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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Während er so sprach, trat Dorothea, von Eberhardt begleitet, in das
Zimmer. Sie trug die Schleppe ihres Reitkleides über dem Arm, die Peitsche
in der Hand und sah unter ihrem schwarzen Kastorhut sehr gut aus. Es lag
Charakter in ihrem Gesicht. Ihre Züge waren in festen, obwohl zarten Linien
gezeichnet, und aus ihrem Blick sprach Energie. Ein freudiger Ausdruck er¬
hellte ihre Miene und färbte ihre Wangen mit lebhafterem Rot als sonst.

Der Baron dachte, als er sie so eintreten sah und indem er ihren raschen
Schritt und ihre geschmeidige Gestalt betrachtete, es sei doch unendlich schade,
daß sie nicht ein Sohn sei. Welch ein Kavallerist müßte ihr Bruder sein!
dachte er sehnsüchtig. Er hielt die Freude, die sich in dem Wesen der Tochter
ausprägte, für die angenehme Empfindung, die ihn selbst beseelte, wenn er vor
der Thür den Gaul scharren hörte, den er besteigen wollte, und er nickte ihr
freundlich zu, als sie ihm Lebewohl sagte.

Welchen Weg wollt Ihr nehmen? fragte er.

Ich denke, wir reiten durch das Westerholz und um den Erlenbruch, ant¬
wortete sie.

Da kommen Sie in die Nähe meines Hauses, sagte der General und fügte
hinzu, indem er sich an Eberhardt wandte: Sollte Ihr Weg Sie gelegentlich
wieder in jene Richtung führen, so würde es mich freuen, Sie begrüßen zu können.

Eberhardt verbeugte sich und versicherte, daß er nicht versäumen werde,
von dieser gütigen Erlaubnis Gebrauch zu machen.

Der General warf dem Baron einen Blick zu, welcher die Frage enthielt,
ob nicht er, der General, ebensogut wie irgend sonst jemand höflich gegen
Bürgerliche sein könne.

Dorotheens Schimmel war ein wunderhübsches Tier. Dorothea streichelte
ihm den feingeschnittenen Kopf, der sich der schmeichelnden Hand entgegenbog,
und strich den glänzenden Haarbusch, der über das blaue, seidene Stirnband
herabfiel. Das Tier spielte mit dem silberhellen Gebiß und schnupperte mit
den sammtweicher Nüstern an ihrem rehfarbener Handschuh.

Er ist sehr gut geritten, sagte Dorothea. Man könnte ihn auf einer Tisch¬
platte die hohe Schule durchmachen lassen, behauptet Papa.

Dann schwang sie sich in den Sattel, Eberhardt bestieg ebenfalls sein Pferd,
und mit einem Gruß nach dem Fenster hin, von wo die alten Herren herab¬
sahen, ritten sie fort. Der Reitknecht folgte in diskreter Entfernung.

Es war ein sehr angenehmer Tag zum Reiten. Der Himmel war mit
einem leichten, grauen Schleier hochgehender Wolken bedeckt, durch welchen die
Sonne nur in einzelnen Augenblicken hindurchzublicken vermochte, und auch dann
nur mit so gedämpftem Licht, daß man die runde, strahlenlose Scheibe ungestraft
betrachten konnte. Die Landschaft lag still und gleichsam träumerisch da, kein
Lüftchen bewegte die Blätter der Bäume, die Stämme der Buchen zur Rechten


Die Grafen von Altenschwerdt.

Während er so sprach, trat Dorothea, von Eberhardt begleitet, in das
Zimmer. Sie trug die Schleppe ihres Reitkleides über dem Arm, die Peitsche
in der Hand und sah unter ihrem schwarzen Kastorhut sehr gut aus. Es lag
Charakter in ihrem Gesicht. Ihre Züge waren in festen, obwohl zarten Linien
gezeichnet, und aus ihrem Blick sprach Energie. Ein freudiger Ausdruck er¬
hellte ihre Miene und färbte ihre Wangen mit lebhafterem Rot als sonst.

Der Baron dachte, als er sie so eintreten sah und indem er ihren raschen
Schritt und ihre geschmeidige Gestalt betrachtete, es sei doch unendlich schade,
daß sie nicht ein Sohn sei. Welch ein Kavallerist müßte ihr Bruder sein!
dachte er sehnsüchtig. Er hielt die Freude, die sich in dem Wesen der Tochter
ausprägte, für die angenehme Empfindung, die ihn selbst beseelte, wenn er vor
der Thür den Gaul scharren hörte, den er besteigen wollte, und er nickte ihr
freundlich zu, als sie ihm Lebewohl sagte.

Welchen Weg wollt Ihr nehmen? fragte er.

Ich denke, wir reiten durch das Westerholz und um den Erlenbruch, ant¬
wortete sie.

Da kommen Sie in die Nähe meines Hauses, sagte der General und fügte
hinzu, indem er sich an Eberhardt wandte: Sollte Ihr Weg Sie gelegentlich
wieder in jene Richtung führen, so würde es mich freuen, Sie begrüßen zu können.

Eberhardt verbeugte sich und versicherte, daß er nicht versäumen werde,
von dieser gütigen Erlaubnis Gebrauch zu machen.

Der General warf dem Baron einen Blick zu, welcher die Frage enthielt,
ob nicht er, der General, ebensogut wie irgend sonst jemand höflich gegen
Bürgerliche sein könne.

Dorotheens Schimmel war ein wunderhübsches Tier. Dorothea streichelte
ihm den feingeschnittenen Kopf, der sich der schmeichelnden Hand entgegenbog,
und strich den glänzenden Haarbusch, der über das blaue, seidene Stirnband
herabfiel. Das Tier spielte mit dem silberhellen Gebiß und schnupperte mit
den sammtweicher Nüstern an ihrem rehfarbener Handschuh.

Er ist sehr gut geritten, sagte Dorothea. Man könnte ihn auf einer Tisch¬
platte die hohe Schule durchmachen lassen, behauptet Papa.

Dann schwang sie sich in den Sattel, Eberhardt bestieg ebenfalls sein Pferd,
und mit einem Gruß nach dem Fenster hin, von wo die alten Herren herab¬
sahen, ritten sie fort. Der Reitknecht folgte in diskreter Entfernung.

Es war ein sehr angenehmer Tag zum Reiten. Der Himmel war mit
einem leichten, grauen Schleier hochgehender Wolken bedeckt, durch welchen die
Sonne nur in einzelnen Augenblicken hindurchzublicken vermochte, und auch dann
nur mit so gedämpftem Licht, daß man die runde, strahlenlose Scheibe ungestraft
betrachten konnte. Die Landschaft lag still und gleichsam träumerisch da, kein
Lüftchen bewegte die Blätter der Bäume, die Stämme der Buchen zur Rechten


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[0487] Die Grafen von Altenschwerdt. Während er so sprach, trat Dorothea, von Eberhardt begleitet, in das Zimmer. Sie trug die Schleppe ihres Reitkleides über dem Arm, die Peitsche in der Hand und sah unter ihrem schwarzen Kastorhut sehr gut aus. Es lag Charakter in ihrem Gesicht. Ihre Züge waren in festen, obwohl zarten Linien gezeichnet, und aus ihrem Blick sprach Energie. Ein freudiger Ausdruck er¬ hellte ihre Miene und färbte ihre Wangen mit lebhafterem Rot als sonst. Der Baron dachte, als er sie so eintreten sah und indem er ihren raschen Schritt und ihre geschmeidige Gestalt betrachtete, es sei doch unendlich schade, daß sie nicht ein Sohn sei. Welch ein Kavallerist müßte ihr Bruder sein! dachte er sehnsüchtig. Er hielt die Freude, die sich in dem Wesen der Tochter ausprägte, für die angenehme Empfindung, die ihn selbst beseelte, wenn er vor der Thür den Gaul scharren hörte, den er besteigen wollte, und er nickte ihr freundlich zu, als sie ihm Lebewohl sagte. Welchen Weg wollt Ihr nehmen? fragte er. Ich denke, wir reiten durch das Westerholz und um den Erlenbruch, ant¬ wortete sie. Da kommen Sie in die Nähe meines Hauses, sagte der General und fügte hinzu, indem er sich an Eberhardt wandte: Sollte Ihr Weg Sie gelegentlich wieder in jene Richtung führen, so würde es mich freuen, Sie begrüßen zu können. Eberhardt verbeugte sich und versicherte, daß er nicht versäumen werde, von dieser gütigen Erlaubnis Gebrauch zu machen. Der General warf dem Baron einen Blick zu, welcher die Frage enthielt, ob nicht er, der General, ebensogut wie irgend sonst jemand höflich gegen Bürgerliche sein könne. Dorotheens Schimmel war ein wunderhübsches Tier. Dorothea streichelte ihm den feingeschnittenen Kopf, der sich der schmeichelnden Hand entgegenbog, und strich den glänzenden Haarbusch, der über das blaue, seidene Stirnband herabfiel. Das Tier spielte mit dem silberhellen Gebiß und schnupperte mit den sammtweicher Nüstern an ihrem rehfarbener Handschuh. Er ist sehr gut geritten, sagte Dorothea. Man könnte ihn auf einer Tisch¬ platte die hohe Schule durchmachen lassen, behauptet Papa. Dann schwang sie sich in den Sattel, Eberhardt bestieg ebenfalls sein Pferd, und mit einem Gruß nach dem Fenster hin, von wo die alten Herren herab¬ sahen, ritten sie fort. Der Reitknecht folgte in diskreter Entfernung. Es war ein sehr angenehmer Tag zum Reiten. Der Himmel war mit einem leichten, grauen Schleier hochgehender Wolken bedeckt, durch welchen die Sonne nur in einzelnen Augenblicken hindurchzublicken vermochte, und auch dann nur mit so gedämpftem Licht, daß man die runde, strahlenlose Scheibe ungestraft betrachten konnte. Die Landschaft lag still und gleichsam träumerisch da, kein Lüftchen bewegte die Blätter der Bäume, die Stämme der Buchen zur Rechten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/487>, abgerufen am 23.07.2024.