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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Lügen Richter und die Armee.

Ferner sind der Militärverwaltung, allerdings nicht von Herrn Richter,
die vielen Stiefel zum Vorwurf gemacht worden, die sie auf den Kammern ver¬
schimmeln ließe. Nun wissen aber alle Wähler, die je der Armee angehört
haben, auch diejenigen, in deren Herzen Herr Richter so fest wurzelt, weil er
außerhalb des militärischen Kastengeistes steht, daß kein Stück der angehäuften
Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke verkommt, sondern daß jedes mit großer
Sorgfalt und in mühsamer, oft für die betreffenden recht unangenehmer Arbeit
frisch und brauchbar erhalten wird. Solche Vorräte sind nötig, um im Falle
der Mobilmachung alle Mannschaften ohne Zeitverlust gehörig einkleiden zu
können, ohne von der Zuverlässigkeit teurer Lieferanten abhängig zu sein. Also
neben den notwendigen militärischen Rücksichten abermals weise Sparsamkeit.

So könnten wir noch eine Fülle weiterer ungerechtfertigter Angriffe hervor¬
heben. Wir wollen aber lediglich noch bei der Behauptung einen Augenblick ver¬
weilen, daß die Mehrzahl der zahlreichen Selbstmorde in der Armee auf erlittene
Mißhandlung von feiten der Vorgesetzten zurückzuführen sei. Abgesehen davon,
daß die Selbstmorde junger Männer innerhalb der Armee nicht häufiger sind
als in der Bevölkerung überhaupt, und ohne uns auf die Darlegungen andrer
Abgeordneten zu berufen, die ja den gewichtigen Behauptungen eines Volks¬
tribunen von dem Ansehen des Herrn Richter gegenüber kaum Erwähnung,
geschweige denn Beachtung verdienen, möchten wir dem Herrn doch anheim geben,
eine seiner zahlreichen Forschungsreisen auch bis auf die Landsitze seiner Partei¬
genossen, etwa in Ostpreußen, auszudehnen, um sich zu vergewissern, ob dort
die Behandlung von Gesinde und Landvolk lediglich nach dem Buchstaben des
Gesetzes stattfinde. Wir geben bereitwillig zu, daß das nichts mit der Be¬
handlung der Soldaten zu thun hat, und wir beklagen es mit dem Abge¬
ordneten Richter aufs lebhafteste, daß noch immer Fälle von Mißhandlungen
Untergebener vorkommen. Diese werden indeß dort, wo sie bekannt werden, nach
Recht und Gesetz und ohne Ansehen der Person bestraft, und wenn Herr Richter
ehrlich sein will, so muß er anerkennen, daß der Soldat im allgemeinen während
seiner Dienstzeit besser lebt und bessere Behandlung genießt, als er dies in seinen
bürgerlichen Verhältnissen gewohnt ist, daß er das Gefühl gehobener Mannes¬
würde und selbstbewußtes, festes Auftreten mit in die Heimat zurücknimmt und
mit freudigem Stolze seines Truppenteils und der im bunten Rocke verlebten
Zeit gedenkt.

Dem Scharfsinn des Herrn Richter können alle diese Punkte schwerlich
entgangen sein, er zeigt aber in der Verfolgung seiner destruktiven politischen
Tendenzen mit voller Absichtlichkeit stets auf die Kehrseite der Medaille, um
die Armee in den Augen Dritter herabzusetzen und um Mißtrauen in ihren eignen
Reihen zu säen. Dazu hält er es für gut, einen gewissen Gegensatz zu kon-
struiren zwischen dem Offizierkorps als geschlossenem Ganzen und der Armee
im Großen, einen Gegensatz, der schlechterdings nicht besteht. Das Offizierkorps


Lügen Richter und die Armee.

Ferner sind der Militärverwaltung, allerdings nicht von Herrn Richter,
die vielen Stiefel zum Vorwurf gemacht worden, die sie auf den Kammern ver¬
schimmeln ließe. Nun wissen aber alle Wähler, die je der Armee angehört
haben, auch diejenigen, in deren Herzen Herr Richter so fest wurzelt, weil er
außerhalb des militärischen Kastengeistes steht, daß kein Stück der angehäuften
Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke verkommt, sondern daß jedes mit großer
Sorgfalt und in mühsamer, oft für die betreffenden recht unangenehmer Arbeit
frisch und brauchbar erhalten wird. Solche Vorräte sind nötig, um im Falle
der Mobilmachung alle Mannschaften ohne Zeitverlust gehörig einkleiden zu
können, ohne von der Zuverlässigkeit teurer Lieferanten abhängig zu sein. Also
neben den notwendigen militärischen Rücksichten abermals weise Sparsamkeit.

So könnten wir noch eine Fülle weiterer ungerechtfertigter Angriffe hervor¬
heben. Wir wollen aber lediglich noch bei der Behauptung einen Augenblick ver¬
weilen, daß die Mehrzahl der zahlreichen Selbstmorde in der Armee auf erlittene
Mißhandlung von feiten der Vorgesetzten zurückzuführen sei. Abgesehen davon,
daß die Selbstmorde junger Männer innerhalb der Armee nicht häufiger sind
als in der Bevölkerung überhaupt, und ohne uns auf die Darlegungen andrer
Abgeordneten zu berufen, die ja den gewichtigen Behauptungen eines Volks¬
tribunen von dem Ansehen des Herrn Richter gegenüber kaum Erwähnung,
geschweige denn Beachtung verdienen, möchten wir dem Herrn doch anheim geben,
eine seiner zahlreichen Forschungsreisen auch bis auf die Landsitze seiner Partei¬
genossen, etwa in Ostpreußen, auszudehnen, um sich zu vergewissern, ob dort
die Behandlung von Gesinde und Landvolk lediglich nach dem Buchstaben des
Gesetzes stattfinde. Wir geben bereitwillig zu, daß das nichts mit der Be¬
handlung der Soldaten zu thun hat, und wir beklagen es mit dem Abge¬
ordneten Richter aufs lebhafteste, daß noch immer Fälle von Mißhandlungen
Untergebener vorkommen. Diese werden indeß dort, wo sie bekannt werden, nach
Recht und Gesetz und ohne Ansehen der Person bestraft, und wenn Herr Richter
ehrlich sein will, so muß er anerkennen, daß der Soldat im allgemeinen während
seiner Dienstzeit besser lebt und bessere Behandlung genießt, als er dies in seinen
bürgerlichen Verhältnissen gewohnt ist, daß er das Gefühl gehobener Mannes¬
würde und selbstbewußtes, festes Auftreten mit in die Heimat zurücknimmt und
mit freudigem Stolze seines Truppenteils und der im bunten Rocke verlebten
Zeit gedenkt.

Dem Scharfsinn des Herrn Richter können alle diese Punkte schwerlich
entgangen sein, er zeigt aber in der Verfolgung seiner destruktiven politischen
Tendenzen mit voller Absichtlichkeit stets auf die Kehrseite der Medaille, um
die Armee in den Augen Dritter herabzusetzen und um Mißtrauen in ihren eignen
Reihen zu säen. Dazu hält er es für gut, einen gewissen Gegensatz zu kon-
struiren zwischen dem Offizierkorps als geschlossenem Ganzen und der Armee
im Großen, einen Gegensatz, der schlechterdings nicht besteht. Das Offizierkorps


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[0482] Lügen Richter und die Armee. Ferner sind der Militärverwaltung, allerdings nicht von Herrn Richter, die vielen Stiefel zum Vorwurf gemacht worden, die sie auf den Kammern ver¬ schimmeln ließe. Nun wissen aber alle Wähler, die je der Armee angehört haben, auch diejenigen, in deren Herzen Herr Richter so fest wurzelt, weil er außerhalb des militärischen Kastengeistes steht, daß kein Stück der angehäuften Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke verkommt, sondern daß jedes mit großer Sorgfalt und in mühsamer, oft für die betreffenden recht unangenehmer Arbeit frisch und brauchbar erhalten wird. Solche Vorräte sind nötig, um im Falle der Mobilmachung alle Mannschaften ohne Zeitverlust gehörig einkleiden zu können, ohne von der Zuverlässigkeit teurer Lieferanten abhängig zu sein. Also neben den notwendigen militärischen Rücksichten abermals weise Sparsamkeit. So könnten wir noch eine Fülle weiterer ungerechtfertigter Angriffe hervor¬ heben. Wir wollen aber lediglich noch bei der Behauptung einen Augenblick ver¬ weilen, daß die Mehrzahl der zahlreichen Selbstmorde in der Armee auf erlittene Mißhandlung von feiten der Vorgesetzten zurückzuführen sei. Abgesehen davon, daß die Selbstmorde junger Männer innerhalb der Armee nicht häufiger sind als in der Bevölkerung überhaupt, und ohne uns auf die Darlegungen andrer Abgeordneten zu berufen, die ja den gewichtigen Behauptungen eines Volks¬ tribunen von dem Ansehen des Herrn Richter gegenüber kaum Erwähnung, geschweige denn Beachtung verdienen, möchten wir dem Herrn doch anheim geben, eine seiner zahlreichen Forschungsreisen auch bis auf die Landsitze seiner Partei¬ genossen, etwa in Ostpreußen, auszudehnen, um sich zu vergewissern, ob dort die Behandlung von Gesinde und Landvolk lediglich nach dem Buchstaben des Gesetzes stattfinde. Wir geben bereitwillig zu, daß das nichts mit der Be¬ handlung der Soldaten zu thun hat, und wir beklagen es mit dem Abge¬ ordneten Richter aufs lebhafteste, daß noch immer Fälle von Mißhandlungen Untergebener vorkommen. Diese werden indeß dort, wo sie bekannt werden, nach Recht und Gesetz und ohne Ansehen der Person bestraft, und wenn Herr Richter ehrlich sein will, so muß er anerkennen, daß der Soldat im allgemeinen während seiner Dienstzeit besser lebt und bessere Behandlung genießt, als er dies in seinen bürgerlichen Verhältnissen gewohnt ist, daß er das Gefühl gehobener Mannes¬ würde und selbstbewußtes, festes Auftreten mit in die Heimat zurücknimmt und mit freudigem Stolze seines Truppenteils und der im bunten Rocke verlebten Zeit gedenkt. Dem Scharfsinn des Herrn Richter können alle diese Punkte schwerlich entgangen sein, er zeigt aber in der Verfolgung seiner destruktiven politischen Tendenzen mit voller Absichtlichkeit stets auf die Kehrseite der Medaille, um die Armee in den Augen Dritter herabzusetzen und um Mißtrauen in ihren eignen Reihen zu säen. Dazu hält er es für gut, einen gewissen Gegensatz zu kon- struiren zwischen dem Offizierkorps als geschlossenem Ganzen und der Armee im Großen, einen Gegensatz, der schlechterdings nicht besteht. Das Offizierkorps

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/482>, abgerufen am 04.07.2024.