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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite Pariser Rrach,

die Union gonvr^Is selbst -- genötigt waren, die Stücke zu den hohen Kursen
abzunehmen oder die ungeheure Differenz zu zahlen.

Bontvux wäre tot gewesen auch ohne das Dazwischentreten der Staatsprv-
kuratur, welche der an der Börse geübten Gesetzesverletzung, wie dies ganz tra¬
ditionell geworden ist, ruhig zusieht, bis die Müller so genetzt haben, daß nichts
mehr im großen Mehlfaß ist, dann aber, wenn einmal ein Faiseur, der nach
Lage der Dinge Herrn von Rothschild gegenüber stets ein kleiner sein wird, in
seiner Keckheit nud Unvorsichtigkeit gestürzt ist, dem "See ein Opfer" zu
bringen sich beeilt. Bontoux wurde verhaftet; man machte ihm den Prozeß.
Er war zu seinem Unglück nicht -- Deputirter, wohl aber der Gegner Roth¬
schilds; sein Vergehen war ein Majestätsverbrechen gegen diesen. Wäre er
Deputirter gewesen, so hätte man ihm so wenig den Prozeß gemacht wie
Herrn de Savary, dem Präsidenten der Zaiuzue as I^on se as ig. I^oire, der frei¬
lich, indem er sein Institut ruinirte, zu Ehren des Herrn von Rothschild han¬
delte und dabei den Stnrmbock gegen Bontoux abgab. Er mußte sich dazu her¬
geben, das unreife und lächerliche Projekt einer Maritimen Bank in Osterreich zu
laneiren, um entweder in die Phalanx Bontvuxscher Unternehmungen, durch welche
dieser den Rothschildschen Einfluß in jenem Lande zu brechen gedachte, einen Keil
zu treiben oder eine Krisis herbeizuführen, wobei man im Rothschildschen Lager
glaubte, daß es der Rothschildgruppe leicht sein werde, eine durch Savarys Ver¬
fahren hervorgerufene Krisis -- die, wie wir schon bemerkt haben, ohnedies
unausbleiblich war -- rasch zu hemmen oder so zu leiten, daß sie lediglich auf
den berechneten Punkt konzentrirt bliebe. Die Panik wurde denn auch hervor¬
gerufen dadurch, daß Savary alsbald, nachdem er bei der österreichischen Re¬
gierung die Konzessionirung der Maritimen Bank nachgesucht hatte, eine
ungeheuerliche Agiotage in den Anteilscheinen jener Bank begann. Dies war
leicht bei der Mitwirkung der Finanzpresfe und bei dem Spielfieber, das be¬
sonders in Lyon herrschte und den Leuten alle Besinnung derart geraubt
hatte, daß dortige Fabrikanten selbst ihr notwendigstes Betriebskapital in den
Schwindel steckten, was nach dem Krach Zustände der ärgsten Art herbeiführte,
sodaß in der Kammer konstatirt wurde, man könne kaum uoch die Arbeitslöhne be¬
zahlen. Als nun die Maritime Bank nicht kouzessionirt wurde, was aus deu
angedeuteten Gründen mehr im Interesse Rothschilds als Bontoux', des schein¬
baren Konkurrenten, lag, brach der ganze Schwindel in maritimen Anteilscheinen
an der Lyoner Börse zusammen und riß wegen der ungeheuern Engagements,
die sich meist in äußerst schwachen Händen befanden, alles mit sich, insbesondre
aber auch die Boutoux-Werte, in denen die Positionen noch weit umfangreicher,
aber nicht stärker und dabei meist unmittelbar mit denen der Besitzer der
Savary-Werte verquickt waren.

So sehr sich nun auch die Union Avnorg.l6 bemüht hatte, die Hausseposition
ihrer Aktien zu halten, indem sie selbst zu den höchsten Kursen kaufte, was in


Der zweite Pariser Rrach,

die Union gonvr^Is selbst — genötigt waren, die Stücke zu den hohen Kursen
abzunehmen oder die ungeheure Differenz zu zahlen.

Bontvux wäre tot gewesen auch ohne das Dazwischentreten der Staatsprv-
kuratur, welche der an der Börse geübten Gesetzesverletzung, wie dies ganz tra¬
ditionell geworden ist, ruhig zusieht, bis die Müller so genetzt haben, daß nichts
mehr im großen Mehlfaß ist, dann aber, wenn einmal ein Faiseur, der nach
Lage der Dinge Herrn von Rothschild gegenüber stets ein kleiner sein wird, in
seiner Keckheit nud Unvorsichtigkeit gestürzt ist, dem „See ein Opfer" zu
bringen sich beeilt. Bontoux wurde verhaftet; man machte ihm den Prozeß.
Er war zu seinem Unglück nicht — Deputirter, wohl aber der Gegner Roth¬
schilds; sein Vergehen war ein Majestätsverbrechen gegen diesen. Wäre er
Deputirter gewesen, so hätte man ihm so wenig den Prozeß gemacht wie
Herrn de Savary, dem Präsidenten der Zaiuzue as I^on se as ig. I^oire, der frei¬
lich, indem er sein Institut ruinirte, zu Ehren des Herrn von Rothschild han¬
delte und dabei den Stnrmbock gegen Bontoux abgab. Er mußte sich dazu her¬
geben, das unreife und lächerliche Projekt einer Maritimen Bank in Osterreich zu
laneiren, um entweder in die Phalanx Bontvuxscher Unternehmungen, durch welche
dieser den Rothschildschen Einfluß in jenem Lande zu brechen gedachte, einen Keil
zu treiben oder eine Krisis herbeizuführen, wobei man im Rothschildschen Lager
glaubte, daß es der Rothschildgruppe leicht sein werde, eine durch Savarys Ver¬
fahren hervorgerufene Krisis — die, wie wir schon bemerkt haben, ohnedies
unausbleiblich war — rasch zu hemmen oder so zu leiten, daß sie lediglich auf
den berechneten Punkt konzentrirt bliebe. Die Panik wurde denn auch hervor¬
gerufen dadurch, daß Savary alsbald, nachdem er bei der österreichischen Re¬
gierung die Konzessionirung der Maritimen Bank nachgesucht hatte, eine
ungeheuerliche Agiotage in den Anteilscheinen jener Bank begann. Dies war
leicht bei der Mitwirkung der Finanzpresfe und bei dem Spielfieber, das be¬
sonders in Lyon herrschte und den Leuten alle Besinnung derart geraubt
hatte, daß dortige Fabrikanten selbst ihr notwendigstes Betriebskapital in den
Schwindel steckten, was nach dem Krach Zustände der ärgsten Art herbeiführte,
sodaß in der Kammer konstatirt wurde, man könne kaum uoch die Arbeitslöhne be¬
zahlen. Als nun die Maritime Bank nicht kouzessionirt wurde, was aus deu
angedeuteten Gründen mehr im Interesse Rothschilds als Bontoux', des schein¬
baren Konkurrenten, lag, brach der ganze Schwindel in maritimen Anteilscheinen
an der Lyoner Börse zusammen und riß wegen der ungeheuern Engagements,
die sich meist in äußerst schwachen Händen befanden, alles mit sich, insbesondre
aber auch die Boutoux-Werte, in denen die Positionen noch weit umfangreicher,
aber nicht stärker und dabei meist unmittelbar mit denen der Besitzer der
Savary-Werte verquickt waren.

So sehr sich nun auch die Union Avnorg.l6 bemüht hatte, die Hausseposition
ihrer Aktien zu halten, indem sie selbst zu den höchsten Kursen kaufte, was in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/408>, abgerufen am 22.07.2024.