Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der zweite Pariser Rrcich.

stand und diese auf das ärgste gereizt hatte. Anstatt die günstige Stimmung
der Aktieninhaber nach einem ungeheuern Gewinne, den sie gemacht hatten und
der mehr als einer Verzehnfachung des von ihnen angelegten Kapitals gleichkam
zu benutzen und das ganze Kapital der nur teilweise eingezahlten Aktien ein¬
zuziehen, zugleich aber auch eine bedeutende Reserve zurückzulegen, vergaß dies
Bontoux völlig; er ließ vielmehr die eingezahlten Aktien für vollbezahlt durch
die gemachten Gewinne -- die doch zum großen Teile noch in der Schwebe
waren -- erklären und nützte zwar dadurch zunächst einigermaßen dem Börsen¬
stande der Papiere, aber die innere Stärke seiner Position wurde dadurch un-
gemein geschwächt. Endlich ließ er die Emission junger Aktien beschließen. Auch
hierdurch schuf er sich nur scheinbar eine Verstärkung seiner Position, umso-
mehr, als die neuen Aktien nicht sofort zu liefern waren, sondern erst später
zur Ausgabe gelangen sollten. Hierdurch kreirte Bontoux zunächst nur eine"
neuen Agiotagetitel, der anfänglich zu seinen Gunsten getrieben schien, bald aber
gerade seinen Feinden zum schärfsten Mittel diente, ihn zu stürzen. Offenbar
kam es ihm bei Kreirung der neuen Titel nicht nur darauf an, die Hilfsmittel
seiner Agiotage zu erweitern, sondern zugleich neue Nesourcen zu gewinnen und
eine zahlreichere Klientel an sich zu fesseln. Allein dann war der Fehler, der
in der Umwandlung der Namenaktien in Inhaberaktien und in der ver¬
späteten Ausgabe der neuen Aktien lag, umso schlimmer.

Wirklich genügten denn auch aus der Basis dieser Fehler seinen Gegnern
wenige Monate, um die Stellung des ehemaligen Rothschildschen Direktors der
österreichischen Südbahn vollständig zu zertrümmern. Der Name Lebaudy ist
bei dieser Gelegenheit zu einer gewissen Berühmtheit gelangt? man hat sogar
von einem "System Lebaudy" gesprochen. Indeß war Lebaudy nur der formelle
Führer der Baisseposition, die sich ans der neuen Basis der Bontonx-Werte gegen
dieselben in leichtester Weise entwickeln konnte. Das "System Lebaudy" war
dabei aber so wenig neu wie die Sache selbst. Lebaudy und das durch ihn ge¬
leitete Konsortium verkaufte einfach zu successive sinkenden Kursen aus Lieferung,
während er zugleich psr eomviAnt eine genügende Menge Stücke an sich brachte,
um, wenn er dieselben mit einem Schlage an die Börse warf, notwendig eine
Panik zu erregen. Selbstverständlich erlitt das Konsortium an den per oomMnt
teuer gekauften und billig an die Börse geworfenen Titeln erheblichen Verlust.
Allein zunächst wurde dieser Verlust gemindert dadurch, daß das Konsortinm
geteilt spielte, indem es auf der einen Seite wilde Verkäufer, auf der andern
zurückhaltende Käufer aufstellte, was schon nötig war, um zunächst die Panik
in vollen Sturz zu bringen. Der Gewinn aber, den sie machten, ergab sich
daraus, daß sie die Aktien der Union MnsMg zwar zu sinkenden, aber immer
noch zu hohen Kursen Z, tsrms verkauft hatten. Durch die Panik aber kamen sie
in die Lage, diese Aktien nun selbst wieder zu einen, Spottpreise per vomMnt
einzukaufen, während die Terminkäufer -- und zwar gehörte dazu in erster Linie


Der zweite Pariser Rrcich.

stand und diese auf das ärgste gereizt hatte. Anstatt die günstige Stimmung
der Aktieninhaber nach einem ungeheuern Gewinne, den sie gemacht hatten und
der mehr als einer Verzehnfachung des von ihnen angelegten Kapitals gleichkam
zu benutzen und das ganze Kapital der nur teilweise eingezahlten Aktien ein¬
zuziehen, zugleich aber auch eine bedeutende Reserve zurückzulegen, vergaß dies
Bontoux völlig; er ließ vielmehr die eingezahlten Aktien für vollbezahlt durch
die gemachten Gewinne — die doch zum großen Teile noch in der Schwebe
waren — erklären und nützte zwar dadurch zunächst einigermaßen dem Börsen¬
stande der Papiere, aber die innere Stärke seiner Position wurde dadurch un-
gemein geschwächt. Endlich ließ er die Emission junger Aktien beschließen. Auch
hierdurch schuf er sich nur scheinbar eine Verstärkung seiner Position, umso-
mehr, als die neuen Aktien nicht sofort zu liefern waren, sondern erst später
zur Ausgabe gelangen sollten. Hierdurch kreirte Bontoux zunächst nur eine»
neuen Agiotagetitel, der anfänglich zu seinen Gunsten getrieben schien, bald aber
gerade seinen Feinden zum schärfsten Mittel diente, ihn zu stürzen. Offenbar
kam es ihm bei Kreirung der neuen Titel nicht nur darauf an, die Hilfsmittel
seiner Agiotage zu erweitern, sondern zugleich neue Nesourcen zu gewinnen und
eine zahlreichere Klientel an sich zu fesseln. Allein dann war der Fehler, der
in der Umwandlung der Namenaktien in Inhaberaktien und in der ver¬
späteten Ausgabe der neuen Aktien lag, umso schlimmer.

Wirklich genügten denn auch aus der Basis dieser Fehler seinen Gegnern
wenige Monate, um die Stellung des ehemaligen Rothschildschen Direktors der
österreichischen Südbahn vollständig zu zertrümmern. Der Name Lebaudy ist
bei dieser Gelegenheit zu einer gewissen Berühmtheit gelangt? man hat sogar
von einem „System Lebaudy" gesprochen. Indeß war Lebaudy nur der formelle
Führer der Baisseposition, die sich ans der neuen Basis der Bontonx-Werte gegen
dieselben in leichtester Weise entwickeln konnte. Das „System Lebaudy" war
dabei aber so wenig neu wie die Sache selbst. Lebaudy und das durch ihn ge¬
leitete Konsortium verkaufte einfach zu successive sinkenden Kursen aus Lieferung,
während er zugleich psr eomviAnt eine genügende Menge Stücke an sich brachte,
um, wenn er dieselben mit einem Schlage an die Börse warf, notwendig eine
Panik zu erregen. Selbstverständlich erlitt das Konsortium an den per oomMnt
teuer gekauften und billig an die Börse geworfenen Titeln erheblichen Verlust.
Allein zunächst wurde dieser Verlust gemindert dadurch, daß das Konsortinm
geteilt spielte, indem es auf der einen Seite wilde Verkäufer, auf der andern
zurückhaltende Käufer aufstellte, was schon nötig war, um zunächst die Panik
in vollen Sturz zu bringen. Der Gewinn aber, den sie machten, ergab sich
daraus, daß sie die Aktien der Union MnsMg zwar zu sinkenden, aber immer
noch zu hohen Kursen Z, tsrms verkauft hatten. Durch die Panik aber kamen sie
in die Lage, diese Aktien nun selbst wieder zu einen, Spottpreise per vomMnt
einzukaufen, während die Terminkäufer — und zwar gehörte dazu in erster Linie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152124"/>
          <fw type="header" place="top"> Der zweite Pariser Rrcich.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1511" prev="#ID_1510"> stand und diese auf das ärgste gereizt hatte. Anstatt die günstige Stimmung<lb/>
der Aktieninhaber nach einem ungeheuern Gewinne, den sie gemacht hatten und<lb/>
der mehr als einer Verzehnfachung des von ihnen angelegten Kapitals gleichkam<lb/>
zu benutzen und das ganze Kapital der nur teilweise eingezahlten Aktien ein¬<lb/>
zuziehen, zugleich aber auch eine bedeutende Reserve zurückzulegen, vergaß dies<lb/>
Bontoux völlig; er ließ vielmehr die eingezahlten Aktien für vollbezahlt durch<lb/>
die gemachten Gewinne &#x2014; die doch zum großen Teile noch in der Schwebe<lb/>
waren &#x2014; erklären und nützte zwar dadurch zunächst einigermaßen dem Börsen¬<lb/>
stande der Papiere, aber die innere Stärke seiner Position wurde dadurch un-<lb/>
gemein geschwächt. Endlich ließ er die Emission junger Aktien beschließen. Auch<lb/>
hierdurch schuf er sich nur scheinbar eine Verstärkung seiner Position, umso-<lb/>
mehr, als die neuen Aktien nicht sofort zu liefern waren, sondern erst später<lb/>
zur Ausgabe gelangen sollten. Hierdurch kreirte Bontoux zunächst nur eine»<lb/>
neuen Agiotagetitel, der anfänglich zu seinen Gunsten getrieben schien, bald aber<lb/>
gerade seinen Feinden zum schärfsten Mittel diente, ihn zu stürzen. Offenbar<lb/>
kam es ihm bei Kreirung der neuen Titel nicht nur darauf an, die Hilfsmittel<lb/>
seiner Agiotage zu erweitern, sondern zugleich neue Nesourcen zu gewinnen und<lb/>
eine zahlreichere Klientel an sich zu fesseln. Allein dann war der Fehler, der<lb/>
in der Umwandlung der Namenaktien in Inhaberaktien und in der ver¬<lb/>
späteten Ausgabe der neuen Aktien lag, umso schlimmer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1512" next="#ID_1513"> Wirklich genügten denn auch aus der Basis dieser Fehler seinen Gegnern<lb/>
wenige Monate, um die Stellung des ehemaligen Rothschildschen Direktors der<lb/>
österreichischen Südbahn vollständig zu zertrümmern. Der Name Lebaudy ist<lb/>
bei dieser Gelegenheit zu einer gewissen Berühmtheit gelangt? man hat sogar<lb/>
von einem &#x201E;System Lebaudy" gesprochen. Indeß war Lebaudy nur der formelle<lb/>
Führer der Baisseposition, die sich ans der neuen Basis der Bontonx-Werte gegen<lb/>
dieselben in leichtester Weise entwickeln konnte. Das &#x201E;System Lebaudy" war<lb/>
dabei aber so wenig neu wie die Sache selbst. Lebaudy und das durch ihn ge¬<lb/>
leitete Konsortium verkaufte einfach zu successive sinkenden Kursen aus Lieferung,<lb/>
während er zugleich psr eomviAnt eine genügende Menge Stücke an sich brachte,<lb/>
um, wenn er dieselben mit einem Schlage an die Börse warf, notwendig eine<lb/>
Panik zu erregen. Selbstverständlich erlitt das Konsortium an den per oomMnt<lb/>
teuer gekauften und billig an die Börse geworfenen Titeln erheblichen Verlust.<lb/>
Allein zunächst wurde dieser Verlust gemindert dadurch, daß das Konsortinm<lb/>
geteilt spielte, indem es auf der einen Seite wilde Verkäufer, auf der andern<lb/>
zurückhaltende Käufer aufstellte, was schon nötig war, um zunächst die Panik<lb/>
in vollen Sturz zu bringen. Der Gewinn aber, den sie machten, ergab sich<lb/>
daraus, daß sie die Aktien der Union MnsMg zwar zu sinkenden, aber immer<lb/>
noch zu hohen Kursen Z, tsrms verkauft hatten. Durch die Panik aber kamen sie<lb/>
in die Lage, diese Aktien nun selbst wieder zu einen, Spottpreise per vomMnt<lb/>
einzukaufen, während die Terminkäufer &#x2014; und zwar gehörte dazu in erster Linie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0407] Der zweite Pariser Rrcich. stand und diese auf das ärgste gereizt hatte. Anstatt die günstige Stimmung der Aktieninhaber nach einem ungeheuern Gewinne, den sie gemacht hatten und der mehr als einer Verzehnfachung des von ihnen angelegten Kapitals gleichkam zu benutzen und das ganze Kapital der nur teilweise eingezahlten Aktien ein¬ zuziehen, zugleich aber auch eine bedeutende Reserve zurückzulegen, vergaß dies Bontoux völlig; er ließ vielmehr die eingezahlten Aktien für vollbezahlt durch die gemachten Gewinne — die doch zum großen Teile noch in der Schwebe waren — erklären und nützte zwar dadurch zunächst einigermaßen dem Börsen¬ stande der Papiere, aber die innere Stärke seiner Position wurde dadurch un- gemein geschwächt. Endlich ließ er die Emission junger Aktien beschließen. Auch hierdurch schuf er sich nur scheinbar eine Verstärkung seiner Position, umso- mehr, als die neuen Aktien nicht sofort zu liefern waren, sondern erst später zur Ausgabe gelangen sollten. Hierdurch kreirte Bontoux zunächst nur eine» neuen Agiotagetitel, der anfänglich zu seinen Gunsten getrieben schien, bald aber gerade seinen Feinden zum schärfsten Mittel diente, ihn zu stürzen. Offenbar kam es ihm bei Kreirung der neuen Titel nicht nur darauf an, die Hilfsmittel seiner Agiotage zu erweitern, sondern zugleich neue Nesourcen zu gewinnen und eine zahlreichere Klientel an sich zu fesseln. Allein dann war der Fehler, der in der Umwandlung der Namenaktien in Inhaberaktien und in der ver¬ späteten Ausgabe der neuen Aktien lag, umso schlimmer. Wirklich genügten denn auch aus der Basis dieser Fehler seinen Gegnern wenige Monate, um die Stellung des ehemaligen Rothschildschen Direktors der österreichischen Südbahn vollständig zu zertrümmern. Der Name Lebaudy ist bei dieser Gelegenheit zu einer gewissen Berühmtheit gelangt? man hat sogar von einem „System Lebaudy" gesprochen. Indeß war Lebaudy nur der formelle Führer der Baisseposition, die sich ans der neuen Basis der Bontonx-Werte gegen dieselben in leichtester Weise entwickeln konnte. Das „System Lebaudy" war dabei aber so wenig neu wie die Sache selbst. Lebaudy und das durch ihn ge¬ leitete Konsortium verkaufte einfach zu successive sinkenden Kursen aus Lieferung, während er zugleich psr eomviAnt eine genügende Menge Stücke an sich brachte, um, wenn er dieselben mit einem Schlage an die Börse warf, notwendig eine Panik zu erregen. Selbstverständlich erlitt das Konsortium an den per oomMnt teuer gekauften und billig an die Börse geworfenen Titeln erheblichen Verlust. Allein zunächst wurde dieser Verlust gemindert dadurch, daß das Konsortinm geteilt spielte, indem es auf der einen Seite wilde Verkäufer, auf der andern zurückhaltende Käufer aufstellte, was schon nötig war, um zunächst die Panik in vollen Sturz zu bringen. Der Gewinn aber, den sie machten, ergab sich daraus, daß sie die Aktien der Union MnsMg zwar zu sinkenden, aber immer noch zu hohen Kursen Z, tsrms verkauft hatten. Durch die Panik aber kamen sie in die Lage, diese Aktien nun selbst wieder zu einen, Spottpreise per vomMnt einzukaufen, während die Terminkäufer — und zwar gehörte dazu in erster Linie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/407
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/407>, abgerufen am 03.07.2024.