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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Vie^deutsche Flotte.

der Nation, und die Vorliebe für sie macht sich nicht allein geltend im Paria.
neue und in der Tagespresse, sie wird auch bekundet durch den Umstand, daß
jährlich eine erhebliche Zahl junger Männer auch aus den innern Teilen des
Reiches, dem alten deutschen Wandertriebe folgend, freiwillig in die Reihen der
Matrosen und Seesoldaten eintritt. Vielleicht, und wir haben den festen Glauben,
daß dem so sei, hat die Bezeichnung der Marine als "kaiserliche" einen wesent¬
lichen Anteil an diesen Gefühlen der Zuneigung für unsre Flotte, denn das
kurze Beiwort, welches den Patrioten an die Herrlichkeit alter deutscher Kaiser
gemahnt, bringt es auch äußerlich zur Erscheinung und zum Ausdruck, daß die
Marine eines der wenigen, eigentlich das einzige Gebiet des öffentlichen Lebens
umschließt, wo eine völlige Einigung deutscher Interessen Platz gegriffen hat.
Wie sie nach Artikel 53 der Reichsverfassung völlig einheitlich gegliedert und
den Befehlen des Kaisers in Krieg und Frieden direkt unterstellt ist, so genügt
auch die seemännische Bevölkerung aller deutschen Uferstaaten ihrer militärischen
Dienstpflicht gesetzmäßig in der Marine. Der Eintritt in dieselbe steht sämt¬
lichen deutschen Landeskindern offen, und Kosten und Lasten derselben werden
von allen deutschen Staaten gemeinsam getragen; selbst Baiern beansprucht auf
diesem Gebiete keine Reservatrechte.

Wenn wir aber oben angedeutet haben, daß es nach dem Verfall der Hanse
sowohl an Thatkraft und Entschlossenheit zur Wiedergewinnung der Verlornen
Stellung innerhalb des Welthandels, wie an einer Kriegsflotte zum Schutze des
Handels gefehlt habe, so müssen wir doch auch kurz auf einige Versuche hin¬
weisen, welche in beiden Richtungen fördernd zu wirken bestrebt waren. Aus
der langen Reihe tüchtiger Herrscher des Hohenzollerngeschlechts treten uns na¬
mentlich die imposanten Gestalten zweier Fürsten entgegen, welche, ihrer Zeit
weit voraus, nicht nur hohen kriegerischen Ruhm einzuheimsen verstanden, son¬
dern auch der innern Weiterentwicklung ihres Landes und Volkes größte Sorg¬
falt zuwendeten, welche aufs eifrigste bestrebt waren, Kunst und Wissenschaft,
Handel, Industrie und Gewerbe zu heben und deshalb fast auf allen Gebieten
grundlegend gewirkt haben. Mit weitem Blicke erkannte Kurfürst Friedrich
Wilhelm die Wichtigkeit überseeischen Handels für das materielle und geistige
Wohl seines Landes und die Notwendigkeit eines Kolonialbesitzes wie einer
Kriegsflotte zum Schutze beider und plante schon 1647 die Bildung einer ost¬
indischen Handelsgesellschaft. Doch stellten sich neben der Zaghaftigkeit und
Indolenz der deutschen Kaufleute noch manche andre Schwierigkeiten der Aus¬
führung dieses Unternehmens entgegen, und es darf wohl lediglich oder doch
vorzugsweise als ein Erfolg der persönlichen Thatkraft des großen Kurfürsten
angesehen werden, wenn fast vierzig Jahre später, 1682, die Bildung einer
brandenburgisch-afrikanischen Handelsgesellschaft auf eine bestimmt begrenzte Zeit¬
dauer gelang. Wie holländischer Unternehmungsgeist hierzu die ersten Kapita¬
lien lieferte, so bediente sich der Kurfürst auch eines Holländers, des Schöffen


Vie^deutsche Flotte.

der Nation, und die Vorliebe für sie macht sich nicht allein geltend im Paria.
neue und in der Tagespresse, sie wird auch bekundet durch den Umstand, daß
jährlich eine erhebliche Zahl junger Männer auch aus den innern Teilen des
Reiches, dem alten deutschen Wandertriebe folgend, freiwillig in die Reihen der
Matrosen und Seesoldaten eintritt. Vielleicht, und wir haben den festen Glauben,
daß dem so sei, hat die Bezeichnung der Marine als „kaiserliche" einen wesent¬
lichen Anteil an diesen Gefühlen der Zuneigung für unsre Flotte, denn das
kurze Beiwort, welches den Patrioten an die Herrlichkeit alter deutscher Kaiser
gemahnt, bringt es auch äußerlich zur Erscheinung und zum Ausdruck, daß die
Marine eines der wenigen, eigentlich das einzige Gebiet des öffentlichen Lebens
umschließt, wo eine völlige Einigung deutscher Interessen Platz gegriffen hat.
Wie sie nach Artikel 53 der Reichsverfassung völlig einheitlich gegliedert und
den Befehlen des Kaisers in Krieg und Frieden direkt unterstellt ist, so genügt
auch die seemännische Bevölkerung aller deutschen Uferstaaten ihrer militärischen
Dienstpflicht gesetzmäßig in der Marine. Der Eintritt in dieselbe steht sämt¬
lichen deutschen Landeskindern offen, und Kosten und Lasten derselben werden
von allen deutschen Staaten gemeinsam getragen; selbst Baiern beansprucht auf
diesem Gebiete keine Reservatrechte.

Wenn wir aber oben angedeutet haben, daß es nach dem Verfall der Hanse
sowohl an Thatkraft und Entschlossenheit zur Wiedergewinnung der Verlornen
Stellung innerhalb des Welthandels, wie an einer Kriegsflotte zum Schutze des
Handels gefehlt habe, so müssen wir doch auch kurz auf einige Versuche hin¬
weisen, welche in beiden Richtungen fördernd zu wirken bestrebt waren. Aus
der langen Reihe tüchtiger Herrscher des Hohenzollerngeschlechts treten uns na¬
mentlich die imposanten Gestalten zweier Fürsten entgegen, welche, ihrer Zeit
weit voraus, nicht nur hohen kriegerischen Ruhm einzuheimsen verstanden, son¬
dern auch der innern Weiterentwicklung ihres Landes und Volkes größte Sorg¬
falt zuwendeten, welche aufs eifrigste bestrebt waren, Kunst und Wissenschaft,
Handel, Industrie und Gewerbe zu heben und deshalb fast auf allen Gebieten
grundlegend gewirkt haben. Mit weitem Blicke erkannte Kurfürst Friedrich
Wilhelm die Wichtigkeit überseeischen Handels für das materielle und geistige
Wohl seines Landes und die Notwendigkeit eines Kolonialbesitzes wie einer
Kriegsflotte zum Schutze beider und plante schon 1647 die Bildung einer ost¬
indischen Handelsgesellschaft. Doch stellten sich neben der Zaghaftigkeit und
Indolenz der deutschen Kaufleute noch manche andre Schwierigkeiten der Aus¬
führung dieses Unternehmens entgegen, und es darf wohl lediglich oder doch
vorzugsweise als ein Erfolg der persönlichen Thatkraft des großen Kurfürsten
angesehen werden, wenn fast vierzig Jahre später, 1682, die Bildung einer
brandenburgisch-afrikanischen Handelsgesellschaft auf eine bestimmt begrenzte Zeit¬
dauer gelang. Wie holländischer Unternehmungsgeist hierzu die ersten Kapita¬
lien lieferte, so bediente sich der Kurfürst auch eines Holländers, des Schöffen


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[0455] Vie^deutsche Flotte. der Nation, und die Vorliebe für sie macht sich nicht allein geltend im Paria. neue und in der Tagespresse, sie wird auch bekundet durch den Umstand, daß jährlich eine erhebliche Zahl junger Männer auch aus den innern Teilen des Reiches, dem alten deutschen Wandertriebe folgend, freiwillig in die Reihen der Matrosen und Seesoldaten eintritt. Vielleicht, und wir haben den festen Glauben, daß dem so sei, hat die Bezeichnung der Marine als „kaiserliche" einen wesent¬ lichen Anteil an diesen Gefühlen der Zuneigung für unsre Flotte, denn das kurze Beiwort, welches den Patrioten an die Herrlichkeit alter deutscher Kaiser gemahnt, bringt es auch äußerlich zur Erscheinung und zum Ausdruck, daß die Marine eines der wenigen, eigentlich das einzige Gebiet des öffentlichen Lebens umschließt, wo eine völlige Einigung deutscher Interessen Platz gegriffen hat. Wie sie nach Artikel 53 der Reichsverfassung völlig einheitlich gegliedert und den Befehlen des Kaisers in Krieg und Frieden direkt unterstellt ist, so genügt auch die seemännische Bevölkerung aller deutschen Uferstaaten ihrer militärischen Dienstpflicht gesetzmäßig in der Marine. Der Eintritt in dieselbe steht sämt¬ lichen deutschen Landeskindern offen, und Kosten und Lasten derselben werden von allen deutschen Staaten gemeinsam getragen; selbst Baiern beansprucht auf diesem Gebiete keine Reservatrechte. Wenn wir aber oben angedeutet haben, daß es nach dem Verfall der Hanse sowohl an Thatkraft und Entschlossenheit zur Wiedergewinnung der Verlornen Stellung innerhalb des Welthandels, wie an einer Kriegsflotte zum Schutze des Handels gefehlt habe, so müssen wir doch auch kurz auf einige Versuche hin¬ weisen, welche in beiden Richtungen fördernd zu wirken bestrebt waren. Aus der langen Reihe tüchtiger Herrscher des Hohenzollerngeschlechts treten uns na¬ mentlich die imposanten Gestalten zweier Fürsten entgegen, welche, ihrer Zeit weit voraus, nicht nur hohen kriegerischen Ruhm einzuheimsen verstanden, son¬ dern auch der innern Weiterentwicklung ihres Landes und Volkes größte Sorg¬ falt zuwendeten, welche aufs eifrigste bestrebt waren, Kunst und Wissenschaft, Handel, Industrie und Gewerbe zu heben und deshalb fast auf allen Gebieten grundlegend gewirkt haben. Mit weitem Blicke erkannte Kurfürst Friedrich Wilhelm die Wichtigkeit überseeischen Handels für das materielle und geistige Wohl seines Landes und die Notwendigkeit eines Kolonialbesitzes wie einer Kriegsflotte zum Schutze beider und plante schon 1647 die Bildung einer ost¬ indischen Handelsgesellschaft. Doch stellten sich neben der Zaghaftigkeit und Indolenz der deutschen Kaufleute noch manche andre Schwierigkeiten der Aus¬ führung dieses Unternehmens entgegen, und es darf wohl lediglich oder doch vorzugsweise als ein Erfolg der persönlichen Thatkraft des großen Kurfürsten angesehen werden, wenn fast vierzig Jahre später, 1682, die Bildung einer brandenburgisch-afrikanischen Handelsgesellschaft auf eine bestimmt begrenzte Zeit¬ dauer gelang. Wie holländischer Unternehmungsgeist hierzu die ersten Kapita¬ lien lieferte, so bediente sich der Kurfürst auch eines Holländers, des Schöffen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/455>, abgerufen am 23.07.2024.