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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutsche Flotte,

Benjamin Raute von Middelburg auf Seeland, zur Bildung einer Kriegsflotte.
Die Schiffe wurden auf Zeit gemietet, und den eifrigen Bemühungen des thä¬
tigen Generaldirektors der Marine, welcher mit voller Seele die Absichten seines
fürstlichen Herrn erfaßte, gelang es, ans kleinen Anfängen in kürzester Frist
eine verhältnismäßig nicht unbedeutende Organisation ins Leben zu rufen.
Sieben brandenburgische Schiffe mit insgesamt 107 Geschützen nahmen 1677
Rügen in Besitz, und 1683 wurde die Flagge mit dem roten Aar auf dem
Berge Mamfro bei Akoda am Kap der drei Spitzen an der Westküste Afrikas
aufgepflanzt und das somit in Beschlag genommene Territorium als Stützpunkt
für den Handel befestigt. Aber schon begannen Frankreich und England mit
Eifersucht auf die wachsende Bedeutung zu blicken, die das kleine Brandenburg
zur See beanspruchte, und wenn auch gegen die vollzogene Thatsache der Be¬
sitznahme jenes Fleckchens Erde im schwarzen Weltteil mit Erfolg nichts unter¬
nommen werden konnte, so stieß die weitere Anlage einer westindischen Kolonie,
wie der Kurfürst sie beabsichtigte, doch aus unüberwindliche politische Schwierig¬
keiten. Auch erlahmte bald die treibende Kraft, welche diesen Unternehmungen
das Gedeihen gesichert hatte. Dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm, welcher 1688
starb, folgte Benjamin Raute bereits 1767 in das Grab nach, und mit dem
Tode dieser beiden ging der mit so günstigem Erfolge unternommene Versuch
zur Teilnahme am Welthandel und zur Schaffung einer Kriegsmarine mit
raschen Schritten seinem gänzlichen Untergange entgegen. Die Schiffe verfaulten
in deu Häfen, die Offiziere verließen den Dienst, um zu ihrem bürgerlichen Ge¬
werbe zurückzukehren, und wie damit die Flotte sich thatsächlich auflöste, so
unterzeichnete König Friedrich Wilhelm I. schon 1720 die Urkunde, in welcher
er für sich und seine Nachkommen ausdrücklich auf alle Besitzungen und Rechte
der Handelsgesellschaft verzichtete.

Zum zweitenmale war es König Friedrich II., welcher die Anfänge einer
Marine, vorzugsweise zum Schutze der langgestreckten Ostseeküste, ins Leben rief.
Als seine Schiffe aber 1759 durch die Schweden völlig geschlagen und ver¬
nichtet wurden, konnte er im Kampfe um die Existenz der Monarchie weder
genügende Geldmittel flüssig machen, noch Zeit und Muße finden, um diesen
Teil seiner Streitmacht von neuem und kräftiger zu organisiren. Finanzielle
Rücksichten waren es denn auch wohl vorzugsweise, welche den großen König
nötigten, in den folgenden Friedensjahren seine Sorgfalt lediglich dem Auf¬
schwünge von Landwirtschaft, Handel und Industrie in dem arg mitgenommenen
Lande und der Kräftigung des Landheeres zuzuwenden.

Dennoch behielt die preußische Politik fortwährend die Schaffung einer
Flotte im Auge, und als nach dem Druck der napoleonischen Kriegsjahre Handel
und Wandel wieder aufzubinden begannen und die Notwendigkeit einer ent¬
sprechenden Seemacht sich in Norddeutschland immer fühlbarer machte, unter¬
nahm das arme Preußen, dessen Mittel durch deu Unterhalt einer starken Armee


Die deutsche Flotte,

Benjamin Raute von Middelburg auf Seeland, zur Bildung einer Kriegsflotte.
Die Schiffe wurden auf Zeit gemietet, und den eifrigen Bemühungen des thä¬
tigen Generaldirektors der Marine, welcher mit voller Seele die Absichten seines
fürstlichen Herrn erfaßte, gelang es, ans kleinen Anfängen in kürzester Frist
eine verhältnismäßig nicht unbedeutende Organisation ins Leben zu rufen.
Sieben brandenburgische Schiffe mit insgesamt 107 Geschützen nahmen 1677
Rügen in Besitz, und 1683 wurde die Flagge mit dem roten Aar auf dem
Berge Mamfro bei Akoda am Kap der drei Spitzen an der Westküste Afrikas
aufgepflanzt und das somit in Beschlag genommene Territorium als Stützpunkt
für den Handel befestigt. Aber schon begannen Frankreich und England mit
Eifersucht auf die wachsende Bedeutung zu blicken, die das kleine Brandenburg
zur See beanspruchte, und wenn auch gegen die vollzogene Thatsache der Be¬
sitznahme jenes Fleckchens Erde im schwarzen Weltteil mit Erfolg nichts unter¬
nommen werden konnte, so stieß die weitere Anlage einer westindischen Kolonie,
wie der Kurfürst sie beabsichtigte, doch aus unüberwindliche politische Schwierig¬
keiten. Auch erlahmte bald die treibende Kraft, welche diesen Unternehmungen
das Gedeihen gesichert hatte. Dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm, welcher 1688
starb, folgte Benjamin Raute bereits 1767 in das Grab nach, und mit dem
Tode dieser beiden ging der mit so günstigem Erfolge unternommene Versuch
zur Teilnahme am Welthandel und zur Schaffung einer Kriegsmarine mit
raschen Schritten seinem gänzlichen Untergange entgegen. Die Schiffe verfaulten
in deu Häfen, die Offiziere verließen den Dienst, um zu ihrem bürgerlichen Ge¬
werbe zurückzukehren, und wie damit die Flotte sich thatsächlich auflöste, so
unterzeichnete König Friedrich Wilhelm I. schon 1720 die Urkunde, in welcher
er für sich und seine Nachkommen ausdrücklich auf alle Besitzungen und Rechte
der Handelsgesellschaft verzichtete.

Zum zweitenmale war es König Friedrich II., welcher die Anfänge einer
Marine, vorzugsweise zum Schutze der langgestreckten Ostseeküste, ins Leben rief.
Als seine Schiffe aber 1759 durch die Schweden völlig geschlagen und ver¬
nichtet wurden, konnte er im Kampfe um die Existenz der Monarchie weder
genügende Geldmittel flüssig machen, noch Zeit und Muße finden, um diesen
Teil seiner Streitmacht von neuem und kräftiger zu organisiren. Finanzielle
Rücksichten waren es denn auch wohl vorzugsweise, welche den großen König
nötigten, in den folgenden Friedensjahren seine Sorgfalt lediglich dem Auf¬
schwünge von Landwirtschaft, Handel und Industrie in dem arg mitgenommenen
Lande und der Kräftigung des Landheeres zuzuwenden.

Dennoch behielt die preußische Politik fortwährend die Schaffung einer
Flotte im Auge, und als nach dem Druck der napoleonischen Kriegsjahre Handel
und Wandel wieder aufzubinden begannen und die Notwendigkeit einer ent¬
sprechenden Seemacht sich in Norddeutschland immer fühlbarer machte, unter¬
nahm das arme Preußen, dessen Mittel durch deu Unterhalt einer starken Armee


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[0456] Die deutsche Flotte, Benjamin Raute von Middelburg auf Seeland, zur Bildung einer Kriegsflotte. Die Schiffe wurden auf Zeit gemietet, und den eifrigen Bemühungen des thä¬ tigen Generaldirektors der Marine, welcher mit voller Seele die Absichten seines fürstlichen Herrn erfaßte, gelang es, ans kleinen Anfängen in kürzester Frist eine verhältnismäßig nicht unbedeutende Organisation ins Leben zu rufen. Sieben brandenburgische Schiffe mit insgesamt 107 Geschützen nahmen 1677 Rügen in Besitz, und 1683 wurde die Flagge mit dem roten Aar auf dem Berge Mamfro bei Akoda am Kap der drei Spitzen an der Westküste Afrikas aufgepflanzt und das somit in Beschlag genommene Territorium als Stützpunkt für den Handel befestigt. Aber schon begannen Frankreich und England mit Eifersucht auf die wachsende Bedeutung zu blicken, die das kleine Brandenburg zur See beanspruchte, und wenn auch gegen die vollzogene Thatsache der Be¬ sitznahme jenes Fleckchens Erde im schwarzen Weltteil mit Erfolg nichts unter¬ nommen werden konnte, so stieß die weitere Anlage einer westindischen Kolonie, wie der Kurfürst sie beabsichtigte, doch aus unüberwindliche politische Schwierig¬ keiten. Auch erlahmte bald die treibende Kraft, welche diesen Unternehmungen das Gedeihen gesichert hatte. Dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm, welcher 1688 starb, folgte Benjamin Raute bereits 1767 in das Grab nach, und mit dem Tode dieser beiden ging der mit so günstigem Erfolge unternommene Versuch zur Teilnahme am Welthandel und zur Schaffung einer Kriegsmarine mit raschen Schritten seinem gänzlichen Untergange entgegen. Die Schiffe verfaulten in deu Häfen, die Offiziere verließen den Dienst, um zu ihrem bürgerlichen Ge¬ werbe zurückzukehren, und wie damit die Flotte sich thatsächlich auflöste, so unterzeichnete König Friedrich Wilhelm I. schon 1720 die Urkunde, in welcher er für sich und seine Nachkommen ausdrücklich auf alle Besitzungen und Rechte der Handelsgesellschaft verzichtete. Zum zweitenmale war es König Friedrich II., welcher die Anfänge einer Marine, vorzugsweise zum Schutze der langgestreckten Ostseeküste, ins Leben rief. Als seine Schiffe aber 1759 durch die Schweden völlig geschlagen und ver¬ nichtet wurden, konnte er im Kampfe um die Existenz der Monarchie weder genügende Geldmittel flüssig machen, noch Zeit und Muße finden, um diesen Teil seiner Streitmacht von neuem und kräftiger zu organisiren. Finanzielle Rücksichten waren es denn auch wohl vorzugsweise, welche den großen König nötigten, in den folgenden Friedensjahren seine Sorgfalt lediglich dem Auf¬ schwünge von Landwirtschaft, Handel und Industrie in dem arg mitgenommenen Lande und der Kräftigung des Landheeres zuzuwenden. Dennoch behielt die preußische Politik fortwährend die Schaffung einer Flotte im Auge, und als nach dem Druck der napoleonischen Kriegsjahre Handel und Wandel wieder aufzubinden begannen und die Notwendigkeit einer ent¬ sprechenden Seemacht sich in Norddeutschland immer fühlbarer machte, unter¬ nahm das arme Preußen, dessen Mittel durch deu Unterhalt einer starken Armee

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/456>, abgerufen am 23.07.2024.