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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Ja, wem, das Campagnereitcn in den Schwadronen so verstanden würde,
wie Eure Exzellenz es meinen, dann hätte ich nichts dagegen, versetzte der
Baron. Das würde ebensowohl der schweren wie der leichten Kavallerie zum
Nutzen sein. Aber wie fassen die Herren das Campagnereiten in der Regel
auf? Sie wollen bummeln. Sie haben, wenn das Campagnereiten als Ziel
hingestellt wird, keine Lust mehr, einen Reiter von Grund aus zu dressiren.
Dann kommen wir dahin, daß es heißt: Nur tüchtiger Mut, die Zügel auf den
Hals und ein Paar Sporen hinterher. Dann werden wir es erleben, daß die
Pferde durchgehen, wenn sie laufen sollen, daß sie sich drehen, wenn sie stehen
sollen, daß sie kleben bleiben, wenn sie an einem andern Pferde vorbeigehen
sollen, mit einen, Worte, daß der Reiter nicht mehr geübt ist, sein Tier voll¬
ständig in seiner Gewalt zu haben. Nein, ich verlange vor allem, daß die
schwere Kavallerie eine geschlossene Attacke sauber fertig bringt und daß die
leichte Kavallerie schnell ist, aber doch ihre Pferde auch immer gesammelt hat.

Der Baron unterbrach hier seinen Vortrag, weil in diesem Augenblicke
Dorotheens Schimmel und der für Eberhardt bestimmte Braune draußen vor¬
geführt wurden, und er vom Fenster aus beobachten wollte, wie die jungen
Leute fortritten.

Dieser Herr Eschenburg hat sich Ihre Gunst rasch erworben, sagte der
General, als der Baron ihm mitteilte, daß seine Tochter von dem Maler be¬
gleitet werden würde.

Es kam dem Baron so vor, als legte der General einen besondern Aus¬
druck in seine Worte. Es schien ihm, als sei derselbe verwundert über die Ehre,
die dem Fremden wiederfahre, und als mißbillige er vielleicht das Vertrauen,
welches er, Baron Sextus, in den bürgerlichen Maler setze.

Diese Wahrnehmung bestärkte ihn in seiner Vorliebe für Eberhardt. Er
hatte von der Natur eine gewisse Festigkeit im Beharren ans seiner Meinung
erhalten, und es gab kein Mittel, welches besser geeignet gewesen wäre, Eber¬
hardt in seiner Gunst zu befestigen, als die von jemand anders ausgesprochene
Vermutung, er sei nicht vorsichtig genug in der Wahl dieses Umgangs gewesen.

Ich habe mir in meinem langen Leben ein scharfes Auge für Menschen
erworben, erwiederte er, und bin dahin gekommen, auf den ersten Blick ent¬
scheiden zu können, ob ich einen Gentleman vor mir habe. Dieser junge Mann
ist nicht von Familie, aber er ist ein Gentleman. Das ist auch so eine von
den beliebten Lügen des Liberalismus, mit denen sie uns als Junker stigmati-
stren, wir Edelleute wären adelstolz. Auf ehrenhaftes und höfliches Benehmen
sind wir stolz, und weil das im Adel mehr gefunden wird als unter den
Bürgerlichen, so sind wir allerdings am liebsten unter uns. Aber wo wir
einen Bürgerlichen treffen, der sich durch ein solches Benehmen auszeichnet, da
gilt er uns so viel wie ein Adlicher, das war zu unsrer Väter Zeit so und ist
es jetzt noch.


Die Grafen von Altenschwerdt.

Ja, wem, das Campagnereitcn in den Schwadronen so verstanden würde,
wie Eure Exzellenz es meinen, dann hätte ich nichts dagegen, versetzte der
Baron. Das würde ebensowohl der schweren wie der leichten Kavallerie zum
Nutzen sein. Aber wie fassen die Herren das Campagnereiten in der Regel
auf? Sie wollen bummeln. Sie haben, wenn das Campagnereiten als Ziel
hingestellt wird, keine Lust mehr, einen Reiter von Grund aus zu dressiren.
Dann kommen wir dahin, daß es heißt: Nur tüchtiger Mut, die Zügel auf den
Hals und ein Paar Sporen hinterher. Dann werden wir es erleben, daß die
Pferde durchgehen, wenn sie laufen sollen, daß sie sich drehen, wenn sie stehen
sollen, daß sie kleben bleiben, wenn sie an einem andern Pferde vorbeigehen
sollen, mit einen, Worte, daß der Reiter nicht mehr geübt ist, sein Tier voll¬
ständig in seiner Gewalt zu haben. Nein, ich verlange vor allem, daß die
schwere Kavallerie eine geschlossene Attacke sauber fertig bringt und daß die
leichte Kavallerie schnell ist, aber doch ihre Pferde auch immer gesammelt hat.

Der Baron unterbrach hier seinen Vortrag, weil in diesem Augenblicke
Dorotheens Schimmel und der für Eberhardt bestimmte Braune draußen vor¬
geführt wurden, und er vom Fenster aus beobachten wollte, wie die jungen
Leute fortritten.

Dieser Herr Eschenburg hat sich Ihre Gunst rasch erworben, sagte der
General, als der Baron ihm mitteilte, daß seine Tochter von dem Maler be¬
gleitet werden würde.

Es kam dem Baron so vor, als legte der General einen besondern Aus¬
druck in seine Worte. Es schien ihm, als sei derselbe verwundert über die Ehre,
die dem Fremden wiederfahre, und als mißbillige er vielleicht das Vertrauen,
welches er, Baron Sextus, in den bürgerlichen Maler setze.

Diese Wahrnehmung bestärkte ihn in seiner Vorliebe für Eberhardt. Er
hatte von der Natur eine gewisse Festigkeit im Beharren ans seiner Meinung
erhalten, und es gab kein Mittel, welches besser geeignet gewesen wäre, Eber¬
hardt in seiner Gunst zu befestigen, als die von jemand anders ausgesprochene
Vermutung, er sei nicht vorsichtig genug in der Wahl dieses Umgangs gewesen.

Ich habe mir in meinem langen Leben ein scharfes Auge für Menschen
erworben, erwiederte er, und bin dahin gekommen, auf den ersten Blick ent¬
scheiden zu können, ob ich einen Gentleman vor mir habe. Dieser junge Mann
ist nicht von Familie, aber er ist ein Gentleman. Das ist auch so eine von
den beliebten Lügen des Liberalismus, mit denen sie uns als Junker stigmati-
stren, wir Edelleute wären adelstolz. Auf ehrenhaftes und höfliches Benehmen
sind wir stolz, und weil das im Adel mehr gefunden wird als unter den
Bürgerlichen, so sind wir allerdings am liebsten unter uns. Aber wo wir
einen Bürgerlichen treffen, der sich durch ein solches Benehmen auszeichnet, da
gilt er uns so viel wie ein Adlicher, das war zu unsrer Väter Zeit so und ist
es jetzt noch.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/486>, abgerufen am 23.07.2024.