Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Liu neuer Uouunentar zu Goethes Gedichten. merkungen hätte Loeper unterdrücken, was für einen prachtvollen Kommentar Doppelt überflüssig werden solche Notizen, wenn sie nicht einmal zutreffend Manche seiner Parallelen und Notizen wird der Herausgeber mit dem Besondre Sorgfalt hat Loeper derjenigen Rubrik seiner Anmerkungen Liu neuer Uouunentar zu Goethes Gedichten. merkungen hätte Loeper unterdrücken, was für einen prachtvollen Kommentar Doppelt überflüssig werden solche Notizen, wenn sie nicht einmal zutreffend Manche seiner Parallelen und Notizen wird der Herausgeber mit dem Besondre Sorgfalt hat Loeper derjenigen Rubrik seiner Anmerkungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152354"/> <fw type="header" place="top"> Liu neuer Uouunentar zu Goethes Gedichten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1968" prev="#ID_1967"> merkungen hätte Loeper unterdrücken, was für einen prachtvollen Kommentar<lb/> hätte er schaffen können, wenn er nicht den Eigensinn gehabt hätte, überall<lb/> etwas neues und etwas andres bieten zu wollen, als seine beiden Vorgänger!</p><lb/> <p xml:id="ID_1969"> Doppelt überflüssig werden solche Notizen, wenn sie nicht einmal zutreffend<lb/> sind, sondern den Leser womöglich irreführen. Bei dem Gedichte „Liebhaber in<lb/> allen Gestalten" vergleicht der Herausgeber mit den Worten: Willst du bessre<lb/> besitzen, so laß dir sie schnitzen! die Verse aus Wielands „Clelia und Sinibald":<lb/> Er ist aus keinem bessern Holz geschnitzt als andre Knaben. Das paßt doch<lb/> wie die Faust aufs Auge. In der spöttischen Redensart: „Laß dir einen<lb/> schnitzen" oder „Laß dir einen malen" ist doch an wirkliches malen und schnitzen<lb/> gedacht, während in der Wielandstelle schnitzen nur bildlich gemeint ist, etwa<lb/> wie in „Wallensteins Tod" (II, 2): Mich schuf aus gröberen Stoffe die Natur. —<lb/> Im „Neuen Pausias" macht Loeper zu dem „rohen Timanth." der sich an dem<lb/> Blumenmädchen vergreift, die Bemerkung: „Timanthes V. 65 gleichfalls Name<lb/> eines griechischen Malers, dessen Bild »Opferung der Iphigenie« Lessing im<lb/> Laokoon erwähnt, (sa. Blümner, S. 161 und 506.) Der Name bedeutet:<lb/> Blumenfreund." Wozu in aller Welt hier diese Weisheit? Soll der Leser<lb/> glauben, daß Goethe, als er dem rohen Nebenbuhler des Pausias den Namen<lb/> Timanth gab, an den großen griechischen Maler gedacht habe? Armer Ti¬<lb/> manthes, wir wissen wenig von dir, aber so stellen wir uns dich doch nicht vor<lb/> wie den Burschen, den das „kreisend geschwungne Metall" des Pausias an den<lb/> Schädel trifft!</p><lb/> <p xml:id="ID_1970"> Manche seiner Parallelen und Notizen wird der Herausgeber mit dem<lb/> Schilde der „vergleichenden Poetik" decken wollen, von der er in der Einleitung<lb/> spricht. Wenn man nur wüßte, was man sich unter dieser Wissenschaft vor¬<lb/> stellen soll, und welche Aufgabe sie hat. Wir keimen eine vergleichende Sprach¬<lb/> wissenschaft, eine vergleichende Mythologie, sogar eine vergleichende Metrik. Alle<lb/> diese Wissenschaften haben deu Zweck, ebeu durch Vergleichen die Urform zu<lb/> finden, aus der die verglichenen Formen sich entwickelt und abgezweigt haben.<lb/> Was will aber eine vergleichende Poetik, wie sie hier geübt wird, herausbringen?<lb/> Anklänge zusammenzustellen, die ganz sicher nur der Zufall geschaffen, das hat<lb/> doch keinen andern Wert, als wenn man etwa in der Sprachwissenschaft, so<lb/> wie es im vorigen Jahrhundert geschah, den und Feuer oder «ä^ und Auge<lb/> oder vuIZus und Volk mit einander vergleichen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1971" next="#ID_1972"> Besondre Sorgfalt hat Loeper derjenigen Rubrik seiner Anmerkungen<lb/> gewidmet, in der er die musikalischen Kompositionen Goethischcr Dichtungen ver¬<lb/> zeichnet. Mit einer eleganten Abwechslung, die bei seiner sonstigen Gleichgiltig-<lb/> keit gegen stilistische Reize doppelt auffällt, hat er bei den meisten Gedichten am<lb/> Schlusse seiner Anmerkungen aufgezählt, wer alles sie in Musik gesetzt, für Musik<lb/> gesetzt, komponirt, für eine Singstimme gesetzt, für Gesang gesetzt, für Gesang<lb/> komponirt oder Musik dazu geschrieben hat. Ans Vollständigkeit machen diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
Liu neuer Uouunentar zu Goethes Gedichten.
merkungen hätte Loeper unterdrücken, was für einen prachtvollen Kommentar
hätte er schaffen können, wenn er nicht den Eigensinn gehabt hätte, überall
etwas neues und etwas andres bieten zu wollen, als seine beiden Vorgänger!
Doppelt überflüssig werden solche Notizen, wenn sie nicht einmal zutreffend
sind, sondern den Leser womöglich irreführen. Bei dem Gedichte „Liebhaber in
allen Gestalten" vergleicht der Herausgeber mit den Worten: Willst du bessre
besitzen, so laß dir sie schnitzen! die Verse aus Wielands „Clelia und Sinibald":
Er ist aus keinem bessern Holz geschnitzt als andre Knaben. Das paßt doch
wie die Faust aufs Auge. In der spöttischen Redensart: „Laß dir einen
schnitzen" oder „Laß dir einen malen" ist doch an wirkliches malen und schnitzen
gedacht, während in der Wielandstelle schnitzen nur bildlich gemeint ist, etwa
wie in „Wallensteins Tod" (II, 2): Mich schuf aus gröberen Stoffe die Natur. —
Im „Neuen Pausias" macht Loeper zu dem „rohen Timanth." der sich an dem
Blumenmädchen vergreift, die Bemerkung: „Timanthes V. 65 gleichfalls Name
eines griechischen Malers, dessen Bild »Opferung der Iphigenie« Lessing im
Laokoon erwähnt, (sa. Blümner, S. 161 und 506.) Der Name bedeutet:
Blumenfreund." Wozu in aller Welt hier diese Weisheit? Soll der Leser
glauben, daß Goethe, als er dem rohen Nebenbuhler des Pausias den Namen
Timanth gab, an den großen griechischen Maler gedacht habe? Armer Ti¬
manthes, wir wissen wenig von dir, aber so stellen wir uns dich doch nicht vor
wie den Burschen, den das „kreisend geschwungne Metall" des Pausias an den
Schädel trifft!
Manche seiner Parallelen und Notizen wird der Herausgeber mit dem
Schilde der „vergleichenden Poetik" decken wollen, von der er in der Einleitung
spricht. Wenn man nur wüßte, was man sich unter dieser Wissenschaft vor¬
stellen soll, und welche Aufgabe sie hat. Wir keimen eine vergleichende Sprach¬
wissenschaft, eine vergleichende Mythologie, sogar eine vergleichende Metrik. Alle
diese Wissenschaften haben deu Zweck, ebeu durch Vergleichen die Urform zu
finden, aus der die verglichenen Formen sich entwickelt und abgezweigt haben.
Was will aber eine vergleichende Poetik, wie sie hier geübt wird, herausbringen?
Anklänge zusammenzustellen, die ganz sicher nur der Zufall geschaffen, das hat
doch keinen andern Wert, als wenn man etwa in der Sprachwissenschaft, so
wie es im vorigen Jahrhundert geschah, den und Feuer oder «ä^ und Auge
oder vuIZus und Volk mit einander vergleichen wollte.
Besondre Sorgfalt hat Loeper derjenigen Rubrik seiner Anmerkungen
gewidmet, in der er die musikalischen Kompositionen Goethischcr Dichtungen ver¬
zeichnet. Mit einer eleganten Abwechslung, die bei seiner sonstigen Gleichgiltig-
keit gegen stilistische Reize doppelt auffällt, hat er bei den meisten Gedichten am
Schlusse seiner Anmerkungen aufgezählt, wer alles sie in Musik gesetzt, für Musik
gesetzt, komponirt, für eine Singstimme gesetzt, für Gesang gesetzt, für Gesang
komponirt oder Musik dazu geschrieben hat. Ans Vollständigkeit machen diese
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