Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Niemann (Gotha). (Fortsetzung.)

M^U
M>aron Sextus hatte heimlich ein Schreiben nach Fischbeck ab¬
gehen lassen, worin er der Gräfin Altenschwerdt mitteilte, daß
er erkrankt sei und deshalb bitte, die Zusammenkunft noch zu
verschieben. Sobald er wiederhergestellt wäre, wollte er es
! anzeigen.

Dieses Schreiben kam der Gräfin sehr erwünscht. Sie war mit dem Aus¬
sehen ihres Sohnes nicht zufrieden und gedachte den Erfolg der Kur noch
einige Wochen abzuwarten, bevor sie nach Eichhausen führe. So überhob der
Brief des Barons sie der Verlegenheit, unhöflich zu erscheinen, indem sie ihren
Besuch hinausschob. Sie ließ ihren Sohn Algensaft einnehmen, den dieser nur
auf ihre Autorität hin verschluckte, und harrte ihrerseits auf rote Wangen bei
Dietrich, wie der Baron auf die Möglichkeit rüstigen Umhergehens wartete,
bevor die diplomatisch vorbereitete Zusammenkunft stattfände.

Dieser junge Mann hat eine sehr praktische Ansicht von der Bewegung
geschlossener Kavallerieabteilungen, sagte der Baron zum General, der ihm
einen Krankenbesuch abstattete. Es ist schade, daß er nicht aktiv ist. Er ver¬
steht mehr von der taktischen Verwendung der Reiterwaffe als mancher Schwa¬
dronsführer.

Der Baron hatte den Abend vorher dazu benutzt, Eberhardt eine Vorlesung
über Kavallerictaktik zu halten, und dieser hatte so angenehm zugehört, daß der
alte Herr eine vortreffliche Meinung von seiner militärischen Befähigung bekam.
Es lag ihm das Interesse der Kavallerie immer mehr am Herzen, je länger
er nicht mehr thätig in ihr war, und jetzt, wo sein linker Fuß in Baumwolle
verpackt war, verspürte er das Bedürfnis, seinen Lieblingsgegenstand zu be¬
handeln, mit doppelter Stärke. Er sah in einem guten Zuhörer nicht nur ein
Geschenk der Vorsehung im allgemeinen, sondern auch einen tiefen Kenner des
Von ihm behandelten Themas im besondern.




Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Niemann (Gotha). (Fortsetzung.)

M^U
M>aron Sextus hatte heimlich ein Schreiben nach Fischbeck ab¬
gehen lassen, worin er der Gräfin Altenschwerdt mitteilte, daß
er erkrankt sei und deshalb bitte, die Zusammenkunft noch zu
verschieben. Sobald er wiederhergestellt wäre, wollte er es
! anzeigen.

Dieses Schreiben kam der Gräfin sehr erwünscht. Sie war mit dem Aus¬
sehen ihres Sohnes nicht zufrieden und gedachte den Erfolg der Kur noch
einige Wochen abzuwarten, bevor sie nach Eichhausen führe. So überhob der
Brief des Barons sie der Verlegenheit, unhöflich zu erscheinen, indem sie ihren
Besuch hinausschob. Sie ließ ihren Sohn Algensaft einnehmen, den dieser nur
auf ihre Autorität hin verschluckte, und harrte ihrerseits auf rote Wangen bei
Dietrich, wie der Baron auf die Möglichkeit rüstigen Umhergehens wartete,
bevor die diplomatisch vorbereitete Zusammenkunft stattfände.

Dieser junge Mann hat eine sehr praktische Ansicht von der Bewegung
geschlossener Kavallerieabteilungen, sagte der Baron zum General, der ihm
einen Krankenbesuch abstattete. Es ist schade, daß er nicht aktiv ist. Er ver¬
steht mehr von der taktischen Verwendung der Reiterwaffe als mancher Schwa¬
dronsführer.

Der Baron hatte den Abend vorher dazu benutzt, Eberhardt eine Vorlesung
über Kavallerictaktik zu halten, und dieser hatte so angenehm zugehört, daß der
alte Herr eine vortreffliche Meinung von seiner militärischen Befähigung bekam.
Es lag ihm das Interesse der Kavallerie immer mehr am Herzen, je länger
er nicht mehr thätig in ihr war, und jetzt, wo sein linker Fuß in Baumwolle
verpackt war, verspürte er das Bedürfnis, seinen Lieblingsgegenstand zu be¬
handeln, mit doppelter Stärke. Er sah in einem guten Zuhörer nicht nur ein
Geschenk der Vorsehung im allgemeinen, sondern auch einen tiefen Kenner des
Von ihm behandelten Themas im besondern.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152278"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341837_151310/figures/grenzboten_341837_151310_152278_000.jpg"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1828"> Die Grafen von Altenschwerdt.<lb/><note type="byline"> Roman von August Niemann (Gotha).</note> (Fortsetzung.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1829"> M^U<lb/>
M&gt;aron Sextus hatte heimlich ein Schreiben nach Fischbeck ab¬<lb/>
gehen lassen, worin er der Gräfin Altenschwerdt mitteilte, daß<lb/>
er erkrankt sei und deshalb bitte, die Zusammenkunft noch zu<lb/>
verschieben.  Sobald er wiederhergestellt wäre, wollte er es<lb/>
! anzeigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1830"> Dieses Schreiben kam der Gräfin sehr erwünscht. Sie war mit dem Aus¬<lb/>
sehen ihres Sohnes nicht zufrieden und gedachte den Erfolg der Kur noch<lb/>
einige Wochen abzuwarten, bevor sie nach Eichhausen führe. So überhob der<lb/>
Brief des Barons sie der Verlegenheit, unhöflich zu erscheinen, indem sie ihren<lb/>
Besuch hinausschob. Sie ließ ihren Sohn Algensaft einnehmen, den dieser nur<lb/>
auf ihre Autorität hin verschluckte, und harrte ihrerseits auf rote Wangen bei<lb/>
Dietrich, wie der Baron auf die Möglichkeit rüstigen Umhergehens wartete,<lb/>
bevor die diplomatisch vorbereitete Zusammenkunft stattfände.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1831"> Dieser junge Mann hat eine sehr praktische Ansicht von der Bewegung<lb/>
geschlossener Kavallerieabteilungen, sagte der Baron zum General, der ihm<lb/>
einen Krankenbesuch abstattete. Es ist schade, daß er nicht aktiv ist. Er ver¬<lb/>
steht mehr von der taktischen Verwendung der Reiterwaffe als mancher Schwa¬<lb/>
dronsführer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1832"> Der Baron hatte den Abend vorher dazu benutzt, Eberhardt eine Vorlesung<lb/>
über Kavallerictaktik zu halten, und dieser hatte so angenehm zugehört, daß der<lb/>
alte Herr eine vortreffliche Meinung von seiner militärischen Befähigung bekam.<lb/>
Es lag ihm das Interesse der Kavallerie immer mehr am Herzen, je länger<lb/>
er nicht mehr thätig in ihr war, und jetzt, wo sein linker Fuß in Baumwolle<lb/>
verpackt war, verspürte er das Bedürfnis, seinen Lieblingsgegenstand zu be¬<lb/>
handeln, mit doppelter Stärke. Er sah in einem guten Zuhörer nicht nur ein<lb/>
Geschenk der Vorsehung im allgemeinen, sondern auch einen tiefen Kenner des<lb/>
Von ihm behandelten Themas im besondern.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0484] [Abbildung] Die Grafen von Altenschwerdt. Roman von August Niemann (Gotha). (Fortsetzung.) M^U M>aron Sextus hatte heimlich ein Schreiben nach Fischbeck ab¬ gehen lassen, worin er der Gräfin Altenschwerdt mitteilte, daß er erkrankt sei und deshalb bitte, die Zusammenkunft noch zu verschieben. Sobald er wiederhergestellt wäre, wollte er es ! anzeigen. Dieses Schreiben kam der Gräfin sehr erwünscht. Sie war mit dem Aus¬ sehen ihres Sohnes nicht zufrieden und gedachte den Erfolg der Kur noch einige Wochen abzuwarten, bevor sie nach Eichhausen führe. So überhob der Brief des Barons sie der Verlegenheit, unhöflich zu erscheinen, indem sie ihren Besuch hinausschob. Sie ließ ihren Sohn Algensaft einnehmen, den dieser nur auf ihre Autorität hin verschluckte, und harrte ihrerseits auf rote Wangen bei Dietrich, wie der Baron auf die Möglichkeit rüstigen Umhergehens wartete, bevor die diplomatisch vorbereitete Zusammenkunft stattfände. Dieser junge Mann hat eine sehr praktische Ansicht von der Bewegung geschlossener Kavallerieabteilungen, sagte der Baron zum General, der ihm einen Krankenbesuch abstattete. Es ist schade, daß er nicht aktiv ist. Er ver¬ steht mehr von der taktischen Verwendung der Reiterwaffe als mancher Schwa¬ dronsführer. Der Baron hatte den Abend vorher dazu benutzt, Eberhardt eine Vorlesung über Kavallerictaktik zu halten, und dieser hatte so angenehm zugehört, daß der alte Herr eine vortreffliche Meinung von seiner militärischen Befähigung bekam. Es lag ihm das Interesse der Kavallerie immer mehr am Herzen, je länger er nicht mehr thätig in ihr war, und jetzt, wo sein linker Fuß in Baumwolle verpackt war, verspürte er das Bedürfnis, seinen Lieblingsgegenstand zu be¬ handeln, mit doppelter Stärke. Er sah in einem guten Zuhörer nicht nur ein Geschenk der Vorsehung im allgemeinen, sondern auch einen tiefen Kenner des Von ihm behandelten Themas im besondern.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/484
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/484>, abgerufen am 25.07.2024.