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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutsche Flotte.

Kriegskunst, zu einem befestigten Wasserplatze umgeschaffen werden soll, hinter
dessen schützenden Wällen eine große Armee Platz und Unterhalt finden kann.

In der Nordsee bildet Wilhelmshaven den seit dem Herbste 1870 benutzten
zweiten Zufluchtsort der deutschen Flotte. Auch dies ist jetzt ein Kriegshafen
erster Klasse, im Gegensatze zu Kiel aber hatte man bei seiner Anlage mit den
größten elementaren Schwierigkeiten zu kämpfen, da nicht allein das ganze Ge¬
biet uuter der Hochwasserlinie liegt, sondern auch der eigentliche Ankerplatz künst¬
lich hergestellt und gesichert werden mußte. Der energischen Förderung der
notwendigen Arbeiten ist es indeß gelungen, sämtliche Befestigungsarbeiten zu
vollenden. Es bleibt nur noch ein zweites Dock und eine zweite Hafeneinfahrt
zu schaffen, damit bei etwaiger Beschädigung der ersten und bisher einzigen
Schleuse keine Verkehrsstockung eintritt.

Die Anlage von Wilhelmshaven war eine Notwendigkeit, um auch diesem
Teile der deutschen Küste direkten Schutz zu gewähren. Zu kriegerischer Wechsel¬
wirkung aber der in der Ostsee und der Nordsee stationirten Schiffe, wie um
Kriegsdampfer und Kauffahrer unabhängig von den Unbilden der Witterung
in den engen skandinavischen Gewässern und dem guten Willen der nordischen
Mächte zu machen, erweist sich die endliche Verwirklichung des seit langem
bestehenden Planes eines Kanals zur direkten Verbindung von Nordsee und
Ostsee, dessen Mündung dann wohl von den Kanonen Kiels beherrscht werden
würde, als eine immer fühlbarer werdende Notwendigkeit, umsomehr, als dadurch
auch der Handelsweg zu und von den deutschen Ostseehäfen um ein bedeutendes
gekürzt werdeu würde.

Unähnlich der Armee, deren Friedensthätigkeit sich im großen und ganzen
vorzugsweise als eine stete Schulung für den Ernst des Krieges darstellt, hat
die Marine schon während des Friedens eine Anzahl an sie herantretender Auf¬
gaben und Pflichten zu erfüllen. Dahin gehört die Sicherung des Seehandels
und der Schifffahrt gegen Seeraub und jede ungerechte Vergewaltigung, die Ver¬
tretung der vaterländischen Interessen und der Schutz deutscher Unterthanen im
Auslande, die Anknüpfung neuer Handelsverbindungen und politischer Beziehungen
mit den jetzt noch wenig erschlossenen Ländern, wissenschaftliche Beobachtungen
und Expeditionen, Vermessungen ans den Meeren und an den Küsten, Anfertigung
von Seekarten wie die Repräsentation der Macht und des Ansehens des Staates
in allen Erdteilen. Zu solchen und ähnlichen Zwecken, neben deren Erreichung
natürlich die notwendigen Übungen nicht vernachlässigt werden dürfen, ist denn
auch fortwährend ein starker Bruchteil der deutschen Schiffe in Dienst gestellt.
Zur Wahrnehmung deutscher Interessen befinden sich beständig auf der ost¬
asiatischen Station unter dem Befehle eines Geschwaderchefs eine Korvette und
zwei Kanonenboote, in den australischen Gewässern eine Korvette und ein Ka¬
nonenboot, ans der ostamerikanischen Station eine Korvette und ein Kanonen¬
boot, ini Westen desselben Erdteils eine Korvette. Im Mittelmeere hatte am


Grenzboten I. 1883. 58
Die deutsche Flotte.

Kriegskunst, zu einem befestigten Wasserplatze umgeschaffen werden soll, hinter
dessen schützenden Wällen eine große Armee Platz und Unterhalt finden kann.

In der Nordsee bildet Wilhelmshaven den seit dem Herbste 1870 benutzten
zweiten Zufluchtsort der deutschen Flotte. Auch dies ist jetzt ein Kriegshafen
erster Klasse, im Gegensatze zu Kiel aber hatte man bei seiner Anlage mit den
größten elementaren Schwierigkeiten zu kämpfen, da nicht allein das ganze Ge¬
biet uuter der Hochwasserlinie liegt, sondern auch der eigentliche Ankerplatz künst¬
lich hergestellt und gesichert werden mußte. Der energischen Förderung der
notwendigen Arbeiten ist es indeß gelungen, sämtliche Befestigungsarbeiten zu
vollenden. Es bleibt nur noch ein zweites Dock und eine zweite Hafeneinfahrt
zu schaffen, damit bei etwaiger Beschädigung der ersten und bisher einzigen
Schleuse keine Verkehrsstockung eintritt.

Die Anlage von Wilhelmshaven war eine Notwendigkeit, um auch diesem
Teile der deutschen Küste direkten Schutz zu gewähren. Zu kriegerischer Wechsel¬
wirkung aber der in der Ostsee und der Nordsee stationirten Schiffe, wie um
Kriegsdampfer und Kauffahrer unabhängig von den Unbilden der Witterung
in den engen skandinavischen Gewässern und dem guten Willen der nordischen
Mächte zu machen, erweist sich die endliche Verwirklichung des seit langem
bestehenden Planes eines Kanals zur direkten Verbindung von Nordsee und
Ostsee, dessen Mündung dann wohl von den Kanonen Kiels beherrscht werden
würde, als eine immer fühlbarer werdende Notwendigkeit, umsomehr, als dadurch
auch der Handelsweg zu und von den deutschen Ostseehäfen um ein bedeutendes
gekürzt werdeu würde.

Unähnlich der Armee, deren Friedensthätigkeit sich im großen und ganzen
vorzugsweise als eine stete Schulung für den Ernst des Krieges darstellt, hat
die Marine schon während des Friedens eine Anzahl an sie herantretender Auf¬
gaben und Pflichten zu erfüllen. Dahin gehört die Sicherung des Seehandels
und der Schifffahrt gegen Seeraub und jede ungerechte Vergewaltigung, die Ver¬
tretung der vaterländischen Interessen und der Schutz deutscher Unterthanen im
Auslande, die Anknüpfung neuer Handelsverbindungen und politischer Beziehungen
mit den jetzt noch wenig erschlossenen Ländern, wissenschaftliche Beobachtungen
und Expeditionen, Vermessungen ans den Meeren und an den Küsten, Anfertigung
von Seekarten wie die Repräsentation der Macht und des Ansehens des Staates
in allen Erdteilen. Zu solchen und ähnlichen Zwecken, neben deren Erreichung
natürlich die notwendigen Übungen nicht vernachlässigt werden dürfen, ist denn
auch fortwährend ein starker Bruchteil der deutschen Schiffe in Dienst gestellt.
Zur Wahrnehmung deutscher Interessen befinden sich beständig auf der ost¬
asiatischen Station unter dem Befehle eines Geschwaderchefs eine Korvette und
zwei Kanonenboote, in den australischen Gewässern eine Korvette und ein Ka¬
nonenboot, ans der ostamerikanischen Station eine Korvette und ein Kanonen¬
boot, ini Westen desselben Erdteils eine Korvette. Im Mittelmeere hatte am


Grenzboten I. 1883. 58
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[0465] Die deutsche Flotte. Kriegskunst, zu einem befestigten Wasserplatze umgeschaffen werden soll, hinter dessen schützenden Wällen eine große Armee Platz und Unterhalt finden kann. In der Nordsee bildet Wilhelmshaven den seit dem Herbste 1870 benutzten zweiten Zufluchtsort der deutschen Flotte. Auch dies ist jetzt ein Kriegshafen erster Klasse, im Gegensatze zu Kiel aber hatte man bei seiner Anlage mit den größten elementaren Schwierigkeiten zu kämpfen, da nicht allein das ganze Ge¬ biet uuter der Hochwasserlinie liegt, sondern auch der eigentliche Ankerplatz künst¬ lich hergestellt und gesichert werden mußte. Der energischen Förderung der notwendigen Arbeiten ist es indeß gelungen, sämtliche Befestigungsarbeiten zu vollenden. Es bleibt nur noch ein zweites Dock und eine zweite Hafeneinfahrt zu schaffen, damit bei etwaiger Beschädigung der ersten und bisher einzigen Schleuse keine Verkehrsstockung eintritt. Die Anlage von Wilhelmshaven war eine Notwendigkeit, um auch diesem Teile der deutschen Küste direkten Schutz zu gewähren. Zu kriegerischer Wechsel¬ wirkung aber der in der Ostsee und der Nordsee stationirten Schiffe, wie um Kriegsdampfer und Kauffahrer unabhängig von den Unbilden der Witterung in den engen skandinavischen Gewässern und dem guten Willen der nordischen Mächte zu machen, erweist sich die endliche Verwirklichung des seit langem bestehenden Planes eines Kanals zur direkten Verbindung von Nordsee und Ostsee, dessen Mündung dann wohl von den Kanonen Kiels beherrscht werden würde, als eine immer fühlbarer werdende Notwendigkeit, umsomehr, als dadurch auch der Handelsweg zu und von den deutschen Ostseehäfen um ein bedeutendes gekürzt werdeu würde. Unähnlich der Armee, deren Friedensthätigkeit sich im großen und ganzen vorzugsweise als eine stete Schulung für den Ernst des Krieges darstellt, hat die Marine schon während des Friedens eine Anzahl an sie herantretender Auf¬ gaben und Pflichten zu erfüllen. Dahin gehört die Sicherung des Seehandels und der Schifffahrt gegen Seeraub und jede ungerechte Vergewaltigung, die Ver¬ tretung der vaterländischen Interessen und der Schutz deutscher Unterthanen im Auslande, die Anknüpfung neuer Handelsverbindungen und politischer Beziehungen mit den jetzt noch wenig erschlossenen Ländern, wissenschaftliche Beobachtungen und Expeditionen, Vermessungen ans den Meeren und an den Küsten, Anfertigung von Seekarten wie die Repräsentation der Macht und des Ansehens des Staates in allen Erdteilen. Zu solchen und ähnlichen Zwecken, neben deren Erreichung natürlich die notwendigen Übungen nicht vernachlässigt werden dürfen, ist denn auch fortwährend ein starker Bruchteil der deutschen Schiffe in Dienst gestellt. Zur Wahrnehmung deutscher Interessen befinden sich beständig auf der ost¬ asiatischen Station unter dem Befehle eines Geschwaderchefs eine Korvette und zwei Kanonenboote, in den australischen Gewässern eine Korvette und ein Ka¬ nonenboot, ans der ostamerikanischen Station eine Korvette und ein Kanonen¬ boot, ini Westen desselben Erdteils eine Korvette. Im Mittelmeere hatte am Grenzboten I. 1883. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/465>, abgerufen am 23.07.2024.