Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der zweite pariser Rrach.

diesen Aktien zum Angebot kam -- wobei nur dus Unglück war, daß sie nicht
ptii- vomxtÄnt kaufen konnte, sondern ö, tsrms kaufe" mußte, was dann
ihren Sturz herbeiführte als der Krach eintrat --, verlor sie alle Fäden. In
solchen Augenblicken spielen, wie auch sonst im wirtschaftlichen Leben, die Exe¬
kutionen eine verhängnisvolle Rolle. Sobald am Tage des Liquidativnsschlusses
die Differenzen nicht gezahlt werden, sind die Bankiers und Kommissionäre ver¬
pflichtet, die Deckung ihrer Klienten zu jedem Preis exekutivisch an der Börse
verkaufe" zu lasse", "ut dieser Umstand macht jede Panik beim Bestehen um¬
fangreicher, aber schwach fundirter Engagements so gefahrvoll. Durch die ge¬
wöhnliche "Kulanz" der Bankiers und Börsenkommissionäre wird das Publikum
nur zu leicht verlockt, bei Börsencngagements weit über seine Kraft hinauszugehen,
und selbst große Vermögen können dadurch mit einem Schlage verloren gehen.
In schwindelhafter Zeiten wird diese "Kulanz" durch das rapide Steigen der
Kurse überaus begünstigt. Diese "Bankiers," denen man Rührigkeit und größte
Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse ihrer "Geschäftsfreunde" im weitesten Um¬
fange zugestehen muß, hören nie auf, die letztern auf die "günstige" Konstellation
der Börse aufmerksam zu machen, und ihre "Dienste" sind stets bereit. Wo
man ein volles Komptcmtgeschäft machen, d. h. lediglich vorhandenes Baar-
kapital anlegen will, heben sie mit beflissener Zudringlichkeit hervor, wie man
sein Vermögen leicht verdoppeln und vervielfachen könne, wen" man von phi¬
listerhafter Ängstlichkeit abgebe. Der Kommissionär erbietet sich zu "bester" Be¬
sorgung. Man kauft den fünf- oder zehnfachen Betrag des verfügbaren Kapitals.
Der Bankier schießt gern den Rest billig vor gegen Depot. Hat man noch
ältere Papiere, die man nicht gern verkauft, fo giebt man auch diese in Depot
und hat dann doch alle Chancen der neu eröffnete" Gewinnpartei. Daß man
gewinnen wird, daran ist ja gar kein Zweifel, man wird die rechte Zeit zum
Verkauf schon treffen.

Die Erfahrung lehrt die furchtbare Wirksamkeit solcher Beeinflussung. Nicht
selten setze" wohlhabende und reiche Leute ihr ganzes Vermögen auf dieses Spiel.
Vermögen von einer halben Million und mehr wurden auf diese Weise in we¬
nigen Augenblicken verloren. Es ist klar, daß bei einer Panik, in der speku¬
lative Titel ost in wenigen Minuten um zehn, um fünfzig, ja selbst um Hun¬
derte von Prozenten geworfen werden, wie dies beim Bontoux-Krach vorkam,
derartige Depots sofort verschwunden sind; sie haben wie mit einem Zauber¬
schlage ihre Eigentümer gewechselt, und bei Klagbarkeit von Differenzgeschäften
ist der bisherige Depotbesitzer sogar noch zum Schuldner des Bankiers ge¬
worden ! Ist aber schon die Einzelwirkung derartiger Geschäfte eine erschreckende,
so wird die Gesamtwirkung umso ärger, je zahlreicher dieselben sind. Denn
wenn z. B. an einem großen Platze wie Paris nur tausend Differenzen an einem
Tage nicht mehr durch die Depots gedeckt bleiben und diese Depots zum exe¬
kutiven Verkaufe kommen, so macht dies schon den Krach fertig und zieht noch viel-


Grenzboten I. Is83. 51
Der zweite pariser Rrach.

diesen Aktien zum Angebot kam — wobei nur dus Unglück war, daß sie nicht
ptii- vomxtÄnt kaufen konnte, sondern ö, tsrms kaufe» mußte, was dann
ihren Sturz herbeiführte als der Krach eintrat —, verlor sie alle Fäden. In
solchen Augenblicken spielen, wie auch sonst im wirtschaftlichen Leben, die Exe¬
kutionen eine verhängnisvolle Rolle. Sobald am Tage des Liquidativnsschlusses
die Differenzen nicht gezahlt werden, sind die Bankiers und Kommissionäre ver¬
pflichtet, die Deckung ihrer Klienten zu jedem Preis exekutivisch an der Börse
verkaufe» zu lasse», »ut dieser Umstand macht jede Panik beim Bestehen um¬
fangreicher, aber schwach fundirter Engagements so gefahrvoll. Durch die ge¬
wöhnliche „Kulanz" der Bankiers und Börsenkommissionäre wird das Publikum
nur zu leicht verlockt, bei Börsencngagements weit über seine Kraft hinauszugehen,
und selbst große Vermögen können dadurch mit einem Schlage verloren gehen.
In schwindelhafter Zeiten wird diese „Kulanz" durch das rapide Steigen der
Kurse überaus begünstigt. Diese „Bankiers," denen man Rührigkeit und größte
Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse ihrer „Geschäftsfreunde" im weitesten Um¬
fange zugestehen muß, hören nie auf, die letztern auf die „günstige" Konstellation
der Börse aufmerksam zu machen, und ihre „Dienste" sind stets bereit. Wo
man ein volles Komptcmtgeschäft machen, d. h. lediglich vorhandenes Baar-
kapital anlegen will, heben sie mit beflissener Zudringlichkeit hervor, wie man
sein Vermögen leicht verdoppeln und vervielfachen könne, wen» man von phi¬
listerhafter Ängstlichkeit abgebe. Der Kommissionär erbietet sich zu „bester" Be¬
sorgung. Man kauft den fünf- oder zehnfachen Betrag des verfügbaren Kapitals.
Der Bankier schießt gern den Rest billig vor gegen Depot. Hat man noch
ältere Papiere, die man nicht gern verkauft, fo giebt man auch diese in Depot
und hat dann doch alle Chancen der neu eröffnete» Gewinnpartei. Daß man
gewinnen wird, daran ist ja gar kein Zweifel, man wird die rechte Zeit zum
Verkauf schon treffen.

Die Erfahrung lehrt die furchtbare Wirksamkeit solcher Beeinflussung. Nicht
selten setze» wohlhabende und reiche Leute ihr ganzes Vermögen auf dieses Spiel.
Vermögen von einer halben Million und mehr wurden auf diese Weise in we¬
nigen Augenblicken verloren. Es ist klar, daß bei einer Panik, in der speku¬
lative Titel ost in wenigen Minuten um zehn, um fünfzig, ja selbst um Hun¬
derte von Prozenten geworfen werden, wie dies beim Bontoux-Krach vorkam,
derartige Depots sofort verschwunden sind; sie haben wie mit einem Zauber¬
schlage ihre Eigentümer gewechselt, und bei Klagbarkeit von Differenzgeschäften
ist der bisherige Depotbesitzer sogar noch zum Schuldner des Bankiers ge¬
worden ! Ist aber schon die Einzelwirkung derartiger Geschäfte eine erschreckende,
so wird die Gesamtwirkung umso ärger, je zahlreicher dieselben sind. Denn
wenn z. B. an einem großen Platze wie Paris nur tausend Differenzen an einem
Tage nicht mehr durch die Depots gedeckt bleiben und diese Depots zum exe¬
kutiven Verkaufe kommen, so macht dies schon den Krach fertig und zieht noch viel-


Grenzboten I. Is83. 51
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0409" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152128"/>
          <fw type="header" place="top"> Der zweite pariser Rrach.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1516" prev="#ID_1515"> diesen Aktien zum Angebot kam &#x2014; wobei nur dus Unglück war, daß sie nicht<lb/>
ptii- vomxtÄnt kaufen konnte, sondern ö, tsrms kaufe» mußte, was dann<lb/>
ihren Sturz herbeiführte als der Krach eintrat &#x2014;, verlor sie alle Fäden. In<lb/>
solchen Augenblicken spielen, wie auch sonst im wirtschaftlichen Leben, die Exe¬<lb/>
kutionen eine verhängnisvolle Rolle. Sobald am Tage des Liquidativnsschlusses<lb/>
die Differenzen nicht gezahlt werden, sind die Bankiers und Kommissionäre ver¬<lb/>
pflichtet, die Deckung ihrer Klienten zu jedem Preis exekutivisch an der Börse<lb/>
verkaufe» zu lasse», »ut dieser Umstand macht jede Panik beim Bestehen um¬<lb/>
fangreicher, aber schwach fundirter Engagements so gefahrvoll. Durch die ge¬<lb/>
wöhnliche &#x201E;Kulanz" der Bankiers und Börsenkommissionäre wird das Publikum<lb/>
nur zu leicht verlockt, bei Börsencngagements weit über seine Kraft hinauszugehen,<lb/>
und selbst große Vermögen können dadurch mit einem Schlage verloren gehen.<lb/>
In schwindelhafter Zeiten wird diese &#x201E;Kulanz" durch das rapide Steigen der<lb/>
Kurse überaus begünstigt. Diese &#x201E;Bankiers," denen man Rührigkeit und größte<lb/>
Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse ihrer &#x201E;Geschäftsfreunde" im weitesten Um¬<lb/>
fange zugestehen muß, hören nie auf, die letztern auf die &#x201E;günstige" Konstellation<lb/>
der Börse aufmerksam zu machen, und ihre &#x201E;Dienste" sind stets bereit. Wo<lb/>
man ein volles Komptcmtgeschäft machen, d. h. lediglich vorhandenes Baar-<lb/>
kapital anlegen will, heben sie mit beflissener Zudringlichkeit hervor, wie man<lb/>
sein Vermögen leicht verdoppeln und vervielfachen könne, wen» man von phi¬<lb/>
listerhafter Ängstlichkeit abgebe. Der Kommissionär erbietet sich zu &#x201E;bester" Be¬<lb/>
sorgung. Man kauft den fünf- oder zehnfachen Betrag des verfügbaren Kapitals.<lb/>
Der Bankier schießt gern den Rest billig vor gegen Depot. Hat man noch<lb/>
ältere Papiere, die man nicht gern verkauft, fo giebt man auch diese in Depot<lb/>
und hat dann doch alle Chancen der neu eröffnete» Gewinnpartei. Daß man<lb/>
gewinnen wird, daran ist ja gar kein Zweifel, man wird die rechte Zeit zum<lb/>
Verkauf schon treffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1517" next="#ID_1518"> Die Erfahrung lehrt die furchtbare Wirksamkeit solcher Beeinflussung. Nicht<lb/>
selten setze» wohlhabende und reiche Leute ihr ganzes Vermögen auf dieses Spiel.<lb/>
Vermögen von einer halben Million und mehr wurden auf diese Weise in we¬<lb/>
nigen Augenblicken verloren. Es ist klar, daß bei einer Panik, in der speku¬<lb/>
lative Titel ost in wenigen Minuten um zehn, um fünfzig, ja selbst um Hun¬<lb/>
derte von Prozenten geworfen werden, wie dies beim Bontoux-Krach vorkam,<lb/>
derartige Depots sofort verschwunden sind; sie haben wie mit einem Zauber¬<lb/>
schlage ihre Eigentümer gewechselt, und bei Klagbarkeit von Differenzgeschäften<lb/>
ist der bisherige Depotbesitzer sogar noch zum Schuldner des Bankiers ge¬<lb/>
worden ! Ist aber schon die Einzelwirkung derartiger Geschäfte eine erschreckende,<lb/>
so wird die Gesamtwirkung umso ärger, je zahlreicher dieselben sind. Denn<lb/>
wenn z. B. an einem großen Platze wie Paris nur tausend Differenzen an einem<lb/>
Tage nicht mehr durch die Depots gedeckt bleiben und diese Depots zum exe¬<lb/>
kutiven Verkaufe kommen, so macht dies schon den Krach fertig und zieht noch viel-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. Is83. 51</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0409] Der zweite pariser Rrach. diesen Aktien zum Angebot kam — wobei nur dus Unglück war, daß sie nicht ptii- vomxtÄnt kaufen konnte, sondern ö, tsrms kaufe» mußte, was dann ihren Sturz herbeiführte als der Krach eintrat —, verlor sie alle Fäden. In solchen Augenblicken spielen, wie auch sonst im wirtschaftlichen Leben, die Exe¬ kutionen eine verhängnisvolle Rolle. Sobald am Tage des Liquidativnsschlusses die Differenzen nicht gezahlt werden, sind die Bankiers und Kommissionäre ver¬ pflichtet, die Deckung ihrer Klienten zu jedem Preis exekutivisch an der Börse verkaufe» zu lasse», »ut dieser Umstand macht jede Panik beim Bestehen um¬ fangreicher, aber schwach fundirter Engagements so gefahrvoll. Durch die ge¬ wöhnliche „Kulanz" der Bankiers und Börsenkommissionäre wird das Publikum nur zu leicht verlockt, bei Börsencngagements weit über seine Kraft hinauszugehen, und selbst große Vermögen können dadurch mit einem Schlage verloren gehen. In schwindelhafter Zeiten wird diese „Kulanz" durch das rapide Steigen der Kurse überaus begünstigt. Diese „Bankiers," denen man Rührigkeit und größte Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse ihrer „Geschäftsfreunde" im weitesten Um¬ fange zugestehen muß, hören nie auf, die letztern auf die „günstige" Konstellation der Börse aufmerksam zu machen, und ihre „Dienste" sind stets bereit. Wo man ein volles Komptcmtgeschäft machen, d. h. lediglich vorhandenes Baar- kapital anlegen will, heben sie mit beflissener Zudringlichkeit hervor, wie man sein Vermögen leicht verdoppeln und vervielfachen könne, wen» man von phi¬ listerhafter Ängstlichkeit abgebe. Der Kommissionär erbietet sich zu „bester" Be¬ sorgung. Man kauft den fünf- oder zehnfachen Betrag des verfügbaren Kapitals. Der Bankier schießt gern den Rest billig vor gegen Depot. Hat man noch ältere Papiere, die man nicht gern verkauft, fo giebt man auch diese in Depot und hat dann doch alle Chancen der neu eröffnete» Gewinnpartei. Daß man gewinnen wird, daran ist ja gar kein Zweifel, man wird die rechte Zeit zum Verkauf schon treffen. Die Erfahrung lehrt die furchtbare Wirksamkeit solcher Beeinflussung. Nicht selten setze» wohlhabende und reiche Leute ihr ganzes Vermögen auf dieses Spiel. Vermögen von einer halben Million und mehr wurden auf diese Weise in we¬ nigen Augenblicken verloren. Es ist klar, daß bei einer Panik, in der speku¬ lative Titel ost in wenigen Minuten um zehn, um fünfzig, ja selbst um Hun¬ derte von Prozenten geworfen werden, wie dies beim Bontoux-Krach vorkam, derartige Depots sofort verschwunden sind; sie haben wie mit einem Zauber¬ schlage ihre Eigentümer gewechselt, und bei Klagbarkeit von Differenzgeschäften ist der bisherige Depotbesitzer sogar noch zum Schuldner des Bankiers ge¬ worden ! Ist aber schon die Einzelwirkung derartiger Geschäfte eine erschreckende, so wird die Gesamtwirkung umso ärger, je zahlreicher dieselben sind. Denn wenn z. B. an einem großen Platze wie Paris nur tausend Differenzen an einem Tage nicht mehr durch die Depots gedeckt bleiben und diese Depots zum exe¬ kutiven Verkaufe kommen, so macht dies schon den Krach fertig und zieht noch viel- Grenzboten I. Is83. 51

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/409
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/409>, abgerufen am 22.07.2024.