Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Die deutsche Flotte. Aber bereits gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts begann diese Mit dem überseeischen Handel eines Landes steht aber das Vorhandensein Tief beschämend für jeden Patrioten bleibt das Ende der damaligen deut¬ Die deutsche Flotte. Aber bereits gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts begann diese Mit dem überseeischen Handel eines Landes steht aber das Vorhandensein Tief beschämend für jeden Patrioten bleibt das Ende der damaligen deut¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152218"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Flotte.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1728"> Aber bereits gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts begann diese<lb/> Glanzperiode deutschen Handels, deutschen Gewerbfleißes und deutscher See-<lb/> Herrschaft zu erbleichen. Die Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Ost¬<lb/> indien führten wesentlich andre Verkehrsbedingungen, eine völlige Umwandlung<lb/> von Handel und Verkehr herbei, ohne daß der Hansebuud es verstanden hätte,<lb/> den neuen Verhältnissen durch veränderte Organisation Rechnung zu tragen.<lb/> Dazu traten Streitigkeiten innerhalb des Bundes, welche in stets wachsendem<lb/> Maße die Sonderinteressen einzelner Städte in den Vordergrund zu drängen<lb/> bemüht waren, und die blutigen Greuel des dreißigjährigen Krieges führten den<lb/> gänzlichen Verfall nicht allein der Hanse, sondern des deutschen Handels über¬<lb/> haupt herbei. Es war dies lebhaft zu beklagen, da die langgestreckt deutsche<lb/> Nordküste den Seehandel von vornherein durchaus begünstigte, da dieser Handel<lb/> durch die Ausfuhr der Erzeugnisse heimischen Gewerbefleißes auf die Hebung<lb/> des Nationalwohlstandes von bedeutendem Einflüsse und die seemännische Be¬<lb/> völkerung der deutschen Küstenländer ein ausreichendes und besonders tüch¬<lb/> tiges Material an Seeleuten zu stellen imstande war, wie denn deutsche Matrosen<lb/> auf den Flotten andrer Völker stets des besten Rufs genossen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1729"> Mit dem überseeischen Handel eines Landes steht aber das Vorhandensein<lb/> einer starken Kriegsflotte, welche ihn wirksam zu schützen imstande ist, in di¬<lb/> rekter Wechselbeziehung. An einer solchen gebrach es in dem ohnmächtigen, zu<lb/> vielen Duodezstaaten zerstückelten Deutschland gleichfalls. Somit trat weder der<lb/> Gedanke oder der Versuch, sich am Welthandel lebhaft im großen zu beteiligen,<lb/> noch die Notwendigkeit oder auch nur die Möglichkeit zur Schaffung einer deut¬<lb/> schen Kriegsflotte an die Oberfläche. Dennoch haben sich beide Gesichtspunkte<lb/> in dem innern Bewußtsein des Volkes jahrhundertelang in einer Weise lebendig<lb/> erhalten, um in dem Stürmen und Drängen des Jahres 1848 den lauten<lb/> Ruf nach einer deutschen Flotte mächtig erklingen zu lassen. Von dem Wieder¬<lb/> hall, welchen diese Forderung im gesamten Vaterlande sand, legten die zahl¬<lb/> reichen, aus allen Teilen und Staaten des Reiches eingehenden Spenden das<lb/> beredteste Zeugnis ab. Leider barg das mit so vieler Aufopferung begonnene<lb/> Unternehmen schon den Todeskeim in sich selbst in der fieberhaften Überstürzung,<lb/> mit welcher die Organisation betrieben wurde, wie in der Enttäuschung der po¬<lb/> litischen Schwärmer jener Tage, welche gehofft hatten, mit einem Schlage eine<lb/> fertige, stolze und wenigstens der dänischen ebenbürtige Flotte zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1730" next="#ID_1731"> Tief beschämend für jeden Patrioten bleibt das Ende der damaligen deut¬<lb/> schen Flotte, aber der gesunde, urkräftige Sinn des Volkes hat auch diesen<lb/> Schlag überwunden und wendet in seiner Gesamtheit der Entwicklung der Kriegs¬<lb/> flotte, welche das neue geeinte Reich im verflossenen Jahrzehnt endlich hat zu<lb/> einer kräftigen Organisation heranreifen lassen, die regste Teilnahme zu. Die<lb/> deutsche Flotte, oder die „kaiserliche Marine," wie der offizielle Ausdruck für<lb/> diesen Teil der deutschen Kriegsmacht lautet, ist in der That ein Schoßkind</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0454]
Die deutsche Flotte.
Aber bereits gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts begann diese
Glanzperiode deutschen Handels, deutschen Gewerbfleißes und deutscher See-
Herrschaft zu erbleichen. Die Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Ost¬
indien führten wesentlich andre Verkehrsbedingungen, eine völlige Umwandlung
von Handel und Verkehr herbei, ohne daß der Hansebuud es verstanden hätte,
den neuen Verhältnissen durch veränderte Organisation Rechnung zu tragen.
Dazu traten Streitigkeiten innerhalb des Bundes, welche in stets wachsendem
Maße die Sonderinteressen einzelner Städte in den Vordergrund zu drängen
bemüht waren, und die blutigen Greuel des dreißigjährigen Krieges führten den
gänzlichen Verfall nicht allein der Hanse, sondern des deutschen Handels über¬
haupt herbei. Es war dies lebhaft zu beklagen, da die langgestreckt deutsche
Nordküste den Seehandel von vornherein durchaus begünstigte, da dieser Handel
durch die Ausfuhr der Erzeugnisse heimischen Gewerbefleißes auf die Hebung
des Nationalwohlstandes von bedeutendem Einflüsse und die seemännische Be¬
völkerung der deutschen Küstenländer ein ausreichendes und besonders tüch¬
tiges Material an Seeleuten zu stellen imstande war, wie denn deutsche Matrosen
auf den Flotten andrer Völker stets des besten Rufs genossen haben.
Mit dem überseeischen Handel eines Landes steht aber das Vorhandensein
einer starken Kriegsflotte, welche ihn wirksam zu schützen imstande ist, in di¬
rekter Wechselbeziehung. An einer solchen gebrach es in dem ohnmächtigen, zu
vielen Duodezstaaten zerstückelten Deutschland gleichfalls. Somit trat weder der
Gedanke oder der Versuch, sich am Welthandel lebhaft im großen zu beteiligen,
noch die Notwendigkeit oder auch nur die Möglichkeit zur Schaffung einer deut¬
schen Kriegsflotte an die Oberfläche. Dennoch haben sich beide Gesichtspunkte
in dem innern Bewußtsein des Volkes jahrhundertelang in einer Weise lebendig
erhalten, um in dem Stürmen und Drängen des Jahres 1848 den lauten
Ruf nach einer deutschen Flotte mächtig erklingen zu lassen. Von dem Wieder¬
hall, welchen diese Forderung im gesamten Vaterlande sand, legten die zahl¬
reichen, aus allen Teilen und Staaten des Reiches eingehenden Spenden das
beredteste Zeugnis ab. Leider barg das mit so vieler Aufopferung begonnene
Unternehmen schon den Todeskeim in sich selbst in der fieberhaften Überstürzung,
mit welcher die Organisation betrieben wurde, wie in der Enttäuschung der po¬
litischen Schwärmer jener Tage, welche gehofft hatten, mit einem Schlage eine
fertige, stolze und wenigstens der dänischen ebenbürtige Flotte zu erhalten.
Tief beschämend für jeden Patrioten bleibt das Ende der damaligen deut¬
schen Flotte, aber der gesunde, urkräftige Sinn des Volkes hat auch diesen
Schlag überwunden und wendet in seiner Gesamtheit der Entwicklung der Kriegs¬
flotte, welche das neue geeinte Reich im verflossenen Jahrzehnt endlich hat zu
einer kräftigen Organisation heranreifen lassen, die regste Teilnahme zu. Die
deutsche Flotte, oder die „kaiserliche Marine," wie der offizielle Ausdruck für
diesen Teil der deutschen Kriegsmacht lautet, ist in der That ein Schoßkind
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