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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Lügen Richter und die Armee.

als der Träger alter Tradition von Ehre, Mut, Tapferkeit, von wissenschaft¬
lichem Fortschritt, von Treue und Gehorsam gegen den König und echter Vater¬
landsliebe weiß sich völlig eins in seinem Streben mit den breiten Schichten der
Bevölkerung, welche zu den Fahnen strömen, um der schwersten aber auch der
höchsten Ehrenpflicht des Bürgers Geniige zu leisten. Von den erziehlichen
Resultaten des Offizierkorps legt nicht nur die große Zahl der in ihrer Dienst¬
zeit sittlich wie körperlich und geistig gehobenen jungen Männer Zeugnis ab,
sie ist erkennbar auch in den zahlreichen Kriegerverbändcn und Regimentsver¬
einen, in denen die frühern Soldaten sich in kameradschaftlicher Treue zusammen¬
finden, um sich gegenseitig zu fördern und zu stützen. Das gerade Gegenteil
einer abgesonderten Stellung aber tritt ganz augenscheinlich zu Tage in der
Anhänglichkeit, mit welcher fast alle frühern Soldaten ihrer Offiziere gedenken.

Es kann die Armee, oder im Sinne des Herrn Richter gesprochen, das
Offizierkorps ziemlich gleichgiltig lassen, ob außerhalb ihrer Reihen das Ver¬
trauen in sie durch die fortschrittliche Agitation erschüttert werde, so lange sie sich
fest und sicher auf ihre eigne innere Tüchtigkeit verlassen kann. Im höchsten
Grade beklagenswert aber würde es sein, wenn die Behauptung des Herrn
Richter, nach welcher ihm täglich Hunderte von zustimmenden brieflichen Mit¬
teilungen aus den Kreisen der Armee zugehen, über die Bedeutung einer
durchschlagenden Redewendung hinaufginge. Dann hätte das fortschrittliche
Gift schon gewirkt, und auch das Gebäude der deutschen Heeresorganisation,
welches bisher fast allein von der nivellirenden Zeitrichtung verschont geblieben
war, wäre in seinen Grundlagen bereits angefochten.

Das ganze Offizierkorps, die gesamte Armee erhebt einmütiger, lebhaften
Widerspruch gegen solche beleidigende Zumutung, das wissen wir bestimmt als
begeisterter Anhänger und Bewundrer derselben, ohne eines ausdrücklichen
Maubads zu bedürfen, und wir würden es mit Freuden begrüßen, wenn diese
Zeilen imstande wären, auf die großen Gefahren aufmerksam zumachen, welche
das Verfahren der Herren Richter und Genossen für die unantastbare Zuver¬
lässigkeit der Armee, in weiterer Folge aber für den Bestand des deutschen
Reichs notwendigerweise im Gefolge haben muß.




Lügen Richter und die Armee.

als der Träger alter Tradition von Ehre, Mut, Tapferkeit, von wissenschaft¬
lichem Fortschritt, von Treue und Gehorsam gegen den König und echter Vater¬
landsliebe weiß sich völlig eins in seinem Streben mit den breiten Schichten der
Bevölkerung, welche zu den Fahnen strömen, um der schwersten aber auch der
höchsten Ehrenpflicht des Bürgers Geniige zu leisten. Von den erziehlichen
Resultaten des Offizierkorps legt nicht nur die große Zahl der in ihrer Dienst¬
zeit sittlich wie körperlich und geistig gehobenen jungen Männer Zeugnis ab,
sie ist erkennbar auch in den zahlreichen Kriegerverbändcn und Regimentsver¬
einen, in denen die frühern Soldaten sich in kameradschaftlicher Treue zusammen¬
finden, um sich gegenseitig zu fördern und zu stützen. Das gerade Gegenteil
einer abgesonderten Stellung aber tritt ganz augenscheinlich zu Tage in der
Anhänglichkeit, mit welcher fast alle frühern Soldaten ihrer Offiziere gedenken.

Es kann die Armee, oder im Sinne des Herrn Richter gesprochen, das
Offizierkorps ziemlich gleichgiltig lassen, ob außerhalb ihrer Reihen das Ver¬
trauen in sie durch die fortschrittliche Agitation erschüttert werde, so lange sie sich
fest und sicher auf ihre eigne innere Tüchtigkeit verlassen kann. Im höchsten
Grade beklagenswert aber würde es sein, wenn die Behauptung des Herrn
Richter, nach welcher ihm täglich Hunderte von zustimmenden brieflichen Mit¬
teilungen aus den Kreisen der Armee zugehen, über die Bedeutung einer
durchschlagenden Redewendung hinaufginge. Dann hätte das fortschrittliche
Gift schon gewirkt, und auch das Gebäude der deutschen Heeresorganisation,
welches bisher fast allein von der nivellirenden Zeitrichtung verschont geblieben
war, wäre in seinen Grundlagen bereits angefochten.

Das ganze Offizierkorps, die gesamte Armee erhebt einmütiger, lebhaften
Widerspruch gegen solche beleidigende Zumutung, das wissen wir bestimmt als
begeisterter Anhänger und Bewundrer derselben, ohne eines ausdrücklichen
Maubads zu bedürfen, und wir würden es mit Freuden begrüßen, wenn diese
Zeilen imstande wären, auf die großen Gefahren aufmerksam zumachen, welche
das Verfahren der Herren Richter und Genossen für die unantastbare Zuver¬
lässigkeit der Armee, in weiterer Folge aber für den Bestand des deutschen
Reichs notwendigerweise im Gefolge haben muß.




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[0483] Lügen Richter und die Armee. als der Träger alter Tradition von Ehre, Mut, Tapferkeit, von wissenschaft¬ lichem Fortschritt, von Treue und Gehorsam gegen den König und echter Vater¬ landsliebe weiß sich völlig eins in seinem Streben mit den breiten Schichten der Bevölkerung, welche zu den Fahnen strömen, um der schwersten aber auch der höchsten Ehrenpflicht des Bürgers Geniige zu leisten. Von den erziehlichen Resultaten des Offizierkorps legt nicht nur die große Zahl der in ihrer Dienst¬ zeit sittlich wie körperlich und geistig gehobenen jungen Männer Zeugnis ab, sie ist erkennbar auch in den zahlreichen Kriegerverbändcn und Regimentsver¬ einen, in denen die frühern Soldaten sich in kameradschaftlicher Treue zusammen¬ finden, um sich gegenseitig zu fördern und zu stützen. Das gerade Gegenteil einer abgesonderten Stellung aber tritt ganz augenscheinlich zu Tage in der Anhänglichkeit, mit welcher fast alle frühern Soldaten ihrer Offiziere gedenken. Es kann die Armee, oder im Sinne des Herrn Richter gesprochen, das Offizierkorps ziemlich gleichgiltig lassen, ob außerhalb ihrer Reihen das Ver¬ trauen in sie durch die fortschrittliche Agitation erschüttert werde, so lange sie sich fest und sicher auf ihre eigne innere Tüchtigkeit verlassen kann. Im höchsten Grade beklagenswert aber würde es sein, wenn die Behauptung des Herrn Richter, nach welcher ihm täglich Hunderte von zustimmenden brieflichen Mit¬ teilungen aus den Kreisen der Armee zugehen, über die Bedeutung einer durchschlagenden Redewendung hinaufginge. Dann hätte das fortschrittliche Gift schon gewirkt, und auch das Gebäude der deutschen Heeresorganisation, welches bisher fast allein von der nivellirenden Zeitrichtung verschont geblieben war, wäre in seinen Grundlagen bereits angefochten. Das ganze Offizierkorps, die gesamte Armee erhebt einmütiger, lebhaften Widerspruch gegen solche beleidigende Zumutung, das wissen wir bestimmt als begeisterter Anhänger und Bewundrer derselben, ohne eines ausdrücklichen Maubads zu bedürfen, und wir würden es mit Freuden begrüßen, wenn diese Zeilen imstande wären, auf die großen Gefahren aufmerksam zumachen, welche das Verfahren der Herren Richter und Genossen für die unantastbare Zuver¬ lässigkeit der Armee, in weiterer Folge aber für den Bestand des deutschen Reichs notwendigerweise im Gefolge haben muß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/483>, abgerufen am 04.07.2024.