Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Die Grafen von Altenschwerdt. altfränkischen, überaus einfachen Mobiliar der braungetäfelten Stube beleuch¬ Ehe sie noch ein Wort äußerte, erhob sich die Gräfin wieder und ging in Sie sind also jetzt in Deutschland, Andrew, sagte sie mit einer Stimme, Ich begleite meinen Herrn, den Grafen Eberhardt von Altenschwerdt, ent- Die Gräfin schwieg eine Weile, und ihr Blick flammte in düsterem Feuer. Ich könnte Ihnen antworten, Freund Andrew, sagte sie dann höhnisch, daß Und warum sollte nicht ein Wunder geschehen für die, welche das himm¬ Der alte Neger sprach mit einer schwärmerischen Betonung, in der Weise Reden Sie wie ein vernünftiger Mensch, Andrew, sagte sie. Ich habe Die Grafen von Altenschwerdt. altfränkischen, überaus einfachen Mobiliar der braungetäfelten Stube beleuch¬ Ehe sie noch ein Wort äußerte, erhob sich die Gräfin wieder und ging in Sie sind also jetzt in Deutschland, Andrew, sagte sie mit einer Stimme, Ich begleite meinen Herrn, den Grafen Eberhardt von Altenschwerdt, ent- Die Gräfin schwieg eine Weile, und ihr Blick flammte in düsterem Feuer. Ich könnte Ihnen antworten, Freund Andrew, sagte sie dann höhnisch, daß Und warum sollte nicht ein Wunder geschehen für die, welche das himm¬ Der alte Neger sprach mit einer schwärmerischen Betonung, in der Weise Reden Sie wie ein vernünftiger Mensch, Andrew, sagte sie. Ich habe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0592" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152494"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2233" prev="#ID_2232"> altfränkischen, überaus einfachen Mobiliar der braungetäfelten Stube beleuch¬<lb/> tete. Doch blitzte die Wasserfläche der sonnigen See von unten her durch den<lb/> breiten Spalt der Läden herein, und von dort her drang auch ein kühlender<lb/> Luftzug in die Schwüle des eingeschlossenen Raumes.</p><lb/> <p xml:id="ID_2234"> Ehe sie noch ein Wort äußerte, erhob sich die Gräfin wieder und ging in<lb/> der wohlbegründeten Vermutung, daß die Wirtin eine so günstige Gelegenheit<lb/> zur Befriedigung ihrer Wißbegierde nicht ungenützt vorübergehen lassen wolle,<lb/> zur Thür zurück und blickte hinaus. Erst als das eilfertige Getrappel der<lb/> fliehenden Frau sich in den untern Räumen verloren hatte, wandte sie sich zu<lb/> dem Schwarzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2235"> Sie sind also jetzt in Deutschland, Andrew, sagte sie mit einer Stimme,<lb/> die vor innerer Erregung heiser klang. Was führt Sie hierher?</p><lb/> <p xml:id="ID_2236"> Ich begleite meinen Herrn, den Grafen Eberhardt von Altenschwerdt, ent-<lb/> eutgeguete der Schwarze mit ruhigem, wohlbemesscnem und nachdrücklichem<lb/> Tone.</p><lb/> <p xml:id="ID_2237"> Die Gräfin schwieg eine Weile, und ihr Blick flammte in düsterem Feuer.</p><lb/> <p xml:id="ID_2238"> Ich könnte Ihnen antworten, Freund Andrew, sagte sie dann höhnisch, daß<lb/> der Graf Eberhardt von Altenschwerdt seit mehr als zwanzig Jahren tot ist.<lb/> Ihr Verstand ist spazieren gegangen und irrt in der Vergangenheit umher.<lb/> Besinnen Sie sich, wo Sie siud und mit wem Sie sprechen. Sie werden mir<lb/> nicht einreden wollen, daß ein Wunder geschehen sei und der selige Graf wieder<lb/> auf Erden wandle.</p><lb/> <p xml:id="ID_2239"> Und warum sollte nicht ein Wunder geschehen für die, welche das himm¬<lb/> lische Jerusalem suchen, wenn es Gottes Wille wäre, Frau Gräfin? fragte der<lb/> Schwarze. Wenn die Sünder taumeln und die irdische Gerechtigkeit schweigt,<lb/> dann tritt der Himmel selbst in die Reihe und macht die Reichen, die Klugen,<lb/> die Stolzen und die Weltlichen zu Thoren. Denn in den Händen Gottes sind<lb/> wir nur wie Töpferthon.</p><lb/> <p xml:id="ID_2240"> Der alte Neger sprach mit einer schwärmerischen Betonung, in der Weise<lb/> der vereinsamten Gemeinden, in denen er so lange gelebt hatte, und richtete mit<lb/> gefalteten Händen den Blick nach oben. Aber ein scharfes Lachen der Gräfin<lb/> antwortete ihm, und er blickte ihr entrüstet in die dunkeln, stechenden Angen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2241"> Reden Sie wie ein vernünftiger Mensch, Andrew, sagte sie. Ich habe<lb/> solche unklare Beschwörungen schon einmal von Ihnen vernommen, als Sie da¬<lb/> mals in Paris versuchten, auf die Schwäche meines Gemahls einzuwirken.<lb/> Wenn Marie Eschenburgs Sohn das himmlische Jerusalem suchte, brauchte er<lb/> »icht die Reise hierher zu machen. Es würde eine interessante Bereicherung<lb/> meiner geographischen Kenntnisse sein, wenn ich erführe, daß es in der Provinz<lb/> Pommern läge. Für mich passen solche Phrasen nicht, und ich komme immer<lb/> mehr zu der Vermutung, daß Sie ein intriganter Bursche sind, der irgend<lb/> einen listigen Anschlag mit heuchlerischen Phrasen verschleiern will.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0592]
Die Grafen von Altenschwerdt.
altfränkischen, überaus einfachen Mobiliar der braungetäfelten Stube beleuch¬
tete. Doch blitzte die Wasserfläche der sonnigen See von unten her durch den
breiten Spalt der Läden herein, und von dort her drang auch ein kühlender
Luftzug in die Schwüle des eingeschlossenen Raumes.
Ehe sie noch ein Wort äußerte, erhob sich die Gräfin wieder und ging in
der wohlbegründeten Vermutung, daß die Wirtin eine so günstige Gelegenheit
zur Befriedigung ihrer Wißbegierde nicht ungenützt vorübergehen lassen wolle,
zur Thür zurück und blickte hinaus. Erst als das eilfertige Getrappel der
fliehenden Frau sich in den untern Räumen verloren hatte, wandte sie sich zu
dem Schwarzen.
Sie sind also jetzt in Deutschland, Andrew, sagte sie mit einer Stimme,
die vor innerer Erregung heiser klang. Was führt Sie hierher?
Ich begleite meinen Herrn, den Grafen Eberhardt von Altenschwerdt, ent-
eutgeguete der Schwarze mit ruhigem, wohlbemesscnem und nachdrücklichem
Tone.
Die Gräfin schwieg eine Weile, und ihr Blick flammte in düsterem Feuer.
Ich könnte Ihnen antworten, Freund Andrew, sagte sie dann höhnisch, daß
der Graf Eberhardt von Altenschwerdt seit mehr als zwanzig Jahren tot ist.
Ihr Verstand ist spazieren gegangen und irrt in der Vergangenheit umher.
Besinnen Sie sich, wo Sie siud und mit wem Sie sprechen. Sie werden mir
nicht einreden wollen, daß ein Wunder geschehen sei und der selige Graf wieder
auf Erden wandle.
Und warum sollte nicht ein Wunder geschehen für die, welche das himm¬
lische Jerusalem suchen, wenn es Gottes Wille wäre, Frau Gräfin? fragte der
Schwarze. Wenn die Sünder taumeln und die irdische Gerechtigkeit schweigt,
dann tritt der Himmel selbst in die Reihe und macht die Reichen, die Klugen,
die Stolzen und die Weltlichen zu Thoren. Denn in den Händen Gottes sind
wir nur wie Töpferthon.
Der alte Neger sprach mit einer schwärmerischen Betonung, in der Weise
der vereinsamten Gemeinden, in denen er so lange gelebt hatte, und richtete mit
gefalteten Händen den Blick nach oben. Aber ein scharfes Lachen der Gräfin
antwortete ihm, und er blickte ihr entrüstet in die dunkeln, stechenden Angen.
Reden Sie wie ein vernünftiger Mensch, Andrew, sagte sie. Ich habe
solche unklare Beschwörungen schon einmal von Ihnen vernommen, als Sie da¬
mals in Paris versuchten, auf die Schwäche meines Gemahls einzuwirken.
Wenn Marie Eschenburgs Sohn das himmlische Jerusalem suchte, brauchte er
»icht die Reise hierher zu machen. Es würde eine interessante Bereicherung
meiner geographischen Kenntnisse sein, wenn ich erführe, daß es in der Provinz
Pommern läge. Für mich passen solche Phrasen nicht, und ich komme immer
mehr zu der Vermutung, daß Sie ein intriganter Bursche sind, der irgend
einen listigen Anschlag mit heuchlerischen Phrasen verschleiern will.
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