thu"? Wie kommen Sie dazu, vom Grafen Altenschwcrdt zu sprechen, den Sie
begleiteten? Stellen Sie sich doch nicht einfältiger, als Sie sind. Ich sehe doch
aus Ihrer Anwesenheit und Ihrem Benehmen, daß jener junge Mann die thö¬
richten Ansprüche seiner leichtsinnigen Mutter --

Die Dame, von der Sie sprechen, ist tot, sagte der Schwarze, sie unter¬
brechend, mit feierlichem Ausdruck.

Sie ist tot? rief Gräfin Sibylle nach einem tiefen Atemzuge. Nun, und wenn
sie tot ist, was suchen Sie dann, und was sucht ihr Sohn hier? Was für
eine Bedeutung kann Ihre Anwesenheit hier haben, wenn nicht die eines Ver¬
suchs gegen meine Sicherheit und Ehre? Haben Sie das nicht damit schon ein¬
gestanden, daß Sie dem Sohne der Marie Eschenburg einen usurpirter Namen
und Titel beilegen?

Es ist unnötig, Frau Gräfin, erwiederte der alte Diener, daß Sie so zornig
werden. Ihr Vermutungen und Ihr Argwohn sind nicht begründet. Mein
Herr denkt nicht daran, Ihre Ehre anzugreifen, und er ist nicht unter dem Titel
eines Grafen von Altenschwerdt hier. Wenn ich ihn so genannt habe, so habe
ich es nur in der Gewißheit gethan, daß ihm dieser Name und Titel gebührt,
obwohl er ihn nicht führt.

Also eine Unverschämtheit auf Ihre eigne Hand! rief die Gräfin erbittert.

Der Schwarze erwiederte nichts, kreuzte aber mit ruhigem Trotz die Arme
über der Brust und senkte seine Augen nicht vor dem zornsprühenden Blick der
Dame. Ich weiß wohl, daß Sie die Lebenden nicht fürchten, sagte er in einer
Prophetischen Weise, aber hüten Sie sich vor den Toten!

Sie fühlte einen Augenblick einen unheimlichen Eindruck und sah vor
sich nieder. Sie blieb schweigend sitzen und schien zu überlegen, was sie thun
wolle.

Wenn Sie klug wären, Andrew, fuhr sie dann mit sanfterer Stimme fort,
so rührten Sie keine Geschichten auf, die längst vergessen sind, und an die Ihr
Herr selbst, wie Sie sagen, nicht mehr denkt.

Nicht mehr denkt, Frau Gräfin? Ich hätte das gesagt?

Er beweist es durch die That, sagte sie. Er scheint ein stiller, vernünf¬
tiger Mensch zu sein, der den Ehrgeiz seiner Mutter nicht teilt.

Der alte Diener antwortete nicht.

Womit beschäftigt er sich denn? Was treibt er? fragte sie.

Er ist Maler.

Maler! Ah! Und weshalb ist er herübergekommen? Konnte er seine Bilder
nicht in Amerika verkaufen?


Grenzboten I. 1333. 74
vie Grafen von Altenschwcrdt.

Wie hätte ich einen listigen Anschlag versucht? sagte der Schwarze vor¬
wurfsvoll. Bin ich denn zu Ihnen gekommen, Frau Gräfin? Ich habe ruhig
hier vor dem Hause gesessen, und Sie suchen mich auf.

Das sind Ausflüchte! sagte sie herb. Was haben Sie überhaupt hier zu
thu»? Wie kommen Sie dazu, vom Grafen Altenschwcrdt zu sprechen, den Sie
begleiteten? Stellen Sie sich doch nicht einfältiger, als Sie sind. Ich sehe doch
aus Ihrer Anwesenheit und Ihrem Benehmen, daß jener junge Mann die thö¬
richten Ansprüche seiner leichtsinnigen Mutter —

Die Dame, von der Sie sprechen, ist tot, sagte der Schwarze, sie unter¬
brechend, mit feierlichem Ausdruck.

Sie ist tot? rief Gräfin Sibylle nach einem tiefen Atemzuge. Nun, und wenn
sie tot ist, was suchen Sie dann, und was sucht ihr Sohn hier? Was für
eine Bedeutung kann Ihre Anwesenheit hier haben, wenn nicht die eines Ver¬
suchs gegen meine Sicherheit und Ehre? Haben Sie das nicht damit schon ein¬
gestanden, daß Sie dem Sohne der Marie Eschenburg einen usurpirter Namen
und Titel beilegen?

Es ist unnötig, Frau Gräfin, erwiederte der alte Diener, daß Sie so zornig
werden. Ihr Vermutungen und Ihr Argwohn sind nicht begründet. Mein
Herr denkt nicht daran, Ihre Ehre anzugreifen, und er ist nicht unter dem Titel
eines Grafen von Altenschwerdt hier. Wenn ich ihn so genannt habe, so habe
ich es nur in der Gewißheit gethan, daß ihm dieser Name und Titel gebührt,
obwohl er ihn nicht führt.

Also eine Unverschämtheit auf Ihre eigne Hand! rief die Gräfin erbittert.

Der Schwarze erwiederte nichts, kreuzte aber mit ruhigem Trotz die Arme
über der Brust und senkte seine Augen nicht vor dem zornsprühenden Blick der
Dame. Ich weiß wohl, daß Sie die Lebenden nicht fürchten, sagte er in einer
Prophetischen Weise, aber hüten Sie sich vor den Toten!

Sie fühlte einen Augenblick einen unheimlichen Eindruck und sah vor
sich nieder. Sie blieb schweigend sitzen und schien zu überlegen, was sie thun
wolle.

Wenn Sie klug wären, Andrew, fuhr sie dann mit sanfterer Stimme fort,
so rührten Sie keine Geschichten auf, die längst vergessen sind, und an die Ihr
Herr selbst, wie Sie sagen, nicht mehr denkt.

Nicht mehr denkt, Frau Gräfin? Ich hätte das gesagt?

Er beweist es durch die That, sagte sie. Er scheint ein stiller, vernünf¬
tiger Mensch zu sein, der den Ehrgeiz seiner Mutter nicht teilt.

Der alte Diener antwortete nicht.

Womit beschäftigt er sich denn? Was treibt er? fragte sie.

Er ist Maler.

Maler! Ah! Und weshalb ist er herübergekommen? Konnte er seine Bilder
nicht in Amerika verkaufen?


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[0593] vie Grafen von Altenschwcrdt. Wie hätte ich einen listigen Anschlag versucht? sagte der Schwarze vor¬ wurfsvoll. Bin ich denn zu Ihnen gekommen, Frau Gräfin? Ich habe ruhig hier vor dem Hause gesessen, und Sie suchen mich auf. Das sind Ausflüchte! sagte sie herb. Was haben Sie überhaupt hier zu thu»? Wie kommen Sie dazu, vom Grafen Altenschwcrdt zu sprechen, den Sie begleiteten? Stellen Sie sich doch nicht einfältiger, als Sie sind. Ich sehe doch aus Ihrer Anwesenheit und Ihrem Benehmen, daß jener junge Mann die thö¬ richten Ansprüche seiner leichtsinnigen Mutter — Die Dame, von der Sie sprechen, ist tot, sagte der Schwarze, sie unter¬ brechend, mit feierlichem Ausdruck. Sie ist tot? rief Gräfin Sibylle nach einem tiefen Atemzuge. Nun, und wenn sie tot ist, was suchen Sie dann, und was sucht ihr Sohn hier? Was für eine Bedeutung kann Ihre Anwesenheit hier haben, wenn nicht die eines Ver¬ suchs gegen meine Sicherheit und Ehre? Haben Sie das nicht damit schon ein¬ gestanden, daß Sie dem Sohne der Marie Eschenburg einen usurpirter Namen und Titel beilegen? Es ist unnötig, Frau Gräfin, erwiederte der alte Diener, daß Sie so zornig werden. Ihr Vermutungen und Ihr Argwohn sind nicht begründet. Mein Herr denkt nicht daran, Ihre Ehre anzugreifen, und er ist nicht unter dem Titel eines Grafen von Altenschwerdt hier. Wenn ich ihn so genannt habe, so habe ich es nur in der Gewißheit gethan, daß ihm dieser Name und Titel gebührt, obwohl er ihn nicht führt. Also eine Unverschämtheit auf Ihre eigne Hand! rief die Gräfin erbittert. Der Schwarze erwiederte nichts, kreuzte aber mit ruhigem Trotz die Arme über der Brust und senkte seine Augen nicht vor dem zornsprühenden Blick der Dame. Ich weiß wohl, daß Sie die Lebenden nicht fürchten, sagte er in einer Prophetischen Weise, aber hüten Sie sich vor den Toten! Sie fühlte einen Augenblick einen unheimlichen Eindruck und sah vor sich nieder. Sie blieb schweigend sitzen und schien zu überlegen, was sie thun wolle. Wenn Sie klug wären, Andrew, fuhr sie dann mit sanfterer Stimme fort, so rührten Sie keine Geschichten auf, die längst vergessen sind, und an die Ihr Herr selbst, wie Sie sagen, nicht mehr denkt. Nicht mehr denkt, Frau Gräfin? Ich hätte das gesagt? Er beweist es durch die That, sagte sie. Er scheint ein stiller, vernünf¬ tiger Mensch zu sein, der den Ehrgeiz seiner Mutter nicht teilt. Der alte Diener antwortete nicht. Womit beschäftigt er sich denn? Was treibt er? fragte sie. Er ist Maler. Maler! Ah! Und weshalb ist er herübergekommen? Konnte er seine Bilder nicht in Amerika verkaufen? Grenzboten I. 1333. 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/593>, abgerufen am 23.07.2024.