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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutsche Flotte.

1. Oktober der Kommodore Freiherr von der Goltz die Korvetten Gneisenau
und Nymphe und die Avisos Zieten und Loreley unter seinen Befehlen ver¬
einigt. Für gewöhnlich versieht dort nur ein Schiff regelmäßig den Dienst, aus
Anlaß der ägyptischen Verwicklungen aber war eine größere Machtentfaltung
auf diesem Meere befohlen worden, und es befand sich mit dieser Vermehrung
der in Dienst gestellten Schiffe fast die Hälfte der deutschen Kriegsschiffe auf
See, ohne daß es nötig geworden wäre, auch nur einen Mann der Reserve
einzuberufen. Diese Thatsache legt beredtes Zeugniß ab von dem planmäßig
durchdachten Organismus der deutschen Flotte; andrerseits verdient es Bewun¬
derung, wie schnell die betreffenden Schiffe nach den bestehenden Mobilisirungs-
vorschriften in Dienst gestellt werden konnten.

Alljährlich im Herbste treten eine Korvette mit Kadetten eine zweijährige,
eine andre mit ältern Schiffsjungen eine einjährige Reise an, während welcher
das Kadettenschiff regelmäßig die ostasiatische und polynesische, die Schiffsjungen¬
korvette die westindische Station anläuft. Das Artillerieschiff Mars bleibt mit
kurzen Unterbrechungen fortwährend auf der Jahde in Dienst, zwei bis drei
Kanonenboote benutzen die günstige Jahreszeit zu Seemessungen an den deutschen
Küsten und dienen gleichzeitig zum Schutze der Nordseefischerei und zu Trans-
pvrtzwecken. Zur Erprobung der Schiffe endlich wie zur Ausbildung von
Offizieren und Mannschaften sticht jeden Sommer ein Übungsgeschwader von
vier Panzern und einem Aviso in See. Die Übungen haben vor einigen Jahren
im Mittelmeere stattgefunden. In letzter Zeit sind dieselben wohl aus see¬
männischen Gründen wieder in die heimischen Gewässer verlegt worden. So
kommen die mannigfachen, nicht unbedeutenden Bedürfnisse dieser Flottille der
heimischen Industrie zugute, und die deutschen Seeoffiziere lernen jedes Riff,
jede Untiefe und sonstige Eigentümlichkeit des schwierigen Fahrwassers bis in
das geringste Detail kennen und zu kriegerischen Zwecken verwerten.

Wie der deutsche Patriot mit freudigem Stolze auf die junge dreifarbige
Flagge blickt, welche in der obern Ecke das Zeichen des eisernen Kreuzes trägt,
so ist diese auch auf allen Meeren gekannt und geachtet. Glücklicherweise liegen
die Zeiten hinter uns, wo ein englischer Minister ungestraft erklären durfte, er
kenne keine deutsche Flagge und werde Schiffe, die unter einer solchen auf offener
See sich zeigen sollten, als Piraten aufbringen lassen. Vielmehr hat die kaiser¬
liche Marine sich bereits einen ehrenvollen Platz unter den Flotten aller Nationen
erworben, und kriegerische Komplikationen würden nur dazu beitragen, ihre
Tüchtigkeit zu erproben und ihre achtunggebietende Stellung noch mehr zu
festigen.

In Preußen ist man von Alters her gewohnt gewesen, daß fast sämtliche
königlichen Prinzen in ernster Hingebung dem Waffenhandwerk sich widmeten.
Dem Beispiele seines verewigten Großoheims folgend, hat jetzt auch Prinz
Heinrich von Preußen den Dienst auf der Flotte sich zur Lebensaufgabe ge-


Die deutsche Flotte.

1. Oktober der Kommodore Freiherr von der Goltz die Korvetten Gneisenau
und Nymphe und die Avisos Zieten und Loreley unter seinen Befehlen ver¬
einigt. Für gewöhnlich versieht dort nur ein Schiff regelmäßig den Dienst, aus
Anlaß der ägyptischen Verwicklungen aber war eine größere Machtentfaltung
auf diesem Meere befohlen worden, und es befand sich mit dieser Vermehrung
der in Dienst gestellten Schiffe fast die Hälfte der deutschen Kriegsschiffe auf
See, ohne daß es nötig geworden wäre, auch nur einen Mann der Reserve
einzuberufen. Diese Thatsache legt beredtes Zeugniß ab von dem planmäßig
durchdachten Organismus der deutschen Flotte; andrerseits verdient es Bewun¬
derung, wie schnell die betreffenden Schiffe nach den bestehenden Mobilisirungs-
vorschriften in Dienst gestellt werden konnten.

Alljährlich im Herbste treten eine Korvette mit Kadetten eine zweijährige,
eine andre mit ältern Schiffsjungen eine einjährige Reise an, während welcher
das Kadettenschiff regelmäßig die ostasiatische und polynesische, die Schiffsjungen¬
korvette die westindische Station anläuft. Das Artillerieschiff Mars bleibt mit
kurzen Unterbrechungen fortwährend auf der Jahde in Dienst, zwei bis drei
Kanonenboote benutzen die günstige Jahreszeit zu Seemessungen an den deutschen
Küsten und dienen gleichzeitig zum Schutze der Nordseefischerei und zu Trans-
pvrtzwecken. Zur Erprobung der Schiffe endlich wie zur Ausbildung von
Offizieren und Mannschaften sticht jeden Sommer ein Übungsgeschwader von
vier Panzern und einem Aviso in See. Die Übungen haben vor einigen Jahren
im Mittelmeere stattgefunden. In letzter Zeit sind dieselben wohl aus see¬
männischen Gründen wieder in die heimischen Gewässer verlegt worden. So
kommen die mannigfachen, nicht unbedeutenden Bedürfnisse dieser Flottille der
heimischen Industrie zugute, und die deutschen Seeoffiziere lernen jedes Riff,
jede Untiefe und sonstige Eigentümlichkeit des schwierigen Fahrwassers bis in
das geringste Detail kennen und zu kriegerischen Zwecken verwerten.

Wie der deutsche Patriot mit freudigem Stolze auf die junge dreifarbige
Flagge blickt, welche in der obern Ecke das Zeichen des eisernen Kreuzes trägt,
so ist diese auch auf allen Meeren gekannt und geachtet. Glücklicherweise liegen
die Zeiten hinter uns, wo ein englischer Minister ungestraft erklären durfte, er
kenne keine deutsche Flagge und werde Schiffe, die unter einer solchen auf offener
See sich zeigen sollten, als Piraten aufbringen lassen. Vielmehr hat die kaiser¬
liche Marine sich bereits einen ehrenvollen Platz unter den Flotten aller Nationen
erworben, und kriegerische Komplikationen würden nur dazu beitragen, ihre
Tüchtigkeit zu erproben und ihre achtunggebietende Stellung noch mehr zu
festigen.

In Preußen ist man von Alters her gewohnt gewesen, daß fast sämtliche
königlichen Prinzen in ernster Hingebung dem Waffenhandwerk sich widmeten.
Dem Beispiele seines verewigten Großoheims folgend, hat jetzt auch Prinz
Heinrich von Preußen den Dienst auf der Flotte sich zur Lebensaufgabe ge-


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[0466] Die deutsche Flotte. 1. Oktober der Kommodore Freiherr von der Goltz die Korvetten Gneisenau und Nymphe und die Avisos Zieten und Loreley unter seinen Befehlen ver¬ einigt. Für gewöhnlich versieht dort nur ein Schiff regelmäßig den Dienst, aus Anlaß der ägyptischen Verwicklungen aber war eine größere Machtentfaltung auf diesem Meere befohlen worden, und es befand sich mit dieser Vermehrung der in Dienst gestellten Schiffe fast die Hälfte der deutschen Kriegsschiffe auf See, ohne daß es nötig geworden wäre, auch nur einen Mann der Reserve einzuberufen. Diese Thatsache legt beredtes Zeugniß ab von dem planmäßig durchdachten Organismus der deutschen Flotte; andrerseits verdient es Bewun¬ derung, wie schnell die betreffenden Schiffe nach den bestehenden Mobilisirungs- vorschriften in Dienst gestellt werden konnten. Alljährlich im Herbste treten eine Korvette mit Kadetten eine zweijährige, eine andre mit ältern Schiffsjungen eine einjährige Reise an, während welcher das Kadettenschiff regelmäßig die ostasiatische und polynesische, die Schiffsjungen¬ korvette die westindische Station anläuft. Das Artillerieschiff Mars bleibt mit kurzen Unterbrechungen fortwährend auf der Jahde in Dienst, zwei bis drei Kanonenboote benutzen die günstige Jahreszeit zu Seemessungen an den deutschen Küsten und dienen gleichzeitig zum Schutze der Nordseefischerei und zu Trans- pvrtzwecken. Zur Erprobung der Schiffe endlich wie zur Ausbildung von Offizieren und Mannschaften sticht jeden Sommer ein Übungsgeschwader von vier Panzern und einem Aviso in See. Die Übungen haben vor einigen Jahren im Mittelmeere stattgefunden. In letzter Zeit sind dieselben wohl aus see¬ männischen Gründen wieder in die heimischen Gewässer verlegt worden. So kommen die mannigfachen, nicht unbedeutenden Bedürfnisse dieser Flottille der heimischen Industrie zugute, und die deutschen Seeoffiziere lernen jedes Riff, jede Untiefe und sonstige Eigentümlichkeit des schwierigen Fahrwassers bis in das geringste Detail kennen und zu kriegerischen Zwecken verwerten. Wie der deutsche Patriot mit freudigem Stolze auf die junge dreifarbige Flagge blickt, welche in der obern Ecke das Zeichen des eisernen Kreuzes trägt, so ist diese auch auf allen Meeren gekannt und geachtet. Glücklicherweise liegen die Zeiten hinter uns, wo ein englischer Minister ungestraft erklären durfte, er kenne keine deutsche Flagge und werde Schiffe, die unter einer solchen auf offener See sich zeigen sollten, als Piraten aufbringen lassen. Vielmehr hat die kaiser¬ liche Marine sich bereits einen ehrenvollen Platz unter den Flotten aller Nationen erworben, und kriegerische Komplikationen würden nur dazu beitragen, ihre Tüchtigkeit zu erproben und ihre achtunggebietende Stellung noch mehr zu festigen. In Preußen ist man von Alters her gewohnt gewesen, daß fast sämtliche königlichen Prinzen in ernster Hingebung dem Waffenhandwerk sich widmeten. Dem Beispiele seines verewigten Großoheims folgend, hat jetzt auch Prinz Heinrich von Preußen den Dienst auf der Flotte sich zur Lebensaufgabe ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/466>, abgerufen am 23.07.2024.